Der Fall Assange und die Pressefreiheit
12. April 2019Die bis zum Tag der Verhaftung unter Verschluss gehaltene Anklageschrift der USA gegen WikiLeaks-Gründer Julian Assange ist vom Umfang her begrenzt. Assange wird lediglich der Verschwörung angeklagt. Der Vorwurf lautet, er habe mit Komplizen versucht, Zugang zu einem Regierungscomputer zu bekommen, der geheime Dokumente enthielt. Die Anklage - hier nun abrufbar - beschuldigt Assange aber nicht, geheime Informationen veröffentlicht zu haben.
Hätten die USA stattdessen eine Anklage wegen Spionage erhoben, wäre dies vermutlich als direkter Angriff auf die Pressefreiheit gewertet worden, die im ersten Zusatzartikel der US-amerikanischen Verfassung verankert ist.
Verfassung schützt Veröffentlichung
"Dieser unterscheidet das illegale Beschaffen von Informationen vom Veröffentlichen dieser Informationen", sagt Frederick Schauer, Rechtsprofessor an der Universität Virginia. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern ist es in den USA nicht nur erlaubt, sondern sogar durch die Verfassung geschützt, auch auf illegale Weise erlangte Informationen zu veröffentlichen, wie Schauer erklärt. Nur der reine Akt, diese Informationen beispielsweise durch Diebstahl oder Hacken zu beschaffen, ist verboten.
In der Anklage behauptet die US-Regierung, Assange habe im Jahr 2010 der Whistleblowerin Chelsea Manning geholfen, ein Passwort zu knacken, das auf Computern des Verteidigungsministeriums gespeichert ist. Diese PCs seien mit einem Regierungsnetzwerk verbunden, das für geheime Akten und Kommunikation genutzt werde. Manning hatte durch ihre damalige Tätigkeit bereits Zugriff auf die Rechner.
Aus dem Papier geht nicht eindeutig hervor, ob es Assange und Manning gelungen war, das Passwort zu entschlüsseln. Sollte Assange verurteilt werden, drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft.
Der sichere Weg
"Ich denke, es war eine strategische Entscheidung der Regierung, nicht gerichtlich gegen irgendetwas vorzugehen, das mit der Veröffentlichung zu tun hat", sagt Schauer. "Aus Perspektive der Regierung scheint dies rechtlich der sicherere Weg zu sein."
Obwohl der Unterschied zwischen illegaler Beschaffung von Informationen und ihrer darauffolgenden Veröffentlichung verfassungsrechtlich eindeutig ist, gibt es Experten, die angesichts der Anklage Bedenken mit Blick auf die Pressefreiheit äußern. Einer davon ist Jameel Jaffer, Direktor des Knight First Amendment Institute (zu Deutsch etwa: "Institut der Ritter des ersten Verfassungszusatzes") an der Columbia-Universität New York.
Jaffer begrüßt, dass sich der Kern der Anklage auf das mutmaßliche Hacken eines Regierungscomputers bezieht und nicht auf das Veröffentlichen geheimer Informationen. Gleichzeitig kritisiert er, dass die Anklage sich mit einer Reihe von Aktivitäten beschäftige, die "nicht nur gesetzeskonform sind, sondern zum Herzstück der Pressefreiheit gehören, wie etwa den Kontaktaufbau und die -pflege sowie die sichere Kommunikation mit geheimen Quellen".
Legitime Aktivitäten
Die Anklage führt unter "Art und Mittel der Verschwörung" auf, dass Assange mit seinen "Mitverschwörern" über einen Onlinechat in Kontakt war und dass Geheimakten über einen Cloud-Dienst geteilt wurden. "Es scheint ziemlich eindeutig zu sein, dass das Ziel der Anklage ist, diese absolut rechtmäßigen journalistischen Tätigkeiten zu beschmutzen, indem sie mit dem angeblichen, unrechtmäßigen Hack der Regierungsdatenbank in Verbindung gebracht werden", so Jaffer. Dabei sei die Frage unerheblich, ob man glaube, Assange sei ein Journalist oder nicht, wie Jaffer auf Twitter ergänzt.
Es sei möglich, dass das US-Justizministerium zu einem späteren Zeitpunkt weitere Anklagen gegen Assange anstrebe, gibt Jaffer zu Bedenken. Aus diesem Grund findet er es wichtig, den Umgang des Ministeriums mit dem Fall Assange ganz genau zu beobachten - auch, weil die aktuelle Regierung unter Präsident Donald Trump den Medien gegenüber generell feindselig eingestellt ist. Dies betrifft insbesondere den Journalismus, der sich mit der nationalen Sicherheit befasst - aber eben nicht nur. "Es kann durchaus passieren, dass die Strafverfolgung der Regierung eine abschreckende Wirkung auf den Journalismus insgesamt haben wird".