Der Fall Yves Bouvier
10. März 2015Dimitri Rybolowlew sammelt Kunst wie andere Briefmarken. Er kann es sich leisten, denn der in Monaco lebende russische Oligarch gehört laut "Forbes Magazine" zu den 100 reichsten Menschen der Welt. 127,5 Millionen zahlte der 48-Jährige unlängst für ein vermeintliches "Leonardo da Vinci"-Gemälde mit dem Titel "Salvator Mundi". Dass viele Kunsthistoriker die Echtheit des Bildes bezweifelten, störte ihn nicht. Im Gegenteil: Er freute sich, dass sein Freund und Geschäftspartner, der Kunsthändler Yves Bouvier, ihm dieses erlesene Werk vermittelt hatte.
Da Vinci im Esszimmer oder im Freihafen?
Für reiche Privatsammler wie Dimitri Rybolowlew sind Kunstwerke vor allem Statussymbole. Andere nutzen sie als Anlageobjekte; sie lagern die Kunst gern in sogenannten Freihäfen ein. Yves Bouvier ist Herr über "Singapore Freeport" mit Zweigstellen von Genf über Luxemburg bis Singapur, weitere Lager in Peking, Malta und auf Mauritius sind geplant. Rund 500.000 Kunstwerke sind in seinen zollfreien Hochsicherheitslagern gebunkert. Aber in Bouviers Imperium wird nicht nur gelagert, sondern auch transportiert und gehandelt. Seine Transportfirma "Natural Le Coultre" hat er von seinem Vater übernommen. Alles in einer Hand, ein lukratives Geschäftsmodell.
Freihäfen seien übrigens keine Schmuggler-Höhlen, wie oft vermutet würde, beteuerte Bouvier einmal gegenüber der "Zeit": "Nur Dummköpfe versuchen noch, hier Drogen in Kunstwerken oder Diebesgut zu verstecken. Das wird entdeckt, denn alles, was hinein- und hinausgeht, wird genau registriert und durchleuchtet. Wir tragen sogar zur Aufklärung von Kunstdiebstählen bei."
Ein undurchsichtiger Markt
Der Ruf der Freilager ist nicht der Beste, es gibt da sicherlich Möglichkeiten, unsaubere Geschäfte zu kaschieren, will ich es mal vorsichtig formulieren", sagt der Kölner Rechtsanwalt Jan Weber, der sich auf den Bereich Kunst spezialisiert hat. So manche zweifelhafte Transaktion im großen Stil könnte man in einen Freihafen in der Tat recht problemlos abwickeln. Geschäfte über die "Freeports" sind bei Sammlern, Kunsthändlern und Auktionshäusern beliebt, weil man sie über Offshore-Firmen in Steueroasen laufen lassen kann, ohne dass die Käufer selbst in Erscheinung treten. Im Kunsthandel gibt es wenige Kontrollinstanzen: Preise werden nach schwer nachvollziehbaren Kriterien festgelegt und können durch Verkäufe und Rückkäufe in die Höhe getrieben werden.
Bisher hat Yves Bouvier einen seriösen Namen in der Kunstszene. Obwohl die Wochenzeitung "Die Zeit" schon 2013 schrieb, dass der Unternehmer offenbar an dem millionenschweren Handel mit Bildern der klassischen Moderne beteiligt war, die sich als Fälschungen von Wolfgang Beltracchi entpuppten. "Der Redaktion vorliegende Dokumente belegen, dass Bouvier für solche Kunsttransaktionen auch eine diskrete Offshore-Firma auf den Britischen Jungferninseln betrieben hat", hieß es damals.
Geschäftspartner über Jahre
Nun hegt auch Dimitri Rybolowlew Zweifel an Bouviers Integrität. Bei der Zeitungslektüre der "New York Times" erfuhr er nämlich, dass die Vorbesitzer des "Da Vinci-Gemäldes circa 75 Millionen Dollar" für das Bild erhalten hatten. Selbst wenn er die verabredete Provision von zwei Prozent an den Schweizer Yves Bouvier einrechnet, klafft eine Lücke von rund 50 Millionen Euro.
Rybolowlew schöpfte Verdacht, dass sich der Genfer Kunsthändler die Differenz in die eigene Tasche gesteckt hat – und das nicht zum ersten Mal. Durch Zufall erfuhr er, dass er für ein Modigliani-Gemälde 118 Millionen Dollar bezahlt hatte, der Verkäufer es aber für 93,5 Millionen veräußert hatte. Auch dieses Geschäft hatte der Kunsthändler Yves Bouvier vermittelt.
Insgesamt hat Dimitri Rybolowlew im letzten Jahrzehnt Kunst im Wert von zwei Milliarden Franken über den Schweizer erworben. Bouvier soll geholfen haben, die Sammlung des Russen und seiner Ex -Frau Elena mit Meisterwerken des Impressionismus von Gauguin bis Degas und der Klassischen Moderne von Picasso bis Modigliani zusammenzustellen.
Bouvier beteuert seine Unschuld
Die Frage, wieviel von dieser Summe Bouvier für sich abzweigte, beschäftigt auch die Polizei. Rybolowlews Anwältin, Tetiana Bersheda, hat inzwischen Klage gegen Bouvier eingereicht. Mit falschen Herkunftsnachweisen und von ihm selbst künstlich angeheizten Preisen, soll er über Jahre hinweg völlig überteuerte Meisterwerke verkauft haben, so der Vorwurf.
Am 25. Februar wurde der Unternehmer in Monaco festgenommen, gegen ihn wurde ein Verfahren wegen Betrug und "Komplizenschaft an Geldwäsche " eingeleitet. Der Fall erinnert stark an die Affäre Achenbach: Der 62-jährige Kunstberater Helge Achenbach sitzt seit Juni 2014 in Untersuchungshaft, weil er den verstorbenen Aldi-Chef Berthold Albrecht bei Kunst- und Oldtimergeschäften um rund 23 Millionen Euro betrogen haben soll.
Yves Bouvier hingegen ist nach einer Zahlung von zehn Millionen Euro Kaution zunächst wieder auf freiem Fuß. Ob es zu einer Anklage kommen wird, sei noch nicht ausgemacht, ließ der Generalstaatsanwalt von Monaco, Jean-Pierre Dreno, verlauten. Bouvier selbst fühlt sich völlig zu Unrecht des Verdachts der Preistreiberei beschuldigt. "Das ist absurd", meldete er sich im "Luxemburger Wort" erstmals zu Wort. "Wollen Sie Swisscom auch Betrug vorwerfen, wenn die ihnen ein Handy für 600 Euro verkaufen, das im Einkauf 200 gekostet hat?"
Die monegassische Justiz ist gefragt
Ganz so einfach könne sich Bouvier nicht herausreden, meint Kunstrechtsanwalt Jan Weber. "Es kommt tatsächlich darauf an, welche Vereinbarung zwischen den Parteien besteht", so der Experte. "Wenn Yves Bouvier keinen Auftrag hatte, das Werk zu besorgen und es Rybolowlew einfach nach dem Motto anbot: 'Ich habe das Bild, möchtest du es kaufen?', dann konnte er den Aufschlag berechnen." Wenn Bouvier aber mit dem Auftrag loszog, auf Provisionsbasis eine Sammlung zusammenzustellen und auf die Suche nach seltenen Werken zu gehen, wäre der Aufschlag rechtswidrig. "Dann hätte er den Einkaufspreis nach internationalem Recht offenlegen müssen", erklärt Weber.
Diese Frage zu klären liegt jetzt in den Händen der monegassischen Justiz. Sollte Yves Bouvier wirklich verurteilt werden, erwarten ihn mehrere Jahre Gefängnis. Und die Kunstwelt müsste sich erneut fragen, welche Machenschaften in ihren Reihen wohl an der Tagesordnung sein mögen. Doch bis dahin gilt die Unschuldsvermutung.