Der Feind Israels
20. Juni 2003Frieden werde es erst geben, wenn Israel aufhöre zu existieren: Der palästinensische Kinderarzt Abdel Asis Rantisi hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Und er setzt alles daran, dass seine Vision eines Nahostfriedens Wirklichkeit wird. Obwohl er tunlichst betont, dass er für bewaffnete Angriffe auf Israel nicht zuständig sei.
Er gehöre dem politischen Flügel von Hamas an, der "Islamischen Widerstands-Bewegung". Allein auf deren Konto gehen seit Beginn der Intifada vor noch nicht drei Jahren 72 Selbstmordanschläge, bei denen 227 Israelis getötet und 1393 verletzt wurden.
Verbale Trennung von Politik und Militär
Rantisi, der gerade einem israelischen Liquidierungsversuch entkommen ist, fungiert als Sprecher der Hamas, in Wirklichkeit aber ist er weit mehr: Er gilt als die Nummer Zwei hinter dem siechen Sheich Achmed Jassin, der als geistliches Oberhaupt der Bewegung gilt und der - schwer behindert - in Gaza lebt.
Beide reklamieren für sich, den politischen Zweig von Hamas zu vertreten. Sie bedienen sich dabei derselben Taktik, die die PLO unter Jassir Arafat lange Jahre anwandte: Sie sprach von einem politischen und einem militärischen Flügel und bestritt, dass beide unter demselben Kommando standen. Dies dürfte aber auch schon die einzige Gemeinsamkeit zwischen Hamas und PLO sein.
Kein Existenzrecht für Israel
Hamas ist eine islamistische Bewegung, die der Moslembruderschaft nahe steht und die in großer Unversöhnlichkeit auch nur den Gedanken zurückweist, Israels Exisistenzrecht anzuerkennen und mit dem jüdischen Staat eines Tages Frieden zu schließen. Hamas opponierte deswegen gegen die Oslo-Verträge. Sie wirft dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mahmoud Abbas Verrat vor. Dieser hatte in Akaba von der Bereitschaft gesprochen, die Intifada zu beenden und Gewalt gegen Israelis - gleich, wo sie sich aufhalten – verurteilt.
Hamas steht schon seit Jahren in Konkurrenz zur PLO. So reklamierten die Islamisten 1987 bei Beginn der ersten Intifada ihren eigenen Volksaufstand – mit eigenem Anfangsdatum und eigenen Aktionen, eigenen Streiktagen und eigenen Aufrufen. Hier trat Hamas zum erstenmal klar erkennbar in Aktion. Es war dies aber nicht der Beginn dieser Bewegung.
"Die Geister, die ich rief ..."
So unwahrscheinlich es heute klingen mag: Hamas entstand einst, zumindest indirekt, unter israelischer Mithilfe. Lange vor der ersten Intifada ermunterte die israelische Militärverwaltung religiöse Gruppen in den besetzten Gebieten, sich zu formieren und Verantwortung für Teilbereiche des öffentlichen Lebens zu übernehmen. Hauptgrund dieser Strategie: Man wollte ein politisches Gegengewicht gegen Arafats PLO schaffen, die weiter auf ihrem Alleinvertretungsanspruch bestand und ohne jede Konzessionsbereitschaft Aktionen gegen Israel durchführte.
Hamas begann im Gazastreifen, sich auf soziale Arbeit zu konzentrieren: Kindergärten und Krankenhäuser wurden unterstützt, die Armen konnten sich Gelder abholen (die meist aus Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten stammten) und die Popularität unter der Bevölkerung wuchs. Nicht jedoch die Bereitschaft, sich mit der Existenz Israels abzufinden: Diese Bereitschaft kam schließlich von Seiten der PLO – sie unterzeichnete in der Folge auch die Oslo-Abkommen mit Israel.
"Heiliger Krieg" gegen Israel
Hamas hatte in der Zeit bereits eine Entwicklung zur offen israel-feindlichen Bewegung vollzogen - ideologisch-religiös verbrämter arabischer Nationalismus, ohne jede Bereitschaft zum Nachgeben. 1988 verabschiedete Hamas die "Palästinensische Charta", in der sich die Mitglieder als palästinensische Moslembrüder bezeichnen und in der auch der PLO das Recht abgesprochen wird, für die Palästinenser zu sprechen.
Bis heute fordert Hamas einen "Heiligen Krieg" zur Schaffung eines Islamischen Staates in ganz Palästina - also die Zerstörung Israels. Und sie ruft Muslime in Palästinas wie auch in der gesamten islamischen Welt dazu auf, sich diesem Kampf anzuschließen. Sicher mit ein Grund dafür, dass Hamas seit vielen Jahren finanzielle und andere Unterstützung aus dem Iran erhält und - noch mehr - aus den Ölstaaten der Arabischen Halbinsel. Letztere haben ihre
Unterstützung freilich in letzter Zeit einzustellen versprochen: Auf dem Gipfel von Sharm-el-Sheikh versprachen Saudi-Arabien und Bahrein zusammen mit Ägypten und Jordanien, diese Organisation nicht mehr zu unterstützen.