Der filigrane Koloss
Der Kölner Dom ist berühmt, besonders seit dem Weltjugendtag im August 2005. Damals gingen Bilder der gotischen Kathedrale am Rhein um die Welt, als Papst Benedikt XVI. vor dem Portal zu den Gläubigen sprach und Jugendliche aus aller Herren Länder zum goldenen Dreikönigsschrein im Kircheninneren pilgerten.
Bauzeit mit Unterbrechungen
Als 1248 die Arbeit am Dom begann, mussten die Bauleute noch jeden einzelnen Stein mit Seilwinden in die Höhe ziehen, und Baumeister Gerhard dichtete man nach mittelalterlichen Vorstellungen einen Teufelspakt an. Vollendet wurde das Gotteshaus erst mehr als 600 Jahre später: Am 15. Oktober 1880 setzten Bauleute den Schlussstein in die Kreuzblume des 157 Meter hohen Südturms ein.
Von seiner schieren Masse her - für die 144 Meter lange und 86 Meter breite Kathedrale wurden 200 000 Tonnen Stein verbaut – müsste der Dom dastehen wie ein Koloss. Tatsächlich aber wirkt er filigran, zerbrechlich fast. Unendlich oft wiederholen sich die Formen von Türmen und Spitzbogen, nirgends stehen Pilger vor klotzigen Wänden.
Wallfahrtsort bis heute
Gebaut wurde die Kathedrale einst, um dem Dreikönigsschrein ein würdiges Dach zu bieten. 1162 wurden die vermeintlichen Gebeine der ersten Christuspilger aus Mailand geraubt und machten Köln zu einem der wichtigsten Wallfahrtsorte der Welt. Das ist die Stadt am Rhein bis heute geblieben - inzwischen überwiegt jedoch eine neue Art von Pilgern: Bis zu neun Millionen Touristen besuchen den Dom pro Jahr.
Viele von ihnen machen aber nicht nur Sightseeing, sondern besuchen die Kirche auch aus religiösen Gründen. Fünf Messen gibt es jeden Tag, plus Mittagsgebet. Im Beichtraum können Gläubige mit einem Priester sprechen, in der Sakramentskapelle still beten. Vor den Heiligenfiguren wie der Schmuckmadonna zünden sie Kerzen an, vor dem Altar knien sie in Andacht nieder.
Sinnbild des Zusammenwachsens
Nachdem Meister Gerhard im Mittelalter mit dem Bau begonnen hatte, ging es 70 Jahre lang rasch voran: 1322 wurde der Chor eingeweiht. Dann aber ließ das Tempo nach, 1410 wurde die Arbeit für mehr als 400 Jahre unterbrochen. Der schräge Kran auf den Turmstümpfen war das unfreiwillige Wahrzeichen in der Skyline Kölns.
Erst Anfang des 19. Jahrhunderts kam noch einmal Schwung in die Dom-Idee. Das Mittelalter wurde wieder modern, und nach dem Sieg über Napoleon - dessen Truppen den Dom als Magazin missbraucht hatten - suchte das zusammenwachsende Deutschland nach einem Sinnbild. Staat und Bürger engagierten sich, umgerechnet auf die heutige Währung verschlang die Fertigstellung des Doms 1,1 Milliarden Euro. Drei Viertel brachte der Zentral-Dombau-Verein aus Spenden und Lotterien auf.
Welterbestatus in Gefahr
Die Arbeiten dauerten von 1842 bis 1880. So richtig fertig geworden sind sie aber nie. Denn die Abgase der Kohle-Dampfloks setzten dem Stein zu. Und im Zweiten Weltkrieg blieb auch der Dom vom Bombenhagel nicht völlig verschont. Bis heute gehen die Arbeiten am Dom weiter - ohne Gerüst ist er nie zu sehen. Obwohl die Dombauhütte die Arbeiten an der Kathedrale im Griff hat, gibt es Sorgen. Denn auch die heutige Zeit hat ihre architektonischen Symbole, und weil sie Rendite bringen sollen, sind das vor allem Bürohochhäuser. Genau davon sind nach Ansicht der Kulturorganisation der Vereinten Nationen, UNESCO, rund um den Dom zu viele geplant. Der Status des Kölner Doms als Welterbe steht deshalb auf der Kippe. (pg)