Der Fingerabdruck – Stoff für Kriminalromane
31. August 2016Fingerabdrücke sind aus der Kriminalistik nicht mehr wegzudenken. Sie helfen nicht nur, einen Täter oder Kriminellen zu überführen, sondern auch, die Identität eines Menschen eindeutig festzustellen. Der erste Europäer, der Fingerabdrücke für die Unterzeichnung eines Vertrags verwendet hat, war 1858 der britische Kolonialbeamte William Herschel. Später wurde diese neuartige Methode auch bei Kriminalfällen eingesetzt: 1891 trugen in Argentinien sichergestellte Fingerabdrücke zur Überführung einer Mörderin bei. Wir stellen Ihnen zehn literarische Kriminalfälle vor, bei denen Fingerabdrücke eine entscheidende Rolle spielen:
1. Mark Twain: "Leben auf dem Mississippi"
Noch bevor Kriminalisten Fingerabdrücke zur Verbrechensaufklärung verwendeten, setzte sie der amerikanische Schriftsteller Mark Twain ein. In seiner autobiografischen Erzählung "Leben auf dem Mississippi", 1883 in Boston/USA erschienen, erzählt Twain seine eigene Lebensgeschichte als Lotse auf den Mississippi-Dampfern. Sie spielt in der Zeit vor und nach dem amerikanischen Bürgerkrieg. Auf Grund eines blutigen Fingerabdrucks wird 1883 bei einem Gerichtsverfahren ein Mörder überführt. 1980 wurde die Erzählung auch verfilmt.
2. Arthur Conan Doyle: "Die Rückkehr des Sherlock Homes"
Der weltberühmte Meisterdetektiv war in den Erzählungen und Romanen des britischen Schriftstellers Doyle als technisch versierter Kriminalist angelegt. Die Oberspürnase hat - etwa in "Die Rückkehr des Sherlock Homes" (1903) - eine Vorliebe für akribische Tüfteleien, die er bei seinen Ermittlungen zu einem kriminalistischen Puzzle zusammenlegt: Zigarettenasche, Fußabdrücke im Garten oder Fingerabdrücke am Tatort. All das sind für ihn Hinweise, die am Schluss zur Überführung des Täters führen.
2009 kam eine Hollywood-Version der Sherlock-Holmes-Reihe ins Kino. Den Assistenten Dr. Watson spielt darin Hollywoodstar Jude Law, den Meisterdetektiv der Sänger und Schauspieler Robert Downey jr. Für das britische Fernsehen wurde der Stoff noch einmal neu produziert: Verlegt in die Gegenwart ermittelt Benedict Cumberbatch in der TV-Serie "Sherlock" im heutigen London.
3. George Simenon: "Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes"
In diesem Kriminalroman aus dem Jahr 1930 spielen die Finger- und Fußabdrücke eines angeblichen Mörders eine zentrale Rolle. Die Geschichte gehört zur ersten Staffel von insgesamt 19 Maigret-Romanen. Die Hauptfigur, Kriminalkommissar Maigret - immer mit Trenchcoat und Hut unterwegs - ermittelt im Großstadtdschungel von Paris. Der findige Kriminologe verlässt sich lieber auf sein Einfühlungsvermögen in den Charakter des mutmaßlichen Täters als auf Indizienketten.
Für ihn ist das Motiv der zentrale Schlüssel zur Aufklärung. Trotz erdrückender Beweise - am Tatort waren blutige Fingerabdrücke des Hauptverdächtigen gefunden worden - überführt Maigret am Schluss eine andere, unauffällige Person, deren Hass auf den Reichtum der Opfer letztendlich das Motiv für den Mord war.
4. Friedrich Glauser: "Die Fieberkurve"
In der Roman-Reihe des österreichisch-schweizerischen Kriminalschriftstellers Friedrich Glauser ist ein Berner "Komissär" die Hauptfigur - so heißen in der Schweiz die Ermittler der Polizei. Wachtmeister Studer arbeitet vor allem intuitiv und verlässt sich lieber auf sein Gespür für Menschen und Situationen als auf kriminalistische Details.
Studer ist auch Vorbild für den Typus des unkonventionellen Ermittlers gewesen, wie ihn später Privatdetektiv Philipp Marlowe in den Romanen von Chandler oder auch Mankells Kommissar Wallander verkörpern. In Glausers Kriminalroman "Die Fieberkurve" (1935) sucht Studer - groß, korpulent, eisgrauer Schnurrbart - einen Bekannten auf, "der statt Briefmarken Fingerabdrücke sammelt".
5. Agatha Christie: "Der Tod auf dem Nil"
Auch bei der berühmten Kriminalschriftstellerin Agatha Christie spielen Fingerabdrücke bei der Überführung des Täters eine wichtige Rolle. Sie erfand für ihre Kriminalromane den distinguierten Detektiv Hercule Poirot als zentrale Figur. Mit intellektuellem Fingerspitzengefühl geht er rätselhaften Mordfällen in England nach. In den meisten der unterhaltsamen Krimis sterben die Opfer an Gift.
Agatha Christie war anerkannte Expertin für Pharmaka, Narkotika und Gifte aller Art. Viele ihrer Kriminalromane spielen unterwegs und auf Reisen, so auch "Mord im Orientexpress". In ihrem Roman "Der Tod auf dem Nil" (1937) - im Bild Schauspieler Peter Ustinov in der legendären Verfilmung von 1978 - geht Poirot in seinem Ägypten-Urlaub Fingerabdrücken und verdächtigen Spuren im Sand nach.
6. Patricia Wentworth: "Der Fingerabdruck"
Ein Fingerabdruck allein reicht in der Regel nicht aus, um ein Verbrechen aufzuklären. Die britische Krimiautorin Patrica Wentworth hat in ihrem Leben über 40 Krimis geschrieben. Ihr Roman "Der Fingerabdruck" (1959) beginnt mit einer Szene, in der die junge Georgina ihren geliebten Onkel Jonathan tot am Boden liegen sieht. Instinktiv nimmt sie den Revolver neben ihm hoch und macht sich so zur Hauptverdächtigen - denn ihre Fingerabdrücke sind auf der Tatwaffe. Ein Fall für die berühmteste Protagonistin bei Wentworth: Miss Maud Silver. Die pensionierte Hauslehrerin kommt dem Fall schnell auf die Spur...
7. Pierre Souvestre / Marcel Allain: "Fantômas"
In Frankreich ist der "Meister des Verbrechens" schon lange bekannt: 1911 erschienen die ersten Fantômas- Kriminalromane. Darin macht der geniale, aber skrupellose Verbrecher Fantômas in seinen ständig wechselnden Masken die Polizei lächerlich. Er ist einfach nicht zu fassen. Äußerst raffiniert verübt Fantomas Mordtaten und entkommt immer wieder, weil er keine Fingerabdrücke hinterlässt: Der Serienmörder arbeitet mit Handschuhen aus Menschenhaut.
Genau dieser Stoff wurde 1964 in Frankreich von André Hunebelle verfilmt - als klamottige Kriminalkomödie. Dem Schauspieler Louis de Funès (Foto) gelang mit "Fantomas" der große Durchbruch als international bekannter Komiker. Er treibt in der Rolle des tollpatschig-konfusen Inspektors Juve sein Unwesen. Der Kinofilm war eine Persiflage des literarischen "Fantomas", machte den Film aber zum grossen Kassenerfolg.
8. Patricia Highsmith: "Der talentierte Mr. Ripley"
Der Kriminalroman der US-amerikanischen Schriftstellerin aus dem Jahr 1955 lieferte die literarische Vorlage zur erfolgreichen Neu-Verfilmung mit Hollywood-Star Matt Damon (1999). In insgesamt fünf Romanen von Highsmith taucht die Figur des Tom auf, aber erst der deutsche Titel "Nur die Sonne war Zeuge" (1960) machte den Roman zum Kult.
Der Grund war die sehr erfolgreiche Verfilmung des französischen Regisseurs Rene Clèment mit Alain Delon (Foto) in der Rolle des skrupellosen Tom Ripley. Der mittellose Tom ermordet aus Habgier seinen Freund Dickie bei einer Bootsfahrt und nimmt dessen Identität an, um an das Millionenerbe zu kommen. Das anschließende Katz- und Mausspiel mit der ermittelnden Polizei gewinnt Tom nur mit knapper Not, da seine Fingerabdrücke für die des Opfers gehalten werden.
9. Stieg Larsson: "Verdammnis"
Der Originaltitel der Romanvorlage für diesen Thriller heißt "Das Mädchen, das mit dem Feuer spielte" (2006). Hauptfiguren sind der Magazinredakteur Mikael Blomkvist und die punkige Hackerin Lisbeth Salander, die unter schweren Persönlichkeitsstörungen leidet und in Mordverdacht gerät: Ihre Fingerabdrücke sind auf einer Tatwaffe gefunden worden. Blomkvist glaubt jedoch an ihre Unschuld und ermittelt auf eigene Faust - eine mörderische Hetzjagd beginnt.
Auch der zweite Teil der legendären Millennium-Trilogie des schwedischen Kriminalschriftstellers Stieg Larsson (1954-2004) wurde erst posthum veröffentlicht. Alle drei Teile sind in Millionenauflage verkauft, erfolgreich verfilmt und auch als Hörbuch veröffentlicht worden - gelesen von Dietmar Bär, der im deutschen Fernsehen den "Tatort"-Kommissar Freddy Schenk spielt.