Der Fluch des Öls
8. April 2014Das war wohl das exakte Gegenteil von dem, was man ein Schnäppchen nennt: 1,18 Milliarden Dollar soll Brasiliens mehrheitlich staatliches Erdölunternehmen Petrobras für die texanische Raffinerie Pasadena gezahlt haben. 2005 hatte das belgische Unternehmen Astra Oil diese noch für 42,5 Millionen Dollar erstanden. Brasilien zahlte also 27 Mal mehr als die Belgier. Ein Skandal, der die brasilianischen Medien beschäftigt.
Allerdings nicht nur aufgrund seines unglaublichen finanziellen Ausmaßes, sondern auch, weil die amtierende Präsidentin Dilma Rousseff höchstpersönlich für diese Entscheidung gebürgt haben soll. Damals, im Jahr 2006, war Rousseff noch Präsidialamtschefin und saß somit dem Verwaltungsrat des mächtigen Mineralölkonzerns vor.
Dilma Rousseff weist jedoch alle Schuld für das schlechte Geschäft von sich. Die Gutachten, die ihr als Grundlage für die Kaufentscheidung vorlagen, seien nicht vollständig gewesen, so Rousseff. Die brasilianische Opposition fordert den Einsatz einer Untersuchungskommission. Polizeiliche Ermittlungen wurden bereits aufgenommen.
Marktwert auf Talfahrt
Im Jahr der Präsidentschaftswahlen wird es für die Präsidentin nun immer enger. Neben dem jetzt öffentlich gewordenen Skandal um die texanische Raffinerie wird Rousseff auch für die aktuelle Krise von Petrobras verantwortlich gemacht.
Denn ungeachtet der Pasadena-Affäre geht es dem Unternehmen nicht gut: Petrobras hat in den letzten Jahren stark an Wert eingebüßt: Von 170 Milliarden US-Dollar im Jahr 2010 sank der Marktwert des Unternehmens auf aktuell geschätzte 79,6 Milliarden US-Dollar. Und das trotz explodierender Ölpreise und der Entdeckung des riesigen Erdölvorkommens Pré-Sal vor den Küsten Rio de Janeiros.
Petrobras, eigentlich Brasiliens großer Stolz, wird zum Opfer politischer Entscheidungen, glauben viele Brasilianer und strafen die Präsidentin mit schlechten Umfragewerten ab: Nur noch 38 Prozent würden sie heute wählen, so die aktuellen Zahlen des brasilianischen Meinungsforschungsinstituts Datafolha. Sechs Prozentpunkte hat sie seit der letzten Umfrage im Februar eingebüßt.
"Die Beliebtheit von Dilma schwindet aus mehreren Gründen. Petrobras ist einer davon. Das Unternehmen ist eine nationale Ikone und die Brasilianer verbinden viele positive Gefühle mit ihm", sagt Adriano Pires, Direktor der brasilianischen Unternehmensberatung CBIE (Centro Brasileiro de Infraestrutura) im Gespräch mit der DW.
Preiskontrolle und strikte Vorgaben durch die brasilianische Regierung
Nicht nur die Bevölkerung, auch viele Experten machen Dilma Rousseffs Politik für Petrobras schlechte Zahlen verantwortlich. So ist das Unternehmen gezwungen, sein Erdöl bis zu 20 Prozent unter dem internationalen Preis zu verkaufen, um die Inflation im Inland möglichst gering zu halten. Auch muss Petrobras einen Teil seiner Ausrüstung von inländischen Zulieferern beziehen, um so die heimische Wirtschaft zu stärken - auch wenn die brasilianischen Angebote oft viel teurer sind als die aus dem Ausland.
"Diese Preispolitik trifft Petrobras zu einem sehr schwierigen Zeitpunkt", sagt der Ökonom Mauro Rochlin von der Universität Ibmec in Rio de Janeiro im Gespräch mit der DW. "Das Unternehmen steht gerade vor einer großen Herausforderung, da es für die Ausbeutung des neu entdeckten Pré-Sal-Vorkommens große Investitionen tätigen muss."
Teures Öl aus dem Ausland
Gleichzeitig schafft es Petrobras nicht, die Nachfrage im eigenen Land zu decken und muss Öl aus dem Ausland importieren. In den letzten drei Jahren sind die Ölimporte um 450 Prozent gestiegen.
Doch der Wert des ausländischen Öls richtet sich nach dem internationalen Preis. Verkauft Petrobras es wieder im Inland, macht der Konzern ein Minusgeschäft. Das Unternehmen kauft also teures Öl im Ausland, um es zu einem - von der Regierung aufgezwungenen - günstigeren Preis wieder zu verkaufen.
Ildo Luís Sauer ist der Direktor des Instituts für Energie und Umwelt der Universität von São Paulo (USP). Er sieht die Preiskontrolle durch die Regierung sehr kritisch. "Am Ende sind immer die Kleinanleger im Nachteil", sagt Sauer im Gespräch mit der DW.
Ein Ende von Petrobras-Talfahrt ist nicht in Sicht. In Brasilien streiten sich Opposition und Regierung nun um den Einsatz einer Untersuchungskommission für die Aufklärung des Pasadena-Skandals. Während immer mehr Details bekannt werden, bleibt Dilma Rousseff jedoch relativ gelassen: "In der Phase vor dem Wahlkampf ist es ganz normal, dass jedes Mittel genutzt wird, um die aktuelle Regierung zu zermürben", sagte die amtierende Präsidentin einer brasilianischen Tageszeitung. "Wir haben das schon bei den letzten Wahlen erlebt. Wir werden uns der politischen Auseinandersetzung nicht entziehen."