Der geplatzte Traum von DFB-Chef Fritz Keller
30. April 2021"Jeden Tag verstehen und gut erleben" - das antwortete Fritz Keller im Sommer 2019 im Interview des Weinjournals "Bonvinitas" auf die Frage nach seinen Träumen für die Zukunft. Damals war seine Welt noch in Ordnung, er ruhte in sich. Keller ging in seiner Arbeit als Winzer auf seinem Weingut in der Region Kaiserstuhl im Südwesten Deutschlands auf, ebenso in seiner Rolle als Präsident des Fußball-Bundesligisten SC Freiburg. Dann klopfte der Deutschen Fußball-Bund an. Keller wurde im September 2019 einstimmig zum Präsidenten des DFB gewählt, der mit mehr als sieben Millionen Mitgliedern der größte Sportfachverband der Welt ist.
19 Monate später ist Kellers Traum geplatzt, zumindest was den DFB betrifft. Jeden Tag bei dem von ihm geführten Verband zu verstehen und gut zu erleben, dürfte für ihn kaum mehr möglich sein: Die Verbandsspitze ist heillos zerstritten. Und Keller steht nach seinem Vergleich von DFB-Vize Rainer Koch mit dem berüchtigten früheren Nazi-Richter Roland Freisler mit dem Rücken zur Wand. Sein Stuhl wackelt wie die Reben seines Weinstocks in einem Frühlingssturm.
Gegen die Wand gelaufen
Dabei war der 64-Jährige im Herbst 2019 als Hoffnungsträger gestartet. Keller, der als bodenständig, kompetent und integer galt, wurde zugetraut, den ramponierten Ruf des DFB aufzupolieren. Er versprach, den Skandal um die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 an Deutschland endlich umfassend aufzuarbeiten. Keller sollte auch die Kluft zwischen Amateur- und Profifußball schließen - und dafür sorgen, die Fußball-Nationalmannschaft zurück in die Erfolgsspur zu bringen. "Wer mich gewählt hat, der hat Veränderung gewählt. Mir ist wichtig, dass wir den DFB zusammen in eine erfolgreiche Zukunft führen, mit neuen Strukturen, effizient und transparent", sagte Keller in seiner Antrittsrede.
Recht schnell dürfte Keller aufgegangen sein, dass es mit der Reformwilligkeit einiger anderer DFB-Führungsmitglieder nicht weit her war und dass er gewissermaßen gegen eine Wand lief. Vor allem von Friedrich Curtius, seit 2016 DFB-Generalsekretär, fühlte sich Keller hintergangen. Keller warf Curtius unter anderem vor, über einen hochdotierten Berater DFB-Interna an die Medien durchgesteckt zu haben. Curtius wiederum war es, der Kellers Nazi-Vergleich bei der DFB-Ethikkommission anzeigte. In der DFB-Spitze stehen sich inzwischen zwei Lager unversöhnlich gegenüber: auf der einen Seite Keller und sein Vize Peter Peters, auf der anderen Seite Stellvertreter Koch, Curtius und Schatzmeister Stephan Osnabrügge.
Kellers Nerven liegen blank
Fritz Keller ist derart in den seit Monaten schwelenden Machtkampf verstrickt, dass darüber seine eigentlich propagierten Ziele auf der Strecke blieben: Die versprochene Aufklärung des WM-Skandals 2006 lässt auf sich warten, der Amateur- und der Profifußball driften sogar eher weiter auseinander, und die Nationalmannschaft kriselt immer noch. Kein Wunder, dass der Rückhalt für Keller bröckelt. Seine Nerven liegen blank, anders ist die Entgleisung gegen seinen Rivalen Koch nicht zu erklären. Eigentlich ist der DFB-Präsident noch bis 2022 gewählt. Doch wohl kaum jemand würde derzeit einen Euro darauf wetten, dass Fritz Keller auch wirklich bis dahin auf seinem Posten bleibt.