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Der Glaube an Brasilien

Manuela Kasper-Claridge (z. Z. in Sao Paulo)
13. März 2018

Vetternwirtschaft, Korruption, Wirtschaftskrise, lange kannte man aus Brasilien nur Bad News. Nun geht es wieder aufwärts, berichtet Manuela Kasper-Claridge aus Sao Paulo, wo das regionale Weltwirtschaftsforum läuft.

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Brasilien Stadtansicht São Paulo
Bild: Imago/AGB Photo

Der Chef empfängt persönlich. Pablo di Si steht bereits in der Tür seines geräumigen Büros in Sao Bernardo do Campo, unmittelbar vor den Toren der brasilianischen Industriemetropole Sao Paulo. Über eine Million Quadratmeter Fläche belegen hier die Produktionsstraßen und Büros von Volkswagen.

Am 23.März 1953 begann in Brasilien die Produktion der ersten Volkswagenfabrik außerhalb Deutschlands. Und nun steht Volkswagen do Brasil vor dem nächsten großen Schritt, wie Pablo di Si erklärt. Sieben Milliarden Real, umgerechnet rund 1,7 Milliarden Euro, investiert Volkswagen in eine Produktoffensive bis 2020. "Wir sind sehr optimistisch, was die brasilianische Wirtschaft betrifft. Die Inflation ist unten, Zinssätze sind unten, die Kunden können günstiger Kredite bekommen als früher, und sie werden unsere Autos kaufen."

"New Volkswagen"

Der Argentinier ist erst seit rund vier Monaten im Amt und hat VW do Brasil seitdem gehörig verändert. Er will offen kommunizieren, trifft sich mit Journalisten, mit Händlern, mit Kunden, mit Politikern. "New Volkswagen" nennt er seine Initiative.

"Die Krise ist vorbei, jetzt geht es wieder aufwärts", sagt er gerne und liefert schnell aktuelle Zahlen. VW do Brasil hat im Januar und Februar 37 Prozent mehr Autos verkauft als im gleichen Zeitraum des Vorjahres und damit deutlich mehr als die Konkurrenten.

Logo Weltwirtschaftsforum, World Economic Forum, WEF
Das Weltwirtschaftsforum für Lateinamerika beginnt am 13. März in Sao Paulo Bild: picture-alliance/Zumapress

Aber - und davon redet di Si nicht so gerne - die Wirtschaftskrise, unter der Brasilien seit 2013 litt, hat auch Volkswagen massiv getroffen. Die Produktion in drei Schichten rund um die Uhr musste in vielen Bereichen aufgegeben werden, eine Schicht am Tag genügte, um den Bedarf der Kunden zu decken. Einige tausend Mitarbeiter verloren ihren Job oder wurden mit Kurzarbeit nach Hause geschickt.

Jetzt holt man sie nach und nach wieder zurück. "Okay, das sind keine neuen Jobs, weil es sie früher schon gab, aber wir schaffen wieder Arbeit, weil die Wirtschaft an Fahrt gewinnt", sagt di Si.

Bauen ohne Ende

Beim Blick auf den stockenden Verkehr in Sao Paulo stellt sich allerdings die Frage, wie viele Autos die Straßen der Megametropole verkraften können. Über 20 Millionen Menschen leben im Großraum Sao Paulo. Der öffentliche Nahverkehr ist unzureichend ausgebaut. Mahnend ragen die unfertigen Trassen der Monorail in den Himmel. Die sollte eigentlich zur Fußballweltmeisterschaft 2014 fertig sein. Doch noch immer wird daran gebaut.

Unter fast jeder Brücke schlafen Menschen. Obdachlosigkeit gehört zum Straßenbild. Die glitzernden Wolkenkratzer können nicht darüber hinweg täuschen, dass es viele Arme gibt.

Die  größte Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit erwischte Brasilien ungebremst. Auf den Verfall der Rohstoffpreise war das Land nicht vorbereitet. Jede vierte Familie war von Arbeitslosigkeit betroffen. Die derzeitige Arbeitslosenquote schätzen Experten auf über 13 Prozent. Vier harte Jahre liegen hinter den Brasilianern und noch ist der Aufschwung ein zartes Pflänzchen.

Teure Butter

"Die Politik ist das Problem Brasiliens", sagt Barbara Seckinger. Die 67-jährige ist Rentnerin, kann von ihrer Rente aber nicht leben. Sie arbeitet aushilfsweise als Englischlehrerein und hilft bei einem Unternehmen in der Finanzabteilung.

"Ich liebe dieses Land", sagt sie und hat doch Angst vor der Zukunft, wenn sie nicht mehr dazu verdienen kann. "Früher habe ich besser gelebt, jetzt muss ich 2 Real 50 für einen Liter Milch bezahlen und 20 Real für 500 Gramm Butter und dann die Energiekosten. Das alles mit nur 2200 Real Rente, das geht so nicht weiter."

Im Oktober sind Präsidentschaftswahlen und der amtierende und unbeliebte Übergangspräsident Michel Temer darf nach derzeitiger Rechtslage nicht erneut kandidieren.

Zur Wahl antreten aber will Ex-Präsident Lula da Silva. Er sammelt seine Anhänger aus dem linken politischen Spektrum, sieht sich als Kämpfer für die Armen, obwohl in seiner Amtszeit die Korruption blühte. Als aussichtsreicher Kandidat gilt auch Jair Messias Bolsonaro, der auf der rechten Seite polarisiert und die Rückkehr zu traditionellen christlichen Werten fordert.

Brasilsiens Ex- Staatschef Lula
Ex-Präsident Lula kämpft ums ComebackBild: Reuters/R. Moraes

Politik als Risiko

Die Politik sehen viele Wirtschaftsvertreter derzeit als fast einziges Risiko für einen wirtschaftlichen Aufschwung. "Wir sind in einem Übergangsprozess", sagt André Clark, Chef von Siemens in Brasilien vorsichtig und gibt sich dann optimistisch.

"Brasilien öffnet seine Märkte und es eröffnen sich viele Chancen." Auch bei Siemens ziehen die Aufträge wieder an, die Kunden investieren. Clark erwartet einen wirtschaftlichen Aufschwung mindestens bis 2020, der werde neue Arbeitsplätze mit sich bringen. "Wir glauben an Brasilien", sagt er. Entsprechend will der Konzern seine Investitionen in Brasilien ausbauen. Innerhalb der kommenden fünf Jahre solle eine Milliarde Euro in die Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung in Brasilien fließen. Eine entsprechende Absichtserklärung wurde am Rande des WEF mit der brasilianischen Agentur für Handels- und Investitionsförderung unterzeichnet.

Thomas Timm, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Brasilianischen Industrie- und Handelskammer in Sao Paulo sieht das als gutes Beispiel: "Brasilien muss jetzt Investitionen nachholen, in die Infrastruktur, in den Gesundheitssektor oder in die Digitalisierung."

Er lebt bereits seit Mitte der 1980er Jahre in Brasilien und hat schon einige Krisen miterlebt. "Die letzte Wirtschaftskrise war die schlimmste, die hat viele in die Armut gestürzt, aber jetzt geht es wieder aufwärts."

Und dann schwärmt er von dem besonderen Lebensgefühl der Brasilianer. Trotz der oft schwierigen Lebensumstände seien die Menschen Optimisten und das bevölkerungsreichste Land Lateinamerikas habe ja auch unglaublich viel zu bieten. "Denken Sie nur an die vielen Konsumenten. Dieser Markt ist für viele Unternehmen interessant."