'Fehler der Geheimdienste'
5. Dezember 2007Zu dem Bericht der US-Geheimdienste, wonach der Iran sein Atombombenprogramm gestoppt hat, schreibt die niederländische Zeitung "Trouw" am Mittwoch (5.12.2007):
"Der große Fehler in der Arbeit der Geheimdienste 2003 war es, sich nach politischen Wünschen gerichtet zu haben. Die USA wollten Saddam Hussein unbedingt loswerden und die Argumente dafür bekamen sie auf dem Präsentierteller serviert. Es ist lobenswert, dass die Geheimdienste sich jetzt bescheidener geben. Sie geben zu, daneben gelegen zu haben. (...) Von Geheimdiensten wird erwartet, dass sie Informationen beschaffen, klar präsentieren, die Spreu vom Weizen trennen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass Informationen unvollständig sein können. Und schließlich liegt es an der Politik, diese Informationen zu gewichten."
Die konservative Wiener "Die Presse" schreibt zu den Folgen des Iran-Berichts der US-Geheimdienste:
"Haben die US-Geheimdienste diesmal Recht mit ihrer Einschätzung des iranischen Verhaltens, so erlaubt dies zwei Schlüsse. Erstens agiert das Mullah-Regime rationaler, als seine islamistische Ideologie vermuten lässt. Es reagiert auf äußeren Druck. Zweitens aber folgt daraus, dass es ein fataler Fehler wäre, den Iran von der Angel zu lassen. Die Iraner haben 20 Jahre lang Aktivitäten vor der Wiener Atomenergiebehörde verheimlicht, die nahelegten, dass sie an der Bombe bastelten. Sie hörten erst auf damit, als man ihnen auf die Schliche kam. Wenn jetzt der Druck weicht, wenn kein engmaschiges Inspektionsnetz etabliert wird, dann wird der Iran wieder anfangen, die Bombe zu bauen."
Für den liberalen Wiener "Der Standard" ist mit dem jüngsten Iran-Bericht der US-Geheimdienste eine weitere Säule der US- Außenpolitik zusammengebrochen:
"So weit, so gut. Während die Falken in der Iran-Politik, allen voran Israel, sich auf die Einschätzung konzentrieren, dass es laut NIE (Geheimdienstbericht) zumindest bis 2003 ein Waffenprogramm gab, der Iran deshalb (neuerlich) der Lüge überführt und zu bestrafen ist, sehen die anderen im diagnostizierten Stopp einen Erfolg der Diplomatie, der jede militärische Option vom Tisch fegt. Im Grunde genommen könnte das der US-Regierung von George Bush einiges ersparen. Allerdings bricht soeben eine Säule ihrer Nahostpolitik zusammen, die - in der Form von Sicherheitsgarantien für Israel - auch im in Annapolis wiederbelebten israelisch-arabischen Friedensprozess eine Rolle spielt."
Die konservative Pariser Zeitung "Le Figaro" schreibt:
"Das Weiße Haus hat der islamischen Republik ein deutliches Zeichen übermittelt. Wenn man davon ausgeht, dass Teheran kein militärisches Atomprogramm hat, dann verringert sich zunächst einmal die Gefahr eines Militärschlags und zweitens bedeutet dies, dass Verhandlungen möglich sind. Wenn man über die Atomfrage verhandeln kann, dann kann man auch über den Irak verhandeln, wo die relative Beruhigung den Eindruck aufkommen lässt, dass die Iraner nicht mehr auf eine Politik des Konflikts setzen. Eine Entspannung wäre auch dem Frieden im Libanon und in Palästina dienlich. Doch Teheran muss zunächst auf die Öffnung Washingtons eingehen."
Das "Luxemburger Wort" meint:
"Die Nationale Geheimdiensteinschätzung (NIE) zum Streben der Islamischen Republik Iran nach der Atombombe verschafft der internationalen Krisendiplomatie eine dringend benötigte Verschnaufpause. Es war abzusehen, dass schärfere Sanktionen gegen Teheran kaum von den Vereinten Nationen zu tragen sind, weil Russland und China als ständige Mitglieder des Sicherheitsrates in ihren Beziehungen zum Iran andere Prioritäten haben als Washington, Brüssel und Jerusalem. Das Problem einer gefährlichen Nuklear-Mullahkratie bleibt weiter bestehen, aber seit dieser Woche ist klar, dass eine Lösung des Dossiers vom Nachfolger George W. Bushs im Oval Office gefunden werden muss. Die Veröffentlichung kommt zu einem rechten Zeitpunkt: Der mit der Aufweichung des US-Dollars einhergehende Anstieg der Öl- und Gaspreise dürfte sich abschwächen. Doch nicht nur die Börsianer dürfen vorerst durchatmen: Nichts fürchten Staatenlenker mehr als das Hineinschlittern in einen bewaffneten Konflikt, aus dem es nach dem Überschreiten einer roten Linie mit Drohgebärden und Interessenbedienung von Waffen- und Militärlobbys kein Zurück mehr gibt." (mas)