Der Herrenclub öffnet sich
10. Juli 2004Allein unter Männern. Ab September 2005 wird eine Niederländerin die einzige Frau im Vorstand eines der 30 Unternehmen aus dem Deutschen Aktienindex sein: Karin Dorrepaal. Zwei Abschlüsse in Psychologie hat sie, einen Doktortitel als Medizinerin für ihre Forschungen über Krebs und einen Master of Business Administration hat sie auch. Bis 1990 arbeitete Dorrepaal am holländischen Krebsforschungszentrum, dann wechselte sie zur Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton in Amsterdam. Seit 2000 ist sie dort Vizepräsidentin und betreut in erster Linie Pharmakonzerne.
Eine beeindruckende Karriere. Die auch Schering überzeugte. Dort ist Karin Dorrepaal ohnehin keine Unbekannte. Dem Berliner Konzern hatte die heute 43-Jährige bereits zuvor bei der Neuordnung von Vertriebs- und Marketingfunktionen unter die Arme gegriffen. "Umfangreiche Kenntnisse der pharmazeutischen Industrie sowie ihre Erfahrungen in der strategischen Neuausrichtung und Effizienzsteigerung von führenden Pharmaunternehmen werden unser Management Team weiter stärken", freut sich Dr. Hubertus Erlen, Vorstandsvorsitzender der Schering AG.
Mehr Frauen in Top-Positionen
Karin Dorrepaals Berufung lässt auf die Fortsetzung eines zarten Trends hoffen. In letzter Zeit gab einige Lichtblicke in Sachen Gleichberechtigung in der deutschen Wirtschaftswelt. Die Ökonomin Beatrice Weder di Mauro wurde erst kürzlich in den Rat der fünf Wirtschaftsweisen berufen. Ebenfalls ein Unikum in der 41-jährigen Geschichte des Gremiums, das Deutschlands wirtschaftliche Entwicklung begutachtet. Der Bundesverband Junger Unternehmer hat gerade die 38-jährige Diplomkauffrau Karoline Beck an seine Spitze gewählt.
Bei der Citibank, Tochter des weltgrößten Finanzdienstleisters Citygroup, übernahm die Amerikanerin Sue Harnett den Posten der Deutschlandchefin. Ihre Vorgängerin Christine Licci hatte im Mai 2004 überraschend gekündigt. Die Wirtschaftsprofessorin Lucrezia Reichlin gilt als Top-Favoritin für eine Neubesetzung der leitenden Position in der Konjunkturabteilung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).
Trotz dieser Erfolge ist die Führungsriege der deutschen Wirtschaft immer noch ein Herrenclub. Der Anteil von Frauen liegt hier bei dürftigen elf Prozent, in den anderen EU-Ländern sind es durchschnittlich vierzehn. Die Amerikaner und Kanadier haben mit über vierzig Prozent die Nase vorn.
"Rabenmütter" kennt man nur in Deutschland
Barbara Schaeffer-Hegel, Gründerin der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin (EAF), sieht die Ursachen für den deutschen Missstand in einer kulturellen Tradition begründet: "Die Mutterideologie im dritten Reich und die konservative Frauenpolitik der Nachkriegszeit haben tiefe Spuren hinterlassen. Die Trennung der Bereiche Öffentlich und Privat wurde mit der alleinigen Zuständigkeit der Frau für den privaten Bereich, für Kinder und das Wohlergehen der Familie zementiert."
Daraus ergäbe sich neben dem mentalen ein institutionelles Problem, folgert die Professorin für Erziehungswissenschaft im Ruhestand: Unterentwickelte Angebote bei der Kinderbetreuung, kaum Bildungseinrichtungen für Kleinkinder und Vorbehalte in den Unternehmen, Frauen wichtige Aufgaben zu überlassen. Denn die könnten ja plötzlich schwanger werden. "Familie und Karriere zu vereinbaren ist in Deutschland weitaus schwieriger, als in den meisten Entwicklungsländern und auch in fast allen Industrienationen."
Barbara Schaeffer-Hegel wundert es nicht, dass die neuen Frauen in deutschen Spitzenpositionen meist aus dem Ausland kommen. Karin Dorrepaal ist Niederländerin, Lucrezia Reichlin Italienerin und Beatrice Weder di Mauro hat gleich einen schweizer und einen italienischen Pass. "Das Wort Rabenmutter gibt es nur in Deutschland. In anderen europäischen Ländern und in Amerika leisten Frauen Großes und haben trotzdem Kinder, empfinden sich aber nicht als schlechte Mütter. Dort ist die Infrastruktur besser und es wird ihnen auch kein so belastendes Vorurteil entgegen gebracht wie hier."