Der hohe Preis der Ölgewinnung
21. Januar 2006Im Januar 2006 nähert sich der Ölpreis zusehends seiner bisherigen Rekordmarke von 70 US-Dollar pro Barrel (159 Liter) für US-Leichtöl vom August 2005. Der Trend zeigt weiter nach oben.
Ursache für diese Entwicklung sind vor allem zwei politische Ereignisse. Bei Anschlägen von Rebellengruppen auf eine Shell-Pipeline im westafrikanischen Niger-Delta im Dezember 2005 starben acht Menschen, vier ausländische Mitarbeiter wurden verschleppt. Die Entführer lehnten am Samstag (21.1.2006) Verhandlungen mit Unterhändlern der Regierung ab. Zugleich drohte einer der Anführer der Bewegung für die Emanzipation des Nigerdeltas, Brutus Ebipadei, mit weiteren Angriffen auf Ölbohreinrichtungen.
Weitere Förderausfälle drohen
Der britisch-niederländische Ölmulti muss seit den Übergriffen immer wieder seine Produktion drosseln und fördert täglich bis zu 230.000 Barrel weniger. Nun drohen die Rebellen damit, ihre Anschläge auf Anlagen der Ölkonzerne Agip, Total und Chevron auszuweiten.
Ein noch weitaus größerer Förderausfall droht, sollte der Atomstreit mit dem Iran sich weiter zuspitzen. Der Iran ist nach Saudi-Arabien der zweitgrößte Produzent der Organisation Erdöl exportierender Staat (OPEC). Im Jahr 2004 wurden im Iran rund 200 Millionen Tonnen Öl gefördert, das ist in etwa der Jahresverbrauch von Deutschland und Großbritannien. Volkswirte stufen mittlerweile die schwelende Krise als Konjunkturrisiko ersten Ranges ein.
Rohstoffe aus Krisengebieten
Ursprünglich waren politische Krisen und Unruhen ein wesentliches Motiv für die Ölkonzerne, die Fördergebiete zu verlassen und in sichereren Regionen nach dem begehrten Rohstoff zu suchen. Doch anders als vor 20 Jahren sind die Rohölproduzenten heute immer weniger in der Lage kurzfristige Produktionsausfälle durch Ölvorkommen vor der eigenen Haustür auszugleichen.
In Alaska, Kanada und der Nordsee sind die Rohölreserven beinahe erschöpft. Die EU und die USA sind immer mehr von Ölimporten abhängig. Mehr als die Hälfte der Lieferungen stammt dabei bereits heute aus Regionen die als politisch instabil gelten.
"Die eigentliche Problematik der internationalen Energiesicherheit in der näheren Zukunft hängt nicht so sehr mit der Endlichkeit von Rohöl- und Erdgasreserven zusammen, sondern primär in der Anhäufung regionaler Krisen und innenpolitischer Instabilitäten in den Rohöl und Erdgas produzierenden Staaten", sagt der Sicherheitsexperte Frank Umbach von der Deutschen Auswärtigen Gesellschaft für Politik in Berlin.
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat das Thema Ressourcenversorgung längst Eingang in die sicherheitspolitischen Analysen gefunden. Die Sicherheitsstrategie der EU von 2003 etwa nennt die wachsende Importabhängigkeit bei Energie als eine wesentliche Bedrohung.
Auf einer NATO-Konferenz im Herbst 2005 sprach sich der NATO-Oberbefehlshaber für Europa, James Jones, für eine neue verstärkte Zusammenarbeit mit der Ölindustrie aus. Als dringendes Beispiel nannte er den zukünftigen gemeinsamen Schutz von Pipelines, die russisches Öl und Gas nach Europa bringen. Auch Häfen und Transportschiffe müssten in Zukunft mit Hilfe der NATO vor terroristischen Angriffen geschützt werden. Eine andere Aufgabe sei, die Ölförderung an der westafrikanischen Küste zu sichern. Dazu erhält das Land bereits Hilfe von den USA.
Immense Kosten
Schon im Jahr 2000 kommt das Us-amerikanische Rocky Mountains Institute zu dem Ergebnis, dass die Ölkonzerne jährlich mehr als eine Milliarde Dollar für Sicherheitsvorkehrungen ausgeben. Das regierungsunabhängige Institut schätzt die Kosten der militärischen Sicherung der Ölversorgung aus dem persischen Golf für das Jahr 2000, also noch vor der dritten Irak-Krise, auf 66 Dollar pro Fass.
Zwar fließen diese Kosten nicht in den Ölpreis ein, weil sie über Verteidigungshaushalte gedeckt und nicht von den Ölkonzernen getragen werden. Auch lassen solche Berechnungen methodische Fragen offen. Die Größenordnung gebe dennoch zu bedenken, sagt Friedemann Müller von der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP).
"Es ist doch beachtlich, dass es immense Kosten verursacht, wenn man versucht die Ölgewinnung mit militärischen Mitteln zu sichern und das Problem ist ja noch am wachsen", sagt der Experte für globale Sicherheitsfragen in Berlin.
Dies hängt aus Sicht Müllers vor allem mit dem riesigen Energiebedarf Chinas und Indiens zusammen: Peking dränge derzeit nicht gerade zimperlich auf verschiedene Märkte, das betreffe mit großer Sicherheit auch in naher Zukunft den Iran, glaubt der Energieexperte. Im Sudan sei der Expansionswille Chinas hingegen schon ganz offensichtlich: Dort ist das Riesenreich mit 4000 Mann vertreten um seine Ölinteressen zu schützen.
Golfregion wird immer wichtiger
Laut einer Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik aus dem Jahr 2003 wird sich die zukünftige Ölförderung immer mehr auf die Golfregion konzentrieren. Dort lagern 62 Prozent aller gesicherten konventionellen Ölreserven. Die meisten der dortigen Länder leiden unter immensen sozialen Spannungen.
Doch für den Fall einer neuen Krise schätzt Müller die Chance, mit Hilfe militärischer Mittel die Energieversorgung aus dieser Region zu sichern, eher gering ein. Wenn Staaten zerfallen oder durch innere Unruhen zerüttet seien, helfe eine Armee nicht unbedingt weiter. "Der Irak ist dafür ein augenfälliges Beispiel".