Wertevermittlung in den Medien
2. November 2014"Schon Luther hat gesagt, dass man den Leuten aufs Maul schauen muss." Anja Würzberg ist Fernsehredakteurin und beruft sich gern auf den großen Kirchenreformator, wenn es um ihre Arbeit geht. Schließlich gehe es darum, an die Menschen heran zu kommen: "Ich setzte mich tagtäglich mit der Frage auseinander: Mit welchen Erzählformen und Dramaturgien können wir Themen ins Fernsehen bringen, die Religion, Glauben und Spiritualität betreffen?"
"Gerade Jüngere müssen erreicht werden"
Als gelungenes Beispiel nennt Würzberg das Fernsehformat "FEIERtag! Sengelmann sucht ...", in dem sich der Schauspieler und Theologe Julian Sengelmann in unterhaltsamer Form auf die Suche nach den Ursprüngen christlicher und nicht-christlicher Feiertage begibt. Ganz wichtig dabei für Anja Würzberg, die beim Norddeutschen Rundfunk für die Sparte Religion & Gesellschaft verantwortlich ist und aus einem kirchlich geprägten Elternhaus kommt: "Die Zielgruppe ist ganz deutlich jünger als das normale Publikum." Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland habe per Staatsvertrag die Aufgabe zu informieren und zu bilden, sagt Würzberg.
Es gehe aber auch um die Vermittlung von Werten, das sei der "große Meta-Auftrag". Auf der einen Seite machten das Informations- oder Reportage-Sendungen. Wichtig sei es aber auch, gerade die Menschen zu erreichen, die solche Formate nicht gucken oder hören - die sich also eher Unterhaltungssendungen, leichtere Fernsehfilme oder Serien anschauen: "Beide Zielgruppen haben es verdient mit den Themen konfrontiert zu werden."
Christlich-jüdisch-abendländische Tradition
Der bekannte Drehbuchautor Fred Breinersdorfer steht den Kirchen in Deutschland dagegen kritischer gegenüber: "Ich bin konfessionell nicht gebunden und sehe die Kirchen immer in einem sehr ambivalenten Licht." Doch Breinersdorfer räumt ein, dass auch er in einem Umfeld der "christlich-jüdisch-abendländischen Tradition" arbeitet: "Ich sehe auch die positiven Impulse der Kirchen." Die hinkten zwar immer etwas hinterher, fänden dann aber mit einer gewissen Verzögerung "Antworten auf unsere Zeit." Er selbst sieht sich als Jurist eher in der Tradition der Aufklärung, vertrete ein "naturrechtliches Wertekonzept". Breinersdorfer ist ein seit Jahren etablierter Autor für Film und Fernsehen in Deutschland.
Rund 20 Vorlagen für die populäre Krimireihe "Tatort" hat er bereits geschrieben. Einem größeren Publikum bekannt wurde er im Jahre 2005, als der von ihm geschriebene Film "Sophie Scholl" für einen Oscar nominiert wurde. Derzeit arbeitet er gemeinsam mit Regisseur Oliver Hirschbiegel an einem neuen großen Kinofilm über den gescheiterten Hitler-Attentäter Georg Elser.
Haltung gegenüber Tyrannei und Diktatur
Beide Filme sind für Breinersdorfer gute Beispiele für die Vermittlung allgemein gültiger Werte: "Mit Sophie Scholl haben wir einen Film geliefert, der mit zum Verständnis des deutschen Widerstandes beigetragen hat." Der Georg-Elser-Film soll kommendes Jahr in die Kinos kommen, wenn man des Kriegsendes vor 70 Jahren gedenkt: "Gerade ein Film über Tyrannenmörder ist doch ganz aktuell", sagt Breinersdorfer. In Deutschland müsse man sich gerade jetzt überlegen, wie "unser Wertekompass" aussieht, "wenn uns der Islamische Staat sagt: Bei Euch laufen die jungen Leute weg, weil sie die Werte nicht finden, die sie bei uns finden."
Im Grunde hätten alle seine Filme mit Wertentscheidungen bzw. mit Konflikten zu tun: "Bei jeder Film-Idee geht es zunächst um Menschen, um Dramen, bei denen es um grundsätzliche Entscheidungen geht." Und die hätten immer etwas damit zu tun, dass Menschen einen inneren Kompass brauchen, den wir "Werte" nennen. "Das können christliche Werte sein oder Werte anderer Religionen oder naturrechtliche Werte. Um diese Werte geht es, um Konflikte - und aus Konflikten entstehen Filme."
Mehr als nur ein Unterhaltungsmedium
Wie genau das Kino Werte transportiert, darum kümmert sich seit vielen Jahren auch Horst-Peter Koll. Für den langjährigen Chefredakteur der katholischen Zeitschrift Film-Dienst ist es erst einmal wichtig, dem Zuschauer einen Leitfaden mit auf den Weg zu geben, um erkennen zu können, wie Werte vermittelt werden: "Das ist nicht immer so leicht, weil viele das Kino als reines Unterhaltungsmedium sehen." In jedem Film, ob Unterhaltung, Arthouse oder Dokumentation, werde aber sehr viel über Werte erzählt.
Als ein aktuelles Beispiel nennt Horst-Peter Koll den gerade in den Kinos gezeigten Film "Am Sonntag bist Du Tot" (unser Artikelbild oben zeigt einen Szenenausschnitt). Darin geht es um einen irischen Priester, dem man mitteilt, dass er in sieben Tagen ermordet wird. Das sei, abgesehen vom christlichen Hintergrund der Filmerzählung, auch für Zuschauer mit säkularem Weltbild spannend und aufschlussreich: "Da werden keine Werte vermittelt, da werden Fragen gestellt: Wie reagiert ein Priester darauf? Wie geht er damit um? Geht er auf die Welt zu? Wie geht er mit seiner Gläubigkeit um?"
Der erhobene Zeigefinger macht alles zunichte
Ob TV-Unterhaltungssendung, engagierter Fernseh- oder Kinofilm, ob dezidiert christlicher Hintergrund oder allgemein gültige Thematik mit historischen oder gesellschaftlichen Wurzeln - in einem sind sich Journalisten, Autoren und Regisseure einig: Wenn es um die Vermittlung von Werten geht, dann ist das unterhaltende Element in Film oder TV-Format eminent wichtig. Den Menschen muss eben "aufs Maul geschaut" werden. Das falscheste, was man bei der Vermittlung von Werten in den verschiedenen Medien machen kann, ist der erhobene Zeigefinger. Denn dann laufen einem die Leute weg.
Während des Katholischen Medienkongresses "Mission Medien - Zukunftsszenarien kirchlicher Kommunikation" (27./28.10.2014) wurde unter anderem auch das Thema "Wertevermittlung in den Medien" diskutiert.