Der Irrtum des Paul Krugman
5. Dezember 2014Sehr geehrter Herr Krugman!
Eines vorweg: Ich gehöre zu denen, die eine klare Ansage schätzen. Ich bin definitiv kein Anhänger des Drumherum-Redens. Nein, Dinge müssen beim Namen genannt werden. Und sicher ist auch: Ich kann Ihnen nicht das Wasser reichen, schließlich haben Sie den Nobelpreis gewonnen, ich nur den Ernst-Schneider-Preis (zusammen mit meiner Redaktion). Muss ich jetzt nicht erklären, können Sie ja googlen.
Nun schreiben Sie in Ihrer geschätzten #link:http://www.nytimes.com/2014/12/01/opinion/paul-krugman-being-bad-europeans.html?rref=collection%2Fcolumn%2Fpaul-krugman&_r=0:Kolumne für die New York Times# über den Alten Kontinent, der im Gegensatz zur wieder dynamischen US-Volkswirtschaft vor sich hin dümpelt und in Zeitlupe auf ein Desaster hinsteuert. (Bis hierhin gebe ich Ihnen Recht.) Schuld daran seien aber keineswegs die Länder an der Peripherie - also Griechenland oder Italien. Auch nicht Frankreich, nein: Deutschland ist der Bremser.
Angela Merkel und Wolfgang Schäuble sind Ihrer Meinung nach also die "bad guys", die zum Wohle der eigenen Volkswirtschaft den Rest der Europäer am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Sorry, aber hier irren Sie, Herr Krugman!
Nun sind Sie nicht der Erste, der mit diesen Vorwürfen um die Ecke kommt. Dass die deutschen Unternehmen viel zu viel exportieren, die Deutschen aber viel zu wenig konsumieren. Dass die Überschüsse in der Handels- und Leistungsbilanz bedrohliche Ausmaße annehmen. Dies alles muss sich Deutschland schon länger vorwerfen lassen - mal vom IWF, mal von US-Finanzminister, mal von seinen europäischen Nachbarn.
Nur wird dieser Vorwurf nicht richtiger, wenn er ständig wiederholt wird. Was soll Deutschland denn tun? Seinen innovativen Maschinenbauern verbieten, innovativ zu sein? Seine Autobauer anweisen, auf die Produktion von "Trabant"-Autos umzusteigen? Den Leuten qua Gesetz das Gehalt zu erhöhen? Das ist in Deutschland zum Glück immer noch Sache der Tarifparteien.
Ich gebe zu, auch ich bin kein Fan der "Schwarzen Null", also einem Haushalt, der ohne die Aufnahme neuer Schulden auskommt. Damit möchte Wolfgang Schäuble in die Geschichte eingehen. Sei es ihm gegönnt, aber wirklich nötig ist das nicht. Und ein paar Milliarden mehr für sinnvolle Investitionen dürfen es gerne sein. Hingegen macht die deutsche Regierung derzeit eine Menge teure Fehler. Hier wird Deutschland noch einen hohen Preis zu bezahlen haben, wenn irgendwann die Rechnungen präsentiert werden. Aber das tangiert die anderen in Europa (vorerst) nicht.
Ja, Berlin sollte sich mit Ratschlägen in Richtung Paris und in andere europäische Hauptstädte zurückhalten. Es ist die Sache der Europa-Politiker in Brüssel, die Mitgliedsländer zu Haushaltsdisziplin und zu Reformen zu ermahnen - ja, sie einzufordern. Aber genauso gut kann Berlin auf ihre Ratschläge, Herr Krugman, verzichten. Schauen Sie sich in Ihrem Heimatland um: Raten wir der US-Regierung, vom Fracking abzulassen, weil das die Energiemärkte völlig durcheinander bringt und eine nachhaltige Wende zu erneuerbaren Energien behindert? Raten wir Washington, endlich an den Abbau des gigantischen Schuldenbergs zu gehen, der für Weltwirtschaft wesentlich bedrohlicher ist als der deutsche Exportüberschuss?
Ich will Ihnen sagen, wer Europa den ganzen Schlamassel eingebrockt hat (mal abgesehen von den Fehlern, die die Europäer selbst gemacht haben): Es waren die Zockereien großer US-Investmenthäuser, die die Weltfinanzkrise ausgelöst haben. Die biederen deutschen Sparkassen waren das jedenfalls nicht. Die gigantischen Rettungspakete haben die Volkswirtschaften vieler Länder in den Ruin getrieben. Ich glaube fest daran, dass man einen globalen Lösungsansatz finden muss. Solange wir aber immer nur auf den anderen zeigen, wird das wohl nichts werden. Vielleicht schreiben Sie demnächst mal darüber.
In diesem Sinne ein nachdenkliches Wochenende!
Ihr Henrik Böhme