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Kampf gegen Kinderarbeit

Rainer Sollich7. Dezember 2006

In Ägypten muss jedes fünfte Kind arbeiten gehen. Die Kinderarbeit in Ägypten abzuschaffen scheint auf absehbare Zeit unrealistisch. UNICEF versucht daher, zumindest die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

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Ein Kind trägt einen Metallbehälter
Spaß und Spielen ist seltenBild: AP

In Kairo unterstützt das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF eine soziale Begegnungsstätte, die vom Roten Halbmond betrieben wird. Hier können zum Beispiel Mädchen Sport treiben. "Überflüssig", würden manche beim ersten Anblick der eher martialisch anmutenden Übungen unter Anleitung einer Sportlehrerin vielleicht sagen. Doch die Mädchen, die alle im Teenager-Alter sind, haben ihren Spaß. Und Spaß ist selten genug in den Armutsvierteln, in denen sie leben.

Mädchen machen Gymnastik
Spaß trotz körperlicher AnstrengungBild: DW/ Rainer Sollich

Nur einmal pro Woche kommen die Mädchen zum Sport hierher. Freitags, am islamischen Feiertag. Mehr Freizeit passt nicht hinein in ihren Lebens- und Berufsalltag. Einige dieser Kinder arbeiten 60 Stunden oder mehr pro Woche - in Fabriken oder in Geschäften. Man sieht ihnen an, dass sie gern in ihrer Freizeit hierher kommen. Auch wenn die Sportgeräte schon etwas älter sind und furchtbar quietschen. Doch der Sport gibt Ausgleich für einen langen Arbeitstag und kann zumindest die Folgen der Kinderarbeit etwas erträglicher machen und vielleicht sogar ein besseres Körperbewusstsein wecken. Mehr zu erwarten wäre hier auf absehbare Zeit unrealistisch. Viele Familien sind arm oder zerrüttet - und finanziell darauf angewiesen, dass die Kinder zum Lebensunterhalt mit beitragen.

Ehe statt Beruf

"Es hat ja bestimmte Gründe, dass die Mädchen arbeiten gehen müssen. Vor allem wirtschaftliche Gründe - deshalb wollen wir hier den Lebensstandard der Mädchen verbessern, das steht bei uns im Fokus", sagt Nadia Kamel Garas, Direktorin des Roten-Halbmond-Projekts in Kairo.

Die Familien leben in sehr schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen - deshalb schicken sie ihre Mädchen zum Arbeiten. Hinzu kommt, dass die Familien oft nicht an einer Weiterbildung ihrer Töchter interessiert sind, weil die Zukunft der Töchter nicht in einem Beruf, sondern nur in der Ehe zu finden ist. Laut einer staatlichen Statistik gehen in Ägypten 2,7 Millionen Kinder im Alter zwischen 6 und 14 Jahren einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach - das sind rund 20 Prozent aller ägyptischen Kinder in dieser Altersgruppe.

Die Mitarbeiter des Roten Halbmonds in der Begegnungsstätte im Stadtviertel West-Helwan setzen sich vor allem für die Rechte der Mädchen ein. Sie unterhalten regelmäßige Kontakte zu ihren Arbeitgebern und engagieren sich dort für bessere Arbeitsbedingungen, sozialen Versicherungsschutz und die Bezahlung von Überstunden. Was nicht immer einfach ist und viel gegenseitiges Vertrauen voraussetzt. Zudem pflegen sie den Kontakt mit den Eltern. Und kümmern sich darum, dass die Mädchen, die oft schon vor Jahren die Schule abgebrochen haben, Zugang zu Bildung erhalten.

Der Traum von einer besseren Zukunft

So wie die 17-jährige Samar Samir, die gerade an einem Computerkurs mit 15 anderen Teilnehmerinnen teilnimmt. Samar Samir und die anderen Mädchen träumen von einem besseren Job in der Zukunft. Sie wollen raus aus den Fabriken und Geschäften, in denen sie an sechs Tagen pro Woche oft bis zur Erschöpfung schuften müssen. Sie wollen irgendwann einmal Sekretärinnen werden, Krankenschwestern - oder Assistentinnen in einem modernen Wirtschaftsunternehmen. Aber sie wissen auch, wie sehr ihre Familien abhängig sind von dem bisschen Geld, das sie nach Hause bringen.

Kinderarbeit in Ägypten
Bild: DW/ Rainer Sollich

Bei Samar Samir hat die Familie neun Kinder, alle im Teenager-Alter oder jünger. Sieben davon müssen arbeiten - allesamt Mädchen. Nur die beiden Jungs sind mit sechs und zehn Jahren noch zu jung dafür. Für Samar Samir eine schwere Bürde. Ihre Mutter ist krank, der Vater hatte einen schweren Arbeitsunfall. "Mein Vater ist ein Fassadenmaler. Aber eines Tages fiel er dann bei seiner Arbeit an einem Haus vom Gerüst. Seitdem kann er nicht mehr arbeiten", erzählt sie.

Lernen fürs Leben

Samar Samir kommt gerne hierher. Sie mag die Gesundheitskurse, die eine Medizinerin von der Universität Kairo anbietet, weil man dort auch offen Fragen zu Tabu-Themen stellen kann. Zu Sexualität und Menstruation - und natürlich auch zum Thema Arbeitssicherheit. Sie mag die Computerkurse bei Lehrer Abdallah, die berufsvorbereitenden Workshops und Bastelstunden. Und sie mag auch die Gesangsstunden, die ein Musiklehrer jeden Freitag mit den Mädchen unternimmt. Die Schule lässt sie für ein paar Stunden pro Woche den harten Alltag vergessen.