Der Kampf um die Wahlbeteiligung
20. Februar 2004Die inzwischen geschlossenen Teheraner Wahllokale, bei denen vor vier Jahren noch den ganzen Tag über lange Schlangen von Wählern auf der Straße standen und auf Eintritt warteten, lagen diesmal verödet da: Gelegentliche Besucher, die ihre Stimme abgaben. Mehr nicht. Im Zentrum Teherans, erst recht aber im mondäneren und liberaleren Norden der iranischen Hauptstadt. Dort kamen sogar Schaulustige - nicht zum Wählen, sondern nur um zu sehen, wie viele oder wie wenige sonst kamen. Und, wie einer von ihnen einräumte: "Um am Abend beurteilen zu können, was man im staatlichen Rundfunk und Fernsehen erklärt bekommt“ - beide unter der Kontrolle der Konservativen.
Frust und Unlust der Wähler
Aber selbst im ärmeren und traditionelleren Süden Teherans schien in den Wahllokalen keine große Begeisterung aufzukommen. Hier waren zwar deutlich mehr Wähler zu sehen, aber der vorhergesagte Trend schien sich auch hier zu bestätigen: Die Abstinenz der Wähler war im gleichen Maße gestiegen wie ihr Frust über die Machtlosigkeit der Reformer und die restriktiven Maßnahmen der Konservativen.
Nachdem der "Wächterrat“ die wichtigsten Reformer von der Kandidatenliste gestrichen hatte - der letzte erst am Tag vor der Wahl - waren die meisten anderen Reformer von der Kandidatur zurückgetreten und hatten zum Boykott der Wahlen aufgerufen. Ein recht absurdes Szenario, denn die Unlust der Wähler hatte sich zunächst gegen die Reformer gewandt, die in den letzten Jahren zu wenig erreicht hatten, und mit einem Schlag schienen Wähler und Reformer wieder vereint. Eine sicher nur oberflächliche Beobachtung, denn der Frust der Wähler geht tiefer und dürfte auf längere Zeit für apolitisches Verhalten sorgen.
Zwischen allen Stühlen: Präsident Chatami
Zumindest dies aber hat die Wahlverweigerung deutlich gemacht: Man ist nicht einverstanden mit dem Gang der Dinge. Und wenn man bei Wahlen schon keine echte Alternative geboten bekommt, dann wählt man eben nicht mehr. Wie schon bei den Gemeinderatswahlen im vergangenen Jahr wird die geringe Wahlbeteiligung den Konservativen die erhoffte Mehrheit bringen, aber sie wissen natürlich auch, dass die breite Mehrheit gegen sie ist und sie werden dem wohl künftig auch Rechnung tragen - sei es durch noch mehr Restriktionen gegenüber dem politischen Gegner oder durch oberflächliche Erleichterungen des Alltagslebens.
Völlig zwischen allen Stühlen dürfte dabei Präsident Chatami sitzen: Die Enttäuschung der Iraner richtet sich ja auch gegen ihn und selbst von Seiten der Reformer ist nicht mehr viel Gutes über das Staatsoberhaupt zu hören. Das letzte Jahr bis zur kommenden Präsidentschaftswahl - bei der er laut Verfassung nicht wieder gewählt werden kann, dürfte Chatami ein Schattendasein fristen.