Der Klub der Mittelmeerfreundschaft
6. Mai 2004Nur einen Tag nach dem Treffen des Nahost-Quartetts in New York sind die europäischen Außenminister und ihre Gegenüber aus den Mittelmeerstaaten Türkei, Libanon, Jordanien, Syrien, Israel, Ägypten, Tunesien, Marokko und Algerien im Dubliner Schloss zusammengekommen. Die Zustimmung der Europäischen Union im Rahmen der Vierergruppe zum einseitigen Abzug Israels aus dem Gaza-Streifen, dem so genannten Sharon-Plan, wird bei den arabischen Partnern sicher auf Kritik stoßen und die aktuellen Gespräche belasten. Seit der "Mittelmeer-Dialog" 1995 in Barcelona gestartet wurde, wird er stets von dem Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern belastet. Das gesteht auch Diego de Ojeda zu, der Sprecher des EU-Außenkommissars Chris Patten. Aber trotz der Instabilität des politischen Umfelds "macht der Barcelona-Prozess in einigen Bereichen, die nicht so augenfällig sind bei der politischen Umgestaltung der gesamten Region, Fortschritte."
"Gemeinsame Interessen"
Diego de Ojeda meint damit eine Vielzahl von Projekten, die die EU in den Mittelmeerstaaten finanziert, um den Aufbau demokratischer Strukturen und wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Die EU fördert Studenten- und Jugendaustausch, Ausgrabungen, Dorfsanierungen oder Filmprojekte. Dafür gibt die EU jedes Jahr rund eine Milliarde Euro aus. Kritiker meinen, der Barcelona-Prozess laufe viel zu langsam und bringe vor allem nicht die gewünschten politischen Ergebnisse, sprich eine Demokratisierung der nordafrikanischen und nahöstlichen Länder. Entwicklungshilfe-Kommissar Poul Nielson weist diese Kritik zurück. Politische und wirtschaftliche Reformen könnten nicht aufgepfropft werden. "Erfolgreiche Kooperation gedeiht nur auf der Grundlage gemeinsamer Interessen unter gleichen Partnern", sagt Nielson.
Der amerikanische Präsident George W. Bush hatte im letzten Herbst eine Nahost-Initiative angekündigt, die eine schnelle Demokratisierung zum Ziel hat und effizienter sein soll als der EU-Mittelmeer-Dialog. Doch die Fachleute in der EU-Kommission verweisen darauf, dass es aus der US-Regierung bisher außer kräftigen Absichtserklärungen keine konkreten Vorschläge gegeben habe. Die arabischen Staaten, allesamt keine Demokratien im westlichen Sinne, weisen die forschen US-Pläne zurück. Der Außenbeauftragte der Europäischen Union, Javier Solana versucht nun, die Mittelmeer-Partner bei der Stange zu halten und gleichzeitig die USA nicht zu verprellen. Das sei ein schwieriger Spagat, meint ein EU-Diplomat.
Mehr Geld, als ausgegeben werden kann
So konzentrieren sich die Außenminister darauf, guten Willen zu zeigen und das Scheckbuch zu zücken, ohne großartige Gegenleistungen zu fordern. Doch auch die Abwicklung der Projekte in den Mittelmeerstaaten läuft zäh ab, meist steht mehr Geld zur Verfügung als ausgegeben werden kann. Kommissionssprecher Diego de Ojeda: "Wir geben soviel aus wie wir können. Das sorgt für schnellere Ergebnisse."
Da viele der islamistischen Attentäter, die in Madrid im März und auf Djerba 2002 zuschlugen aus Marokko und Algerien stammen, drängt die EU auf eine bessere Zusammenarbeit bei der Terrorbekämpfung. Lobend wird von der EU anerkannt, dass Marokko unmittelbar nach den Anschlägen in der spanischen Hauptstadt Ermittler entsandt hat und bei der Aufklärung der Tat hilft, anders etwa als Saudi Arabien nach den Anschlägen vom 11. September.
Die Pläne und die Demographie
Ein weiteres Ziel der EU ist es, die Einwanderung oder die illegale Flucht aus den Maghreb-Staaten nach Europa zu steuern und klein zu halten. Die demographischen Fakten machen das jedoch zunehmend unwahrscheinlicher. Die Bevölkerung im armen Süden wächst zehnmal schneller als im reichen Norden. Bis 2025 wird die Einwohnerzahl in den südlichen Mittelmeerstaaten auf 328 Millionen angewachsen sein, davon rund 40 Millionen Jugendliche, die in Europa auf Arbeitssuche gehen wollen, schätzen die Vereinten Nationen. Gerade den Jugendlichen müsse, so betont Bundesaußenminister Joschka Fischer immer wieder, eine Perspektive im eigenen Land gegeben werde. Das sei auch ein Mittel, um eine zunehmende religiöse Radikalisierung zu verhindern.
Um die Wirtschaft im Mittelmeer-Raum anzukurbeln hat die EU mit allen Anrainern inzwischen Assozierungsabkommen geschlossen. Die ursprünglich angestrebte Einrichtung einer Freihandelszone im Jahr 2010 steht allerdings noch in den Sternen. Vor allzu hochfliegenden Erwartungen warnt auch EU-Entwicklungshilfe-Kommissar Poul Nielson. Beitrittswünschen, wie sie ab und an zum Beispiel von Maghreb-Staaten angedeutet werden, erteilt er eine Absage: "Zwar schließen wir die Türen nicht, aber es geht nicht um künftige Erweiterungen."
Libyen willkommen
Als letzter Staat im Klub der Mittelmeerfreundschaft fehlt Libyen. Nach dem Besuch des libyschen Revolutionsführers Muammar al Gaddafi in Brüssel im April stehen alle Ampeln auf grün. Die EU-Außenminister begrüßen den Wunsch Libyens im Barcelona-Prozess mitzumachen. Noch bremst die libysche Seite, denn zum Barcelona-Prozeß gehören Bekenntnisse zu wirtschaftlichen und staatlichen Reformen sowie zur Einhaltung der Menschenrechte. Diese Forderungen müssten, so hieß es aus Tripoli, der Hauptstadt der sozialistischen Republik, noch dem Volkskongress und anderen Gremien vorgelegt werden.