Der Knoten wird lockerer
25. März 2014Chinas Exporte haben sich in den vergangenen zehn Jahren von rund 700 Milliarden Dollar auf 2,21 Billionen Dollar mehr als verdreifacht. Damit hat das Reich der Mitte in nur einer Dekade Japan, Deutschland und die USA hinter sich gelassen und rangiert nun vor allen als größte Handelsnation der Welt. Eine Zahl, die dagegen weniger gigantisch ausgefallen ist, ist die Kursentwicklung der heimischen Währung. Der Wert des Yuan stieg in den vergangenen zehn Jahren um lediglich 25 Prozent und war damit durchweg billig genug, um die chinesischen Exporte unschlagbar zu machen.
Künstlich billiger Yuan
Bisher basierte der Erfolgskurs allerdings darauf, dass der chinesische Staat die Strippen zog. Unter seiner Aufsicht wurde der Yuan künstlich billig gehalten und nur langsam aufgewertet. Schwankungen zum Dollar-Wechselkurs, der täglich neu festgelegt wird in Peking, waren nur minimal möglich. Das Marktrisiko von Kursschwankungen war damit komplett ausgehebelt. Peking tat damit aber keinesfalls nur den Anlegern einen Gefallen. Ohne eine derartige Kontrolle im Finanzwesen würde es China heute nicht so gut gehen. Dass ein völlig deregulierter Finanzmarkt keinesfalls nur Vorteile hat, lässt sich zurzeit gut an den Problemen anderer Schwellenländer ablesen. Ihre aufstrebenden Märkte und frei handelbaren Währungen waren lange Zeit eine heiß begehrte Destination für Anleger. Doch das Blatt wendet sich. Die Märkte in den alten Finanzzentren erholen sich, das Kapital wird aus den Schwellenländern abgezogen und in Industriestaaten investiert. Mit fatalen Folgen für die aufstrebenden Märkte. Ein derartiger Kapitalabfluss löst eine Kettenreaktion aus fallenden Kursen, geringeren Investitionen und weiter fallenden Kursen aus. Und China? Hier wusste man vorher, dass ein System ohne Regeln nicht funktionieren kann. Der feste Wechselkurs des Yuan zum Dollar verspricht Stabilität. Den chinesischen Markt lässt die Panik der anderen Schwellenländer weitestgehend kalt.
Weltwährung Yuan?
Der Yuan gilt als sichere Währung und demnach überrascht es nicht, dass immer mehr Geschäfte in chinesischen Renminbi abgewickelt werden. Noch 2010 befand sich der Yuan auf Rang 17 der meistgehandelten Währungen der Welt. Eine eher unbedeutende Position. Doch mittlerweile liegen die Geschäfte mit dem chinesischen Renminbi im internationalen Handel weltweit auf Platz Zwei – nach nur drei Jahren. Mittlerweile ist der Handel mit dem Yuan auf jährlich 120 Milliarden Dollar angewachsen. China ist also nicht nur als Volkswirtschaft der direkte Verfolger der USA.
Aber die Kontrolle der eigenen Währung hat auch Dämonen im eigenen Land heraufbeschworen. Denn ein derart streng kontrolliertes Finanzsystem ist international über kurz oder lang nicht wettbewerbsfähig. Wenn der Staat dauernd an den Schiebereglern der Währung herumpfuscht, müssen die Maschinen irgendwann heiß laufen. Deswegen handelt die Regierung jetzt. Erst einmal gab sie ein Signal an die Anleger: Im Februar wurde der Yuan-Kurs kurzzeitig stark gedrückt und erlebte einen Rekordsturz. Klar, dass das vielen Investoren kalte Füße machte oder gar Einsteiger sofort wieder abschreckte.
Größere Schwankungsbreite
Der weitaus größere Coup folgte aber letzten Samstag. Die Notenbank in Peking verkündete, dass sie die Spanne, die der Renminbi zum Dollar schwanken darf, verdoppeln wird. Das ist nicht das erste Mal, dass der Rahmen erweitert wird. 1994 wurden 0,3 Prozent Abweichung des festgesetzten Kurses erlaubt, 2007 dann 0,5 Prozent. Danach zog Peking das Tempo der schrittweisen Liberalisierung an. 2010 wurde der Rahmen verdoppelt, auf 1 Prozent Schwankung. Seit Montag nun darf der Yuan um 2 Prozent abweichen. Das klingt nach wenig, ist aber ein enormer Schritt. Zum einen wird das Risiko der Kursschwankungen erhöht, was internationalen Firmen zeigen soll, dass man sich nun auch in China gegen Marktrisiken absichern muss. Gleichzeitig sollen die Zinssätze auf Spareinlagen frei gegeben werden, so dass Banken wettbewerbsfähige Anlagen anbieten können. Bislang sind die Zinserträge so niedrig, dass sie von der Inflation verschlungen werden. Wer möchte sein Erspartes da noch in eins der staatlichen Geldhäuser bringen - vor allem, wenn ihm anderswo mehr Scheine winken?
Die Konsequenz sieht folgendermaßen aus: Schattenbanken blühen, denn sie versprechen hohe Renditen. Und das neueste Phänomen: Internetfirmen wie Alibaba oder Tencent bieten ihren Kunden jetzt die Möglichkeit, für sie mit ihrem Guthaben an die Börse zu gehen. Die daraus erzielten Gewinne werfen größere Rendite ab, als die staatlichen Banken je versprechen konnten. Auch für das Vorhaben der Regierung, private Banken einzuführen, ist so eine Kursöffnung zwingend notwendig. Die privaten Geldhäuser sollen vom Markt reguliert werden und nicht von der Notenpresse nebenan.
Nach den neuesten Ereignissen darf man sich jedoch keineswegs der Illusion hingeben, China würde seinen Finanzmarkt nun vollständig öffnen. Zwar tritt der Staat jetzt etwas weiter in den Hintergrund und lässt mehr Bewegungen des Marktes im Finanzsystem zu. Allerdings haben die Chinesen eines ganz genau erkannt: Ein Finanzwesen ohne Spielregeln und Grenzen, wie es im Westen gern gepredigt wird, funktioniert für sie nicht. Peking wird weiterhin einschreiten, wenn es seine Interessen bedroht sieht. Oder um zu zeigen, dass reine Gier nicht erwünscht ist.
DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.