Der Kurswechsel der Emirate im Jemen
16. August 2019Tagelang kämpften Unabhängigkeitskämpfer aus dem Südjemen gegen Regierungstruppen, bis sie schließlich vor einigen Tagen den Präsidentenpalast in der geostrategisch bedeutenden Hafenstadt Aden erobert haben. Aden ist im Verlauf des Jemenkriegs zur Interimshauptstadt geworden und beherbergt die international anerkannte Übergangsregierung.
Seit 2015 herrscht im Jemen bereits Krieg - doch bisher verliefen die Fronten anders. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und andere arabische Staaten unterstützten die Regierungstruppen von Abed Rabbo Mansur Hadi gemeinsam im Kampf gegen die Huthi-Rebellen im Norden des Landes. Die wiederum bekommen Unterstützung aus dem Iran, dem Erzfeind Saudi-Arabiens.
Abspaltung des Südjemen als mögliche Folge
Doch die Frontstellung in dem Konflikt in Aden ist eine andere: Dort kämpfen jetzt Truppen des Präsidenten gegen Separatisten, die einst gemeinsam mit der Militärkoalition gegen die Huthis gekämpft haben. Die Unabhängigkeitskämpfer hadern schon seit Jahren mit der Regierung, denn eigentlich kämpfen sie seit Jahrzehnten für einen unabhängigen Staat Südjemen, wie er bereits vor der jemenitischen Vereinigung 1990 bestanden hatte. Und sie scheinen ihrem Ziel nähergekommen zu sein als je zuvor. Die Sorge vor einem Bürgerkrieg im Krieg wächst.
Die Kämpfe offenbaren nicht nur die Möglichkeit einer Spaltung des Jemen, sondern gleichzeitig auch Risse innerhalb der von Saudi-Arabien geführten Militärkoalition. Denn während Saudi-Arabien immer noch Hadis Regierung im Kampf gegen die Huthis unterstützt, stehen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) hinter den Separatisten und dem Übergangsrat des Südens (STC).
VAE lassen Saudi-Arabien stehen
In einem Treffen mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman versuchte der starke Mann aus den Emiraten, Mohammed bin Zayed, zwar die Wogen zu glätten. Beide riefen die verschiedenen Konfliktparteien dazu auf, miteinander zu sprechen. Noch ist nicht klar, worauf man sich in Aden verständigen wird. Jedoch vermied Mohammed bin Zayed eine ausdrückliche Aufforderung an den Befehlshaber der Separatisten, Aidarus al Zubaidi, sich aus der Stadt zurückzuziehen.
Eigentlich dürfte das Vorgehen der Emirate keine Überraschung für die regionale Großmacht Saudi-Arabien sein. Auch wenn die Emirate einst eng an der Seite Riads standen, hatten sie bereits vor dem Coup der von ihnen unterstützen Separatisten in Aden ihren Rückzug aus dem Jemen angekündigt.
Huthis oder Muslimbrüder?
"Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate hatten im Jemen-Krieg schon immer unterschiedliche Ziele", sagt Golfstaaten-Experte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Auch wenn beide die Huthis schlagen wollten, habe das für Saudi-Arabien immer eine größere Priorität gehabt, weil sie vom Iran Unterstützung erhielten, erklärt er. Außerdem hätten die Saudi-Araber das Bündnis mit "Islah", einer Mischung aus Milizen und den Muslimbrüdern, gesucht. "Für die Emirate war das ein rotes Tuch, weil der Kampf gegen die Muslimbrüder in der Region für sie wichtiger ist als der Kampf gegen den Iran." Es sei eine der wichtigsten Grundlinien in der gesamten Region, die Muslimbrüder als Alternative zu autoritären Regimen zu bekämpfen.
Unter Mohammed bin Salman hat sich der Anti-Teheran-Kurs allerdings weiter verstärkt. Die Emirate hingegen haben erst vor wenigen Wochen das erste Mal seit sechs Jahren eine Delegation ihrer Küstenwache in den Iran geschickt, um mit der Führung Sicherheitsfragen zu klären. Die Emirate sehen den Iran zwar auch als eine Bedrohung, scheinen einen Krieg aber vermeiden zu wollen - auch weil das Land einen guten Ruf bei ausländischen Investoren hat. Sollte es zu einem Krieg mit dem Iran kommen, hätte das verheerende Folgen für die Wirtschaft.
Wirtschaftliche Interessen im Vordergrund
Steinberg sieht daher auch noch einen anderen Grund für das Vorgehen der Emirate im Jemen: "Für die Emirate hat es immer eine Rolle gespielt, die Kontrolle über wichtige Häfen im Süden zu gewinnen." Und die haben sie. Da sie sämtliche Häfen im Süden des Landes bereits kontrollieren, können sie auch mit einem unabhängigen Südjemen leben.
Saudi-Arabien will den Kampf gegen die Huthis und damit gegen den Iran gerne weiterführen. Doch davon wollen die Emirate nichts mehr wissen. Denn auch sie haben gesehen, dass die Huthis erfolgreich Widerstand leisten und der Krieg nicht zu gewinnen ist. Nach Angaben von Acled (Armed Conflict Location and Event Data Project) sollen seit Beginn des Krieges über 70.000 Menschen getötet worden sein. Die Vereinten Nationen warnen davor, dass die Zahl im kommenden Jahr auf bis zu 200.000 Opfer steigen könnte.
Vereint, um autoritäre Regime zu stärken
Doch davon, dass auch Riad sich aus dem Krieg zurückziehen wird, geht Guido Steinberg vorerst nicht aus. Saudi-Arabien habe immer vorgegeben, der Kampf gegen die Huthis sei ein Kampf gegen eine schiitisch-jemenitische Hisbollah, die an der saudi-arabischen Grenze stehe und den Süden des Landes mit Raketen bedrohe. "Das war immer das Schreckensbild von 2015, als der Krieg begonnen hat. Damals gab es das nicht. Jetzt ist das so. Das kann Riad jetzt eigentlich nicht so stehen lassen." Es sei denn, es findet sich eine gesichtswahrende, politische Lösung.
Dass sich die einstigen Verbündeten, die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien, über den Zwist im Jemen komplett entzweien, glaubt Guido Steinberg nicht. Es habe sich zwar gezeigt, dass man unterschiedliche Interessen im Bezug auf die Huthis hat, "und das wird Riad auch nicht so schnell vergessen." Aber es gebe immer noch viele Themen, bei denen sich die beiden einig seien, wie beim Umgang mit Ägypten, mit Libyen oder auch mit dem Sudan. "Dort ziehen sie an einem Strang - entweder, um autoritäre Regime an der Macht zu halten oder um sie an die Macht zu bringen. Dieses Motiv bleibt bestehen."