Der lange Schatten der Fußball-WM
30. Mai 2014Das Moses-Mabhida-Stadion in Durban hat sich zu einer Touristenattraktion gemausert: Mit einer Seilbahn fahren Besucher zur Aussichtsplattform auf's Stadiondach. Mutige können am Bungee-Seil sogar hinunter auf den Rasen springen. Die Cafés, Restaurants und das Fitnessstudio im Bauch des Stadions sind auch bei Einheimischen beliebt. Fußball spielt hier vier Jahre nach der WM nur noch eine Nebenrolle. Zu den Heimspielen von Durbans Erstligaverein "AmaZulu" kommen nur wenige tausend Fans, erzählt Platzwart Kevin Gramoney. Aber das habe man vorher gewusst. Schon beim Bau der über 300 Millionen teuren Sportarena hat sich die Gastgeberstadt der Fußball-WM 2010 Gedanken über eine nachhaltige Nutzung gemacht und erkannt, dass Fußball allein dafür nicht reicht. "Wir müssen innovativ sein und das raten wir auch unseren Kollegen in Brasilien", erklärt Gramoney. Er hat den Rasen schon für hochkarätige Kricket-Spiele, das Training von Rugby-Mannschaften und Konzerte präpariert. Unternehmen buchen das Stadion für ihre Veranstaltungen. Neue Ideen und Konzepte seien immer willkommen, sagt der engagierte Platzwart und fügt stolz hinzu: "Von allen Stadien hier in Südafrika ist unseres am besten ausgelastet."
Leerstehende Stadien
Die Hälfte der zehn Stadien war extra für die Fußball-WM gebaut worden. Keiner der Neubauten schreibt heute schwarze Zahlen. Die Erwartung, dass nach der WM die Rugby-Erstliga-Vereine mit ihren zahlungskräftigen Fans einziehen würden, hat sich nicht erfüllt. Während Durban die Verluste durch seine Mehrzweckarena wenigstens dämpfen kann, schlagen sie in den anderen Gastgeberstädten voll zu Buche. Beispiel Kapstadt: Abgesehen von ein paar Highlights, wie einem ausverkauften U2-Musikkonzert, bleiben die Ränge leer. Der Umsatz deckt nicht einmal ein Viertel der Unterhaltskosten. Millionenbeträge, die angesichts der Armut im Land sinnvoller investiert werden könnten, kritisiert Eddie Cottle, Gewerkschafter und Herausgeber des Buchs "South Africa's Word Cup: A Legacy for Whom?", das sich mit der Nachhaltigkeit der Fußball-WM beschäftigt. "Südafrika hatte keinerlei Strategie dafür, wie die WM der Bevölkerung zu Gute kommen könnte", sagt Cottle. Einer der wenigen Versuche sei der Vorschlag gewesen, das Athlone-Stadion in Kapstadt umzubauen, statt ein neues für die WM zu errichten. Dort hätten die Leute wenigstens etwas profitieren können - von Jobs, neuer Infrastruktur und Verkehrsverbindungen, von der Renovierung ihres Stadions, von Touristen, die dort übernachtet und in Restaurants gegessen hätten. Doch all das sei nicht zustande gekommen, so Cottle, weil der FIFA die Aussicht auf den Tafelberg besser gefallen habe, als der Anblick des Arbeiterviertels rund um das Athlone-Stadion.
And the winner is…. FIFA!
Für die FIFA war die WM in Südafrika mit einem Gewinn von rund zwei Milliarden Euro die erfolgreichste aller Zeiten. Südafrika investierte laut Regierung allein rund 3,5 Milliarden Euro in die Infrastruktur, in Stadien, Straßen, Flughäfen und das öffentliche Verkehrssystem. Die Hoffnung auf einen Wirtschaftsaufschwung und Arbeitsplätze hat sich jedoch nicht erfüllt.
Man könne nicht nur auf die Zahlen schauen, konterte Danny Jordaan auf einer Podiumsdiskussion in Johannesburg. Er war der Chef des WM-Organisationskomitees und ist heute Präsident des südafrikanischen Fußballverbands. Die WM habe für ihn all die ehrgeizigen Ambitionen und die Enttäuschungen, alle Nuancen der jungen Demokratie am Kap verkörpert, so Jordaan. "Sie war ein riesiger Erfolg." Von Kofi Annan bis zu Barack Obama hätten zahlreiche hochrangige Besucher bestätigt, dass sich die Wahrnehmung Afrikas durch die WM grundlegend geändert habe. "Die Diskussionen auf dem Kontinent drehen sich heute weniger um Entwicklungshilfe und Krankheiten, als um Investitionen, Wirtschaftswachstum und Entwicklung." Darin bestehe das eigentliche Vermächtnis der WM, betont Jordaan, der nun als Sonderberater der FIFA auch Brasilien unterstützt. Sicherlich: Südafrika hat bewiesen, dass es eine große internationale Veranstaltung reibungslos organisieren kann. Doch für die Mehrheit der Bevölkerung drückt sich dieser Imagegewinn noch immer nicht spürbar aus.