Der lange Weg zum Frieden
12. Februar 2015Kolumbien versucht einen anderen, einen neuen Weg der Konfliktlösung. "Wahrscheinlich ist es das erste Mal, dass die Opfer ins Zentrum der Verhandlungen gestellt werden", sagt der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos mit Blick auf die seit mehr als zwei Jahren andauernden Friedensverhandlungen zwischen der linksgerichteten Guerilla-Organisation Farc und seiner Regierung in Havanna.
Insgesamt 60, von der Nationalen Universität, der katholischen Kirche und den Vereinten Nationen ausgewählte Opfer des jahrzehntelangen bewaffneten Konfliktes haben inzwischen an den Verhandlungen in Kuba teilgenommen. Die für die Gewalt verantwortlichen Gruppen haben die Opfer direkt mit ihren Erfahrungen konfrontiert. "Es ist schon beeindruckend, welche Solidarität es unter uns Opfern gibt, egal aus welchen Regionen oder gesellschaftlichen Schichten des Landes sie stammen", sagt Angela Giraldo im Gespräch mit der Deutschen Welle. Giraldo gehört zu der Gruppe von Opfern, deren Familien unter dem Terror der Farc-Rebellen gelitten haben. Ihr Bruder, der Lokalpolitiker Francisco Javier Giraldo, wurde von der Farc zunächst entführt und Jahre später ermordet.
Angela Giraldo setzt sich nun für eine Versöhnung und einen nachhaltigen Frieden ein. "Vergeben heißt nicht vergessen", sagt Giraldo bestimmt. "Wir haben in Kolumbien mittlerweile einen Bürgermeister in der Hauptstadt und einen Gouverneur, die früher Guerilleros waren. Es ist auch möglich, seine politische Überzeugung an der Wahlurne durchzusetzen. Gewalt, Mord, Folter - all das ist heute nicht mehr notwendig", ruft sie die Farc-Kämpfer auf, die Waffen endlich niederzulegen und sich am politischen Prozess zu beteiligen.
Deutschland unterstützt Friedensprozess
Die Verhandlungen zwischen der Farc und der Regierung sind zäh, aber sie kommen voran. Zuletzt überstanden sie den Härtetest der Entführung eines Armeegenerals, den die Farc nach einigen Tagen wieder freiließ, nachdem der Staatspräsident mit dem Abbruch der Verhandlungen gedroht hatte. Santos selbst hat das ehrgeizige Ziel formuliert, einen Friedensvertrag mit der Farc im Laufe dieses Jahres unterzeichnen zu wollen. Aber auch dieses Datum sei nicht in Stein gemeißelt. Für seinen Weg sucht Santos die Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft. Deutschland will diesen Weg mitgehen, stellt einen Kredit in Höhe von rund 300 Millionen Euro für den Friedensprozess bereit. Außenminister Frank-Walter Steinmeier wird sich am Wochenende in Kolumbien über den Fortschritt der Gespräche in Kolumbien informieren.
Für Giraldo, die zu Beginn des Jahres im Rahmen der Verleihung des Deutsch-Französischen Menschenrechtspreises durch die Botschaften beider Länder ausgezeichnet wurde, ist das ein wichtiges Signal: "Alleine wird Kolumbien das nicht schaffen." Sie selbst sieht in Europa ein mögliches Vorbild für ihr Heimatland: "Die Völker Deutschlands und Frankreichs haben es geschafft, trotz der Kriege, des Blutvergießens und des Hasses zueinander zu finden. Heute stehen sie Seite an Seite und es verbindet sie eine tiefe Freundschaft. Warum soll uns das nicht auch gelingen?"
Opfer konfrontierten die Täter mit der Gewalt
Das "Experiment" mit den Opfern des kolumbianischen Konfliktes ist spannend, weil es in der Tat neu ist. Opfer rechter paramilitärischer Gewalt, linken Terrors oder der Armee tauschen sich inzwischen untereinander aus. In Havanna konfrontierten sie die Rebellen, aber auch den Staat mit den Folgen der Gewalt, das gibt den Verhandlungen eine sehr menschliche, sehr emotionale Note. Schicksale sind dort greifbar, sie sind nicht mehr wegzudiskutieren. Fabrizio Hochschild, ranghöchster Vertreter der Vereinten Nationen in Kolumbien, ist von der Bedeutung der Aussagen der Opfer überzeugt. Sie hätten die Delegationen daran erinnert, dass die Menschen einen Preis in diesem Krieg bezahlen. "Ihre Botschaft an die Verhandlungsdelegationen war eindeutig: Ihr müsst die politischen Differenzen einem Frieden unterordnen", so Hochschild im Gespräch mit der DW.
Und die Opfer selbst beginnen sich quer über alle politischen Lager hinweg zu organisieren. Es gibt Skype-Konferenzen, E-Mail-Kontakte und intensive Gespräche. "Ich glaube, dass die Opfer ein großes Potential haben, diesem Konflikt eine neue Wendung zu geben", sagt Yanette Bautista, deren Schwester von rechten Paramilitärs ermordet wurde. Bautista und Giraldo gehören zwei ganz unterschiedlichen politischen Lagern an, sie haben auch unterschiedliche Vorstellungen, was die politische Zukunft ihres Heimatlandes angeht. Was sie aber eint, ist das gleiche Ziel: "Der Frieden ist es wert, dass wir um ihn kämpfen", sagt Bautista. Auch sie erhielt wegen ihrer Arbeit für die Opfer des Konfliktes den Deutschen-Französischen Menschenrechtspreis. "Keine Familie darf mehr erleiden, was uns angetan wurde", fordert Giraldo.