Der mühsame Aufbau des Weinbaus im Libanon
24. März 2014Wenn vom Libanon die Rede ist, dominieren derzeit Anschläge, Unruhen und das syrische Flüchtlingsdrama die Schlagzeilen. Fotos zeigen zerschossene Gebäude und Menschen im Elend. Von einem Land mit malerischen Weinbergen und einer jahrtausende alten Weinkultur spricht kaum jemand. Der 30-jährige Franzose Charles Mazerolles kennt beide Seiten des Libanon. Der studierte Ökonom arbeitet heute für einen libanesischen Weinexporteur. Seinen ersten Kontakt mit dem Land hatte er mit Anfang 20, als er aus humanitären Gründen ins Land kam. "Wir hatten damals die Möglichkeit, den Menschen in einem sehr armen Stadtviertel von Beirut zu helfen. Für einen Monat haben wir die Kinder des Viertels aus der Stadt bringen können, in die Berge, weg von den Problemen der Stadt und der Familie. Es waren die ersten Ferien ihres Lebens." Die Begegnung hat ihn tief bewegt und ihm, wie er sagt, Energie gegeben, um später in das Land zurückzukehren.
"Ein Gefühl des Aufatmens"
Mazerolles macht ein Praktikum bei einer libanesischen Industriefirma, die Flüssigsauerstoff vertreibt, bereist und erforscht das Land und seine Weinberge. "Da gab es wirklich ein Gefühl des Aufatmens, von Befriedung", erinnert sich Mazerolles. Doch dann begann 2006 der zweite Libanonkrieg. Mazerolles flieht, kehrt aber nach dem Krieg zurück und erforscht das Land und seine Weingüter.
Weinbau gebe es schon seit der Antike im Libanon, erzählt er, aber richtig aufgebaut wurde er erst während der französischen Kolonialherrschaft Anfang des 20. Jahrhunderts. Die französischen Soldaten waren es gewohnt, guten Wein zu trinken. Also holte man Kellermeister und Weintechniker ins Land, um die Produktion zu verbessern.
Den Touristen fehlt noch das Vertrauen
"Erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden eigenständige libanesische Weingüter wie Chateau Kefreya, Chateau Musar, sowie die Domaine Tourelles und Chateau Xara, das von Mönchen geführt wird", erklärt Ökonom und Weinexperte Mazerolles. Auch während des Bürgerkrieges zwischen 1970 und 1990 schafften es diese vier, die Produktion aufrecht zu erhalten. "Kein Jahrgang ist ausgefallen", betont Mazerolles, worauf die Weingüter bis heute sehr stolz seien. Investiert wurde in den Weinbau in den vergangenen drei Jahrzehnten vor allem durch Libanesen selber, insbesondere durch jene, die vor der schwierigen Situation in ihrem Land geflohen waren, in der Diaspora leben und dort Karriere machten.
Inzwischen gebe es einen richtigen Wein-Boom, betont Charles Mazerolles. Rund 40 Weingüter seien entstanden, auch in der Hoffnung auf mehr Touristen. "Der Libanon ist ein sehr interessantes Land mit einer weitreichenden Geschichte und schönen Landschaften. Es wurden auf den Weingütern viele Möglichkeiten für Touristen geschaffen. Gemessen daran kommen aber nur wenige. Bisher fehlt noch das Vertrauen."
Alle Voraussetzungen für eine positive Zukunft seien vorhanden. Doch alles hänge von der politischen und wirtschaftlichen Stabilität ab, konstatiert der Ökonom, insbesondere durch den Einfluss des Bürgerkrieges in Syrien. Rund 1,5 Millionen Syrer sind bislang vor den Kämpfen in ihrem Land in den Libanon geflohen. Eine vollkommene Überforderung für den kleinen Staat mit seinen 4,5 Millionen Einwohnern. Hinzu kommt die Erinnerung der Libanesen, dass syrische Soldaten früher ihr Land besetzt hatten. Konflikte mit der einheimischen Bevölkerung seien deshalb programmiert.
Mehr Wein geht nicht
Der Weinbau ist ein prosperierender Wirtschaftszweig im Libanon. Doch ausdehnen kann man ihn nicht mehr. Dafür fehle die nötige Fläche, erklärt der Weinexporteur Bou Acar, bei dem Mazerolles angestellt ist. Acar schätzt die libanesische Weinbaufläche auf rund 2000 Hektar - etwa ein Fünftel der Weinfläche des Elsass'. Genau wisse das aber niemand, erklärt der Weinhändler. Exakte Zahlen gebe es nur bei der Produktionsmenge, die liege zwischen sieben und acht Millionen Liter pro Jahr. Das Niveau der einzelnen Güter sei jedoch durchgehend sehr hoch. "Nachdem die großen Weingüter mit ihrem modernen europäischen Weinstil sehr viel Erfolg hatten, wurden die schlecht ausgebildeten Önologen nach Frankreich geschickt, um zu lernen. Sie kamen zurück, und jetzt gibt es hier sehr viele gute Weine."
Ein großer Teil des produzierten Weines wird im Land selbst getrunken. Mit der Steigerung der Weinqualität zielt man nicht nur auf einzelne Liebhaber mit ausreichend Geld. Bou Acar berichtet von speziellen Selektionen und Weinen aus Einzellagen, die das Weinbauland Libanon bekannter machen sollen. Bisher sei vor allem Frankreich ein großer Abnehmer. Jetzt wollten die Weingüter den Rest der Welt erreichen.
Ungewöhnliche Verbindungen
Auf die Frage, wie man Weinbau in einem Land betreiben kann, das vorwiegend muslimisch geprägt ist, antwortet Charles Mazerolles, dass es im Libanon extrem unterschiedliche Gruppen gebe. Muslime, die jeden Alkohol ablehnten, andere, die ihn akzeptierten und schließlich noch der hohe Anteil an Christen. Außerdem sei das mit dem Glauben so eine Sache, schmunzelt er und berichtet von einem Weingut im Nordosten des Landes. "Es gab einen Produzenten, der hat seine Weinstöcke ganz nahe der Stadt Baalbek gepflanzt, eine historische Hochburg der Hisbollah. Jetzt könnte man natürlich denken, dass die ganz besonders gegen die Produktion von Alkohol sind. Aber sie sind es, die in erster Linie die Weinfelder rund um Baalbek schützen." Wirtschaftliches Interesse, so Mazerolles, schaffe eben oft ungewöhnliche Verbindungen.
Ungewisse Zukunft
Insgesamt ist der Weinbau im vorwiegend muslimisch geprägten Libanon ein anerkannter Wirtschaftsbereich. Andere Länder, wie Algerien, das größte Weinbauland Nordafrikas, haben hier größere Probleme. Zwar gibt es in Algerien zahlreiche staatlich geleitete Kooperativen, doch als privater Produzent Wein anzubauen wurde dort in den vergangenen Jahren durch Angriffe von Islamisten immer schwieriger. Produktion und Export gingen stark zurück. Tunesien hat mit 30.000 Hektar eine verhältnismäßig große Weinbaufläche. Doch der Staat ist noch zu sehr durch die Nachwirkungen der Arabischen Revolution geprägt, um diesen wertvollen Wirtschaftsbereich zu stützen. Besser sieht es im Nachbarland Marokko aus, wo jährlich rund 40 Millionen Flaschen Wein produziert werden. Hier ist es zwar offiziell verboten, Wein an Muslime zu verkaufen. Man macht es aber trotzdem, und die Produktion steigt stetig, inzwischen auch durch zahlreiche Investitionen aus dem Ausland. Durch schrittweise technische Verbesserungen spielt Marokko inzwischen auch international eine zunehmende Rolle.
In Bezug auf Qualität der Weine, Know-how und technische Voraussetzungen bewegt sich der Libanon im Spitzenbereich des Weinbaus in Nordafrika und Nahost. Doch dauerhaften Erfolg können die Weinbauern damit nur haben, wenn sich die politische Situation entspannt und das heißt, auch in Syrien.