1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Mühsamer Kampf gegen den blauen Dunst

Friederike Schulz16. August 2012

Zigarettenschachteln bedruckt mit Fotos von Lungentumoren und kranken Babys – das neue australische Anti-Tabak-Gesetz ist drastisch und ein gutes Beispiel für Europa, meinen Krebsforscher.

https://p.dw.com/p/15qhP
Eine ausgedrückte Zigarettenkippe in einem Aschenbecher (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

"Rauchen verursacht Lungenkrebs", dazu ein unappetitliches Foto von einem Krebsgeschwür. So müssen Zigarettenverpackungen in Australien ab Dezember aussehen. Für die Schachteln selbst ist ein grün-brauner Einheitsfarbton vorgesehen. Der Name der Marke darf künftig nur noch in kleiner Schrift erscheinen. Das sieht das neue Anti-Tabak-Gesetz vor, das am Mittwoch (15.08.2012) vom Obersten Gerichtshof in der Hauptstadt Canberra bestätigt wurde. Die Richter wiesen eine Klage der Tabakindustrie gegen die neuen Regelungen zurück.

Nichtraucher-Organisationen in aller Welt begrüßen die Entscheidung der Richter und fordern die Politiker in anderen Staaten auf, dem australischen Beispiel zu folgen. "Wir haben in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren einen dramatischen Anstieg des Lungenkrebses bei jungen Frauen erlebt. Da hoffen wir natürlich, dass auch die Bundesregierung solche strengen Gesetze wie in Australien erlässt", sagte Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg im Interview mit der Deutschen Welle.

Eine austarlische Zigarrettenschachtel mit dem Foto eines Frühchens Foto: Lukas Coch (EPA)
Australische Schockbilder: Kampf gegen das Rauchen mit drastischen FotosBild: picture-alliance/dpa

Schlusslicht Deutschland

In den Mitgliedsländern der Europäischen Union wurden zwar in den vergangenen Jahren die Regelungen zum Schutz der Nichtraucher verschärft, so streng wie in Australien sind sie jedoch bei Weitem nicht. So müssen seit 2003 Zigarettenpackungen, die in der EU verkauft werden, lediglich gut sichtbare Warnhinweise tragen. Aufschriften wie "Rauchen kann tödlich sein" sollen 30 Prozent der Vorderseite einer Packung bedecken, auf der Rückseite sind es 40 Prozent. Schockierende Fotos sind dagegen nicht vorgeschrieben. Tabakwerbung im Rundfunk, in Printmedien und im Internet ist verboten.

Nachdem ausgerechnet die traditionellen Raucher-Nationen Frankreich und Großbritannien mit gutem Beispiel vorangingen und den Tabakkonsum in Restaurants und Kneipen verboten, zogen die anderen EU-Staaten nach. Deutschland bildete 2008 das Schlusslicht. Hier ist der Nichtraucherschutz vor allem Sache der einzelnen Bundesländer, was die Umsetzung kompliziert und langwierig machte. Doch inzwischen ist auch das größte Bundesland Nordrhein-Westfalen, das mit umstrittenen Ausnahmeregeln für Unmut bei Gesundheitsexperten gesorgt hatte, auf die Linie der anderen Länder eingeschwenkt.

Reizthema Tabakwerbung

Den Nichtraucher-Schützern gehen die europäischen Gesetze nicht weit genug. So kritisiert Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum, dass es in Deutschland immer noch erlaubt ist, auf Plakaten für Zigaretten zu werben. "Teilweise sind Litfasssäulen und Bushaltestellen gepflastert mit Tabakwerbung. Das heißt, sie hat nach wie vor einen Platz im Straßenbild, und da wünschen wir uns natürlich eine Nachbesserung."

Zwei Zigarettenschachteln in brauner Einheitsfarbe, bedruckt mit drastischen Fotos nach neuer Vorschrift in Australien (Foto: Reuters)
Künftige Einheitsverpackung für Zigarretten in AustralienBild: Reuters

Auch die Europäische Kommission fordert bereits seit längerem strengere Regelungen. Im Herbst will John Dalli, der für Gesundheit zuständige EU-Kommissar, den Mitgliedsländern Reformvorschläge für die Tabak-Richtlinien unterbreiten. Laut Medienberichten ist unter anderem geplant, dass die Warnhinweise auf den Zigarettenschachteln künftig Dreiviertel der Schachtel bedecken. Eine Einheitsverpackung oder Schockbilder seien dagegen nicht vorgesehen, sagt der deutsche Europa-Parlamentarier Karl-Heinz Florenz von der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP): "Ich glaube, die Richtlinie wird strenger als jetzt, das ist auch richtig so, aber es wird nicht ganz so streng wie es die Nichtraucher-Schützer gern hätten", so Florenz im DW-Interview.

Tumorfotos schrecken ab

Auch Krebsforscherin Pötschke-Langer glaubt nicht, dass in Europa Regelungen wie in Australien durchsetzbar sind: "Die Tabaklobby hat einen immensen Druck auf die Regierungen ausgeübt, sie hat leider einen großen Einfluss in Europa." Dabei belegten Studien immer wieder, dass gerade drastische Fotos von Lungentumoren vor allem junge Menschen vom Zigarettenkonsum abbringen könnten. "Zudem bestätigen Ex-Raucher in Umfragen, dass die Fotos auf sie eine abschreckende Wirkung haben."

Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum (Foto: dpa)
Martina Pötschke-Langer: Dramatischer Lungenkrebs-AnstiegBild: picture-alliance/dpa

Auch ein umfassendes Werbeverbot ist nach Einschätzung der Ärztin wirksam. Sie verweist auf Studien der australischen Anti-Raucher-Organisation ASH, die die Folgen des Werbe- und Sponsoringverbots untersucht hat. Seit 1983 ist der Anteil von Rauchern in der männlichen Bevölkerung in Australien deutlich gesunken: von 40 auf heute 16 Prozent. In der EU rauchen dagegen noch immer 28 Prozent der Bürger, und 700.000 Europäer sterben jedes Jahr vorzeitig an den Folgen des Tabakkonsums.