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Der Marketing-Weltmeister nervt

DW Kommentarbild Thomas Klein
Thomas Klein
29. Juni 2018

Marketing-Strategien und PR-Events schienen beim DFB während der WM 2018 wichtiger zu sein als die sportliche Leistung der Nationalelf. Das muss sich ändern und zwar schnell, kommentiert Sportreporter Thomas Klein.

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DFB-Marketingtag mit Generalsponsor Mercedes-Benz, Berlin
Bild: picture-alliance/GES/M. Gilliar

Bevor Joachim Löw zur Pressekonferenz in der Kazan-Arena antreten durfte, um das WM-Aus seiner Mannschaft zu erklären, mussten die Volunteers erstmal die Werbetafel auswechseln. So viel Zeit muss schließlich sein. Alle Sponsoren möchten ihre Marke nämlich ins richtige Licht gerückt sehen. Gerade bei so einem wichtigen Event wie der Fußball-Weltmeisterschaft.

Das Verständnis für die kurze Verzögerung durch die FIFA-Vermarktung dürfte beim DFB und beim Bundestrainer sicher nicht auf Unverständnis gestoßen sein, denn Werbung, Sponsorentermine und Marketing-Kampagnen gehören längst zum Alltag rund um die Nationalmannschaft.

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DW-Sportreporter Thomas Klein

Und genau da beginnt auch ein Teil des Problems. In einer DFB-Welt voller Hashtags, Foto-Shootings und Instagram-Posts verliert nicht nur der geneigte Zuschauer irgendwann mal den Überblick, auch viele deutsche Fans verstehen die Welt nicht mehr. Schließlich sollte es doch um Fußball gehen, um ein erfolgreiches Turnier, um Tore und Erfolge.

Und um Fußball ging es auch in Russland nicht immer. So zumindest der äußere Eindruck. Mit Werbekampagnen à la "Best neVer Rest" (wobei das "V" für den angepeilten fünften Titel stand) in freundlicher Zusammenarbeit mit Hauptsponsor Mercedes oder dem Hashtag "ZSMMN" (Der Versuch von Jugendsprech für "zusammen") wurde die WM-Elf nach außen verkauft. Im Medienzentrum des DFB-Hotels in Watutinki wurde alles getan, den Fotografen und Journalisten die aktuellsten Hashtags oder Slogans ins Gehirn zu hämmern. Schreibblöcke und unübersehbare Werbeaufsteller sowie Brandings an fast jeder Stelle - Willkommen im PR-Wunderland! Und auf Social Media waren die Parolen ohnehin omnipräsent und wurden auch von vielen Medien übernommen. Auf beides reagierten kritische Fans während der WM mit Unverständnis.

Bierhoff: "Der Bus steht für Teamgeist und Gemeinschaft"

Das Problem: Das grandiose Scheitern in der WM-Vorrunde lässt eine gewaltige Kluft zwischen Marketing-Anspruch und fußballerischer Realität zu Tage treten. Die Marketing-Angebote scheinen im Rückblick irgendwie wichtiger als die sportlichen Ziele. Nicht-Events werden zu "großartigen" Terminen hochstilisiert. Die Präsentation des neuen Mannschaftsbusses oder auch die Bekanntgabe des vorläufigen WM-Kaders im Fußballmuseum in Dortmund - eine Presse-Einladung des DFB war ziemlich sicher in jedem Posteingang der Journalisten zu finden. Oliver Bierhoff, den Manager der "Die Mannschaft" dürfte das freuen. Dabei verdient manche "Pressekonferenz" den Namen gar nicht. 

Bierhoff ist seit Jahren bemüht, das DFB-Team bestmöglich zu vermarkten - und mit ihm natürlich auch die Geldgeber: Als Mercedes 2017 das neu gebrandete Fortbewegungsmittel des Weltmeisters vorstellte, sagte Bierhoff bei der Bus-Präsentation: "Fans und Spieler verbinden mit dem Mannschaftsbus immer auch Emotionen, er steht für Teamgeist und Gemeinschaft, also Werte, für die besonders unsere Mannschaft steht". Die Stuttgarter Automarke stehe für Leistung, Effizienz und höchste Ansprüche - genauso wie die Nationalmannschaft, so der Manager.

Italien | Ankunft der Fußballnationmannschaft im Trainingslager in Eppan
Der PR-Bus des WeltmeistersBild: picture-alliance/dpa/GES-Sportfoto/M. Gilliar

Ganz genau, der Bus steht für Teamgeist! Meine Güte, was für ein Blödsinn. Mercedes dürfte es dennoch gefreut haben. Ohnehin wird Bierhoff nicht müde, immer wieder seine "Partner" - wie er die Sponsoren gerne nennt - an den richtigen Stellen zu erwähnen. Hier ein Handshake, hier ein kurzes Gespräch mit Firmenbossen - meist dann, wenn gerade "zufällig" eine Kamera in der Nähe ist. 

Hey DFB, Aufwachen!

Der DFB lebt mit seinen Spielern nun seit Jahren schon in dieser Marketing-Blase, abgehoben von der Realität und weit entfernt von der Basis. Ohne die Mitglieder des "Coca-Cola-Fan-Club-Nationalmannschaft" würde wohl sonst kein Mensch mehr mit einem Deutschland-Fähnchen im Stadion wedeln. Na klar. Solange "Die Mannschaft" erfolgreich war, hat der DFB dieser Entfremdung auch keine größere Bedeutung zugeteilt. Oder hat der Verband es einfach nicht gemerkt? Nach dem peinlichen Vorrunden-Aus in Russland dürfte sich das nun aber ändern. Bei derartigem Rumpelfußball, den die Löw-Elf bei der WM zelebriert hat, holt man sicher niemanden mehr ins Stadion, auch keine Sponsoren!

'Hey DFB, wach' endlich auf', möchte man dem Marketing-Riesen zurufen, konzentriere dich endlich wieder auf den Sport. Es geht nicht um eine schicken Bus, eine neues stylisches Branding oder einen weiteren Hashtag der Nationalmannschaft. Damit gewinnst du keinen Pokal und die Herzen der Fans schon gar nicht. Im Gegenteil. Nationaltrainer Berti Vogts brachte es vor 22 Jahren ganz gut auf den Punkt: "Die Mannschaft ist der Star" - und das sollte auch heute wieder gelten!

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