Der mühevolle Kampf gegen den Terror
29. Januar 2015"Wir brauchen jetzt keine Diskussion über weitere Gremien, sondern müssen die Dinge auch mal machen", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière nach den Beratungen der 28 Innenminister der Europäischen Union in Riga. Nicht erst seit den Terroranschlägen in Paris auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" und einen jüdischen Supermarkt versuchen die Innenminister neue Maßnahmen gegen eine größer werdende islamistische Terror-Szene in Europa zu finden. Es geht nur langsam voran und de Maizière war eine gewisse Ungeduld anzumerken. "Wir müssen leider zur Kenntnis nehmen, dass in den letzten Monaten, trotz aller unserer Maßnahmen die Zahl der radikalisierten Kämpfer, die aus Europa nach Syrien und in den Irak fahren, nicht abgenommen sondern zugenommen hat - und zwar in allen europäischen Ländern", sagte de Maizière. Diese Zahl soll nach Schätzungen der Geheimdienste zwischen 3000 und 5000 liegen.
Bereits im Oktober 2014 hatten die Innenminister beschlossen, die Grenzkontrollen an den Außengrenzen der Europäischen Union "systematischer" zu gestalten und die Erkenntnisse über islamistische Gefährder und verdächtige Personen in das "Schengen-Informations-System" einzuarbeiten. Dieses Computer-System steht jedem Grenzbeamten zur Verfügung, um bei der Kontrolle des Ausweises zu erkennen, ob der Reisende in einem EU-Staat gesucht wird. Erst an diesem Donnerstag hat die zuständige EU-Kommission in Brüssel beschlossen, das Kriterium "mögliche Gefährder" in das Schengen-Informations-System aufzunehmen. "Die Kommission hat uns zugesagt, dass die technische Umsetzung jetzt eine Frage von wenigen Wochen ist", sagte Bundesinnenminister de Maiziere dazu. "Das wäre gut." Noch besser wäre nach Ansicht von EU-Diplomaten, wenn alle Mitgliedsstaaten die Grenzkontrollen an den Außengrenzen so organisieren würden, dass bestimmte Reiserouten oder Fluglinien schärfer durchleuchtet werden können. Bislang gibt es Kontrollen hauptsächlich nach dem Zufallsprinzip. Die Einsicht ist da, das müsse jetzt aber auch umgesetzt werden, heißt es in Riga bei den Innenministern.
Ausweitung der Datensammlung umstritten
Die Innenminister der EU machen sich dafür stark, Fluggastdaten in ganz Europa zu erfassen und auszuwerten. Auch eine Speicherung von Kommunikationsdaten auf Vorrat streben die meisten Minister an. Der Europäische Gerichtshof hatte aber ein weiter reichendes Gesetz zur Speicherung von Daten ohne konkreten Verdacht oder Anlass aufgehoben, auch in Deutschland ist die sogenannte "Vorratsdatenspeicherung" in der Regierungskoalition umstritten. Bundesinnenminister Thomas de Maizière will zumindest die Speicherung von Fluggastdaten auf europäischer Ebene durchsetzen. "Das Problem ist, dass wir nicht von vorneherein wissen, wer mutmaßlicher Terrorist ist. Es kommt ja darauf an, Netzwerke aufzuklären, Finanzierungswege und Strukturen aufzuklären", sagte de Maizière in Riga ."Wir haben ein solches Fluggastdaten-Abkommen mit den USA. Ich muss einmal sagen, wenn wir es erlauben, Daten von Europäern den Amerikanern zu geben und uns dazu vertraglich verpflichtet haben, dann finde ich es eigentlich ganz normal, dass wir solche Daten auch zwischen Europäern austauschen."
Das Europäische Parlament hat ein entsprechendes Abkommen für Europa aus datenschutzrechtlichen Bedenken bislang verhindert. Nach den Anschlägen von Paris, bei denen 17 Menschen ermordet wurden, kommt allerdings Bewegung in die Debatte. Die konservativen Fraktionen wollen einer Regelung unter Bedingungen zustimmen. Der Innenexperte der Grünen, Jan Philipp Albrecht, lehnt das Sammeln zusätzlicher Daten aber ab. Es sei ermittlungstechnisch einfach überflüssig, so Albrecht im Europäischen Parlament in Brüssel. "Schon vor den Anschlägen von Paris war es möglich zu wissen, wer in welchem Flugzeug sitzt. Wir haben die Vorab-Informationen über Buchungen. Es ist alles da, wir können es wissen. Bekannten Verdächtigen können wir bereits folgen. Warum konzentrieren wir uns nicht darauf? Warum konzentrieren wir uns nicht auf die wahren Risiken?", fragte Jan Philipp Albrecht.
Verschlüsselung im Internet als neue Bedrohung?
Der britische Premierminister David Cameron hatte wenige Tage nach den jüngsten Terroranschlägen gefordert, die Verschlüsselung von Kommunikation im Internet notfalls zu verbieten. Es könne nicht sein, dass in demokratischen Rechtsstaaten trotz richterlichen Beschlusses Geheimdienste die Kommunikation von Verdächtigen nicht mitlesen könnten, so Cameron. Der Beauftragte der Europäischen Union für die Terrorabwehr, Gilles de Kerchove, findet den Vorschlag Camerons im Prinzip richtig. Auch de Kerchove will die Entschlüsselung von E-Mails und Chats ermöglichen. "Wenn wir in unseren Ländern, oft mit einen Durchsuchungsbeschluss eines Richters, das Recht haben, Kommunikation abzufangen und auszuwerten, macht es die Technik immer schwieriger, das auch zu machen. Wir können also trotz legaler Mittel, die Kommunikation zwischen Kriminellen nicht aufklären. Das ist doch der Punkt: Wollen wir das wirklich?"
Technisch ist die Entschlüsselung allerdings nicht so einfach. Anbieter wie "What's app" oder "Apple" bieten ihren Kunden speziell verschlüsselte Dienste an, die seit den Enthüllungen über die Überwachungsmethoden der US-amerikanischen National Security Agency (NSA) verstärkt nachgefragt werden. Umstritten ist unter Fachleuten, ob Verschlüsselung im Netz in Europa tatsächlich verboten werden könnte, zumal die Anbieter oft nicht in Europa, sondern in den USA ihren Sitz haben.
De Maizière: Propaganda gegen Radikalisierung
Bundesinnenminister Thomas de Maizière setzt sich dafür ein, mit den großen Internet-Konzernen freiwillige Vereinbarungen zur Zusammenarbeit anzustreben. Gesetzgebung wäre langwierig und schwierig, weil es viele juristische Hürden geben würde, befürchtet de Maizière. Er hofft, dass es möglich ist, die Konzerne wie Google dazu zu bewegen, islamistische Propaganda und "brutale, widerwärtige und Hass schürende" Videos aus Diensten wie "Youtube" zu entfernen. Eine "rechtliche Handhabe" sei schwierig, gesteht der Minister. Auch islamistische Propaganda, die zur Radikalisierung von Jugendlichen in Europa führen kann, ist durch das Recht auf freie Meinungsäußerung unter Umständen geschützt. Man müsse eine Gegenstrategie entwickeln und selbst mehr Aufklärung ins Netz stellen, fordert Thomas de Maizière: "Dazu gehört, dass wir Aussteiger ermutigen, über Erfahrungen zu berichten und was dort wirklich geschieht. Dazu gehört, dass wir attraktive Programme machen und die Propaganda nicht den Dschihadisten überlassen."
Mit den großen Internet-Plattformen wie Google oder Facebook sind die Innenminister bereits seit Oktober im Gespräch. Konkrete Vereinbarungen gibt es noch nicht. Die Google-Tochter "YouTube" hat darauf hingewiesen, dass es wegen der Masse der Daten gar nicht möglich sei, alle Videos vor Veröffentlichung auf terroristische Propaganda zu prüfen. Die Google-Managerin Verity Harding sagte bei einer Anhörung im Europäischen Parlament, jede Minute würden bei "YouTube" 300 Stunden an Videos hochgeladen. Allerdings gelingt es "YouTube" relativ schnell, pornografisches Material oder Videos mit mutmaßlichen Urheberrechtsverstößen zu sperren.