Der neue Mann am VW-Steuer
25. September 201562 Jahre ist Matthias Müller alt - und würde sich jetzt, wenn er noch als Werkzeugmacher arbeitete, gedanklich auf den Ruhestand vorbereiten. Doch als Vorstandsvorsitzender bei Porsche, das ist Müller seit fast fünf Jahren, macht man sich keine Gedanken über ein gesetzlich geregeltes Renteneintrittsalter. Und nun, als Vorstandschef der VW AG, wird er erst recht zu viel zu tun haben, als dass er über ein Leben als Ruheständler nachdenken könnte.
Müller ist nur sechs Jahre jünger als sein Vorgänger, Martin Winterkorn. Ein Neuanfang bei Europas größtem Autobauer einzuleiten, wird von ihm wohl nicht erwartet. Wie sein Vorgänger ist er technik-begeistert - als Mann mit unternehmerischen Visionen ist er bislang nicht aufgefallen. Müllers Aufgabe besteht vor allem darin, den Konzern wieder in ruhigere Wasser zu führen und verlorengegangenes Vertrauen wiederzugewinnen.
"Ich bin ein Konzernzögling"
Als Winterkorn-Nachfolger war Müller schon vor einem halben Jahr im Gespräch. Nachdem der damalige Volkswagen-Aufsichtsratschef und Firmenpatriarch Ferdinand Piëch dem Vorstandschef Winterkorn das Vertrauen öffentlich entzogen hatte, war auch Müller als Kandidat auf den Chefsessel in Wolfsburg gehandelt worden.
Sich selbst bezeichnet Müller, der 1953 in Sachsen geboren wurde, als VW-Eigengewächs: "Ich bin ein Konzernzögling", hat er einmal bekannt. Bei der heutigen VW-Tochter Audi hatte Müller nach dem Abitur 1971 Werkzeugmacher gelernt. Nach einem Ingenieursstudium in München kehrte er 1978 als Diplom-Informatiker zu den Ingolstädtern zurück.
Viele Stationen im Hause Volkswagen
Mit seinem Namen verbunden ist das Produktmanagement des Audi A3, für das er von 1993 bis 1995 verantwortlich war. Anschließend übernahm er das Produktmanagement für alle Audi-Baureihen. 2002 wurde Müller Chefkoordinator für die Sportwagenproduktion unter dem VW-Dach und 2007 war er drei Jahre lang Generalbevollmächtigter der Volkswagen AG.
Anschließend, im Oktober 2010, wurde er Mitglied im Vorstand der dem Zuffenhausener Autobauer übergeordneten Porsche Automobilholding SE und Vorstandsvorsitzender der Porsche AG. Dieser Vertrag wurde 2014 verlängert. Seit dem 1. März dieses Jahres sitzt Müller auch im Vorstand der Volkswagen AG.
Sportwagen mit Stromantrieb
Als Porsche-Chef war Matthias Müller lange nicht begeistert von der Idee, seine Autos von Elektromotoren antreiben zu lassen: zu teuer seien die Batterien und zu gering die Reichweiten, die sich mit ihnen erreichen lassen.
Doch seit diesem Jahr ist das anders. Porsche könnte, so heißt es jetzt, von allen Modellen auch Elektro- und Hybrid-Versionen auf den Markt bringen. "Darüber denken wir nach", bestätigte Müller am 13. September einer Autozeitschrift gegenüber. Das solle sogar für die Porsche-Ikone 911 gelte: "Den bieten wir ab 2018 auch als Plug-In-Hybriden an."
Eine Offensive in der E-Mobilität? Das wäre ein Gebiet, auf dem Müller als Winterkorn-Nachfolger eigene Akzente setzen könnte. Und warum auch nicht, wenn jetzt sogar Sportwagen mit Stromantrieb denkbar sind. Und wenn - ja, wenn der Kunde sie auch annimmt. Dann wäre der Abgas-Betrug bei VW wohl wirklich Geschichte geworden.