Der neue Winnetou: Nik Xhelilaj
31. August 2015Die Kinofilme aus den sechziger Jahren – in den Hauptrollen Lex Barker als Old Shatterhand und Pierre Brice als Apachen-Häuptling Winnetou – genießen für viele Bundesbürger Kultstatus. In der neuen RTL-Produktion unter der Regie von Philipp Stölzl wird Wotan Wilke Möhring den Old Shatterhand spielen. Auch Milan Peschel (als Sam Hawkens), Jürgen Vogel (als Rattler) und Mario Adorf (als Santer Senior) machen mit.
Die zweite Hauptrolle übernimmt ein in Deutschland bisher eher unbekannter Schauspieler: der Albaner Nik Xhelilaj (32). Um einen geeigneten Darsteller für den berühmten Apachen-Häuptling zu finden, habe das Casting-Team "mehr oder minder die ganze Welt abgesucht", wird Regisseur Stölzl von der "Bild am Sonntag" zitiert. "Weil wir wussten, dass die Mokassins von Pierre Brice sehr groß sind.“
Die Dreharbeiten sind im vollen Gange
Hat Nik Xhelilaj eine Chance, dem "Winnetou-Denkmal" Pierre Brice Konkurrenz zu machen? Die Dreharbeiten für den TV-Dreiteiler, der Ende 2016 ausgestrahlt werden soll, laufen zurzeit bereits in Kroatien. Winnetou-Fan Niko Fischer hat den Kult-Faktor der beiden Bewerber unter die Lupe genommen. Wer sich oben durch die Bilder klickt, findet sein - natürlich höchst subjektives - Ergebnis.
Außerdem wollten wir natürlich wissen, was der neue Häuptling der Apachen selbst zu sagen hat: vor allem zu seiner Rolle, aber auch zu anderen Dingen, die gerade passieren - etwa zur großen Zahl an Flüchtlingen, die aus Albanien nach Deutschland kommen.
DW: Kannten Sie Winnetou, bevor Sie zu dem Casting gegangen sind?
Nik Xhelilaj: Nein, die Geschichten aus Deutschland und der Western-Welt waren mir nicht vertraut. Als ich über die Agentur die Casting-Einladung bekommen habe, war ich erst mal verblüfft, denn ich habe keinen Bezug zwischen mir und dem Charakter gefunden. Aber nach dem Casting wurde mir dann alles klar.
Inwiefern? Was reizt Sie an der Winnetou-Rolle?
Diese ganze Western-Welt hat eine große Anziehung und Magie. Und es ist eine große Herausforderung für einen Schauspieler, sich in diese Zeit zu versetzen - unabhängig davon, welchen Charakter man spielt. Nachdem ich mich mit der Figur vertraut gemacht hatte, habe ich verstanden, wie wichtig Winnetou für das deutsche Publikum ist. Er ist eine sehr komplexe Figur – zwar nicht real, aber sehr magisch. Die Chance zu bekommen, den Häuptling eines vom Sterben bedrohten Volkes zu spielen, ist mit viel Verantwortung verbunden. Und er ist ein Häuptling, auch das zieht mich sehr an.
Cowboy oder Indianer?
War das für Sie ein Nachteil im Casting, dass Sie die Figur nicht kannten?
Nein, denn in unserem Drehbuch ist der Charakter und die Geschichte so gut geschrieben, dass mir das gar nicht zum Hindernis wurde - eher im Gegenteil: Ich hatte den Vorteil, nur das zu kennen, was im Drehbuch steht. Dadurch habe ich mich nicht mit anderen Informationen abgelenkt. Als dann aber feststand, dass ich die Rolle bekomme, habe ich meine Recherchen gemacht - und mir dann, also im Nachhinein, auch die alten Filme angeschaut.
Sind das Ihre echten Haare, die man auf den Bildern vom Winnetou-Set in Kroatien sieht?
(lacht) Ich möchte, dass Sie glauben, dass es meine echten Haare sind. Deshalb ist es besser, wenn ich sage: Ja, es sind meine eigenen Haare.
Waren Sie als Kind lieber der Cowboy oder der Indianer?
Ehrlich gesagt habe ich keine großen Erinnerungen an Western-Filme aus meiner Kindheit. Diese Filme waren damals in Albanien zensiert. Wir hatten nicht die Möglichkeit, alle Filme zu sehen. Trotzdem erinnere ich mich an Filme von Sergio Leone - und da war für mich immer der Cowboy der bevorzugte Charakter.
Eine Rolle voller Herausforderungen
Konnten Sie schon reiten oder mussten Sie das erst lernen?
Nein, das konnte ich vorher nicht vernünftig. Ich musste es mir für diese Rolle beibringen lassen, das war eine der größten Herausforderungen. Wenn es eine Sache gibt, die mir an diesem Projekt besonders gut gefällt, dann ist es mein gutes Verhältnis zu Pferden und zum Reiten. Ich würde das an die erste Stelle setzen der Vorteile, die ich von diesem Film habe. Vor diesem Film hatte ich nämlich große Angst vor dem Reiten. Ich hatte in einem anderen Film vor etwa drei Jahren mal einen Reitunfall. Seitdem dachte ich eigentlich, ich würde nie mehr auf ein Pferd steigen. Aber jetzt bin ich sehr zufrieden. Ich kann nun sogar frei reiten, ohne Sattel - so wie Winnetou eben.
Und wie ist das mit den Waffen im Wilden Westen?
Ich musste das Schießen lernen, nicht nur mit dem Gewehr, auch mit Spezialwaffen: Winnetous Hauptwaffen sind Pfeil und Bogen und Tomahawk. Wir haben hier am Set Spezialisten, die uns im Film assistieren.
Winnetou spricht ja nicht viel... Müssen Sie trotzdem Deutsch lernen?
Klar! Er spricht zwar nicht viel, aber wenn er spricht, dann hat das Gewicht. Ich werde nicht synchronisiert, sondern werde deutsch und den indianischen Dialekt Lakhota sprechen.
Die Fußstapfen, die Pierre Brice hinterlassen hat, sind groß. Wie gehen Sie damit um?
Es ist unmöglich, so eine Figur, wie er hinterlassen hat, nachzumachen. Außerdem wäre es beleidigend und nicht professionell. Deshalb haben wir eine ganz andere, neue Interpretation im Drehbuch, auch in der Geschichte. Das ist ein Verdienst vom Autor und vom Regisseur des Films.
Die Dreharbeiten finden in Kroatien an den Orten statt, wo auch die bekannten Kinoverfilmungen in den 60er Jahren gedreht wurden. Gibt es Ähnlichkeiten zu den alten Filmen?
Es kann sein, dass es in bestimmten Abschnitten Ähnlichkeiten geben wird, das kann man nicht vermeiden. Deswegen hat man auch entschieden, unsere Produktion hier zu drehen. Aber es ist eine ganz neue Vision in der Darstellung.
Wie ist die Zusammenarbeit mit den deutschen Stars wie zum Beispiel Wotan Wilke Möhring oder Fahri Yardim, Jürgen Vogel, Mario Adorf und Milan Peschel?
Bisher hab ich nur mit Wotan und Jürgen zusammengearbeitet. Es macht großen Spaß, insbesondere mit Wotan. Wir sind einander, wie auch die Charaktere, die wir darstellen, sehr gute Freunde geworden. Bis jetzt habe ich noch keine Gelegenheit gehabt, die anderen Schauspieler kennenzulernen.
Kreshnik, Ihr voller Vorname, bedeutet "Held". Als Winnetou spielen Sie jetzt einen und mit 14 Jahren sind Sie schon mal selbst zu einem geworden: Damals sind sie aus einer türkischen Militärschüle geflohen, auf die Sie ihre Eltern geschickt hatten…
Ich glaube, das Wegrennen von der Militärschule war die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit. Ich weiß nicht, welchen Lauf mein Leben genommen hätte, wäre ich auf der Schule geblieben.
Sind Sie im echten Leben auch ein Held?
Das ist eine schöne Metapher - im echten Leben möchte ich aber ganz normal leben, ohne Metaphern. Aber in meinen Rollen, warum nicht?
In Deutschland kennt man sie vielleicht aus Ihrem Film "Der Albaner" (2010). Da spielen Sie den Albaner Arben, der illegal nach Deutschland einwandert und dort als Menschen-Schlepper arbeitet…
Das damit verdiente Geld braucht er, um als Mitgift die Schulden des Vaters seiner schwangeren Geliebten zahlen zu können - erst dann kann er sie heiraten. Es geht darum, das Versprechen zu halten, das Arwen seiner Geliebten gegeben hat. Das macht den Film besonders. Das Versprechen muss eingehalten werden.
Die Flüchtlingssituation in Europa ist im Moment das große Thema. Warum verlassen gerade auch so viele Albaner ihr Land?
Das ist ein Problem, das schon immer da war, ist und bleiben wird. Leider ist es so, dass viele Menschen in Albanien noch immer unzufrieden sind, vor allem in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht. Das ist der Hauptgrund, warum sie fortgehen. Ich würde mir sehr wünschen, dass die Situation eine andere wäre - dass ein Tag kommt, an dem das albanische Volk die Möglichkeit hat, die Welt zu bereisen und sie einfach so aus Spaß zu erkunden. Das ist eine Herausforderung, die Europa erfolgreich lösen muss. Wenn Europa das nicht löst, wer dann? Und wenn ich versuche, das in Verbindung zu bringen mit der Winnetou-Figur: Europa muss sich erfolgreich dieser Herausforderung stellen - genauso wie Winnetou sich der Herausforderung stellt, sein Volk zu retten. Für mich ist das eine sehr klare Botschaft: Wir sind alle Einwohner dieses einen Planeten. Und wir müssen ihn alle miteinander teilen. Heute haben wir eine Zeit, in der die Albaner nach Deutschland wollen. Aber wer weiß: Vielleicht kommt der Tag, an dem die Deutschen nach Albanien kommen wollen.