Die Zukunft des Dos-Santos-Clans in Angola
13. September 2017Der Hiphop-Künstler und Regimekritiker Luaty Beirão kennt das Leben der Elite von Angola. Der Sohn eines engen Vertrauten von Staatschef José Eduardo dos Santos ging als Junge im Präsidentenpalast ein und aus. In letzter Zeit wachse im Umfeld des Präsidenten die Nervosität, sagt Beirão. Denn mit der Vereidigung von Nachfolger João Lourenço am 21. September werden die Karten neu gemischt. Von Angst könne im Dos-Santos-Clan dennoch keine Rede sein: "Im Grunde denken sie, dass sie nach wie vor alles unter Kontrolle haben", so Beirão. Die Profiteure des Systems dos Santos hätten genug Zeit gehabt, sich auf die Post-dos-Santos-Ära vorzubereiten und ihre Pfründe in Sicherheit gebracht. Der Rücktritt des Patrons sei ja schließlich schon seit Längerem bekannt.
"José Eduardo dos Santos und seine Familienangehörigen haben sich die gesamte Wirtschaft des Landes angeeignet", sagt der Journalist und Menschenrechtsaktivist Rafael Marques. Man habe den Staat filetiert und zwischen der Präsidentenfamilie sowie einigen Generälen und Ministern aufgeteilt. Die Grenzen zwischen Öffentlichem und Privatem seien in Angola praktisch aufgelöst. Die Protagonisten der Politik seien gleichzeitig die wichtigsten Unternehmer des Landes.
Die mächtigen Dos-Santos-Kinder
Den engsten Kreis des verzweigten Dos-Santos-Clans bilden einige seiner neun Kinder, die aus Beziehungen mit fünf verschiedenen Frauen hervorgegangen sind. Rechtzeitig vor seinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt hat José Eduardo sie mit lukrativen Posten und viel Macht ausgestattet: Seine älteste Tochter Isabel dos Santos ernannte er zur Chefin der staatlichen Ölgesellschaft Sonangol, die für die Ausbeutung der riesigen Öl- und Gasreserven Angolas verantwortlich ist. Schon vorher war sie die reichste Frau Afrikas - dank ihres Vaters, sagen Kritiker. Mit dem vielen Geld hat sich Isabel in die größten Aktiengesellschaften Portugals eingekauft. Selbst in Portugal sei sie unantastbar, sagt Rafael Marques.
Zenu dos Santos, der zweitgeborene Sohn des scheidenden Präsidenten, wurde 2012 von seinem Vater zum Chef des staatlichen Investitionsfonds ernannt. Zuvor hatte er eine Bank, eine Stiftung mit Sitz in Zürich sowie ein Finanzberatungsunternehmen gegründet. Neben den Kindern von José Eduardo profitieren auch Ex-Frauen, Schwiegersöhne, Schwiegereltern, Vettern und Cousinen vom Familiennetzwerk. Zum weiteren Kreis zählen etliche Generäle, Minister, Gouverneure und Berater.
Die Gewinne aus den "regelrechten Plünderungen" werden im Ausland versteckt, sagt Rafel Marques. Die ehemalige Kolonialmacht Portugal sei "die wichtigste Waschanlage für das geklaute Kapital aus Angola". Doch auch nach Deutschland gibt es zumindest personelle Verbindungen. So ließ sich der ehemalige Bundesbankpräsident Ernst Weltecke für eine Führungsposition in der Bank des Präsidentensohnes engagieren.
Vater dos Santos zieht weiter die Fäden
Viele Angolaner hoffen, dass sich das System dos Santos mit dem Rückzug des Patrons aus dem Präsidentenamt auflöst. Denn Nachfolger João Lourenço hat im Wahlkampf versprochen, mit der Korruption und Günstlingswirtschaft aufzuräumen."Bloße Wahlkampfrhetorik", meint jedoch Rapper Katrogi Nhanga Lwamba, genannt "MCK", ein Mitstreiter Luaty Beirãos: "Korruption kann nicht durch bloßes Reden bekämpft werden, wie es João Lourenço tut. Man muss konkrete Maßnahmen ergreifen." Korruption sei eine Straftat, die mit aller Härte verfolgt werden müsse. Das aber sei nicht zu erwarten. Er geht davon aus, dass auch unter der neuen Führung die Millionen in Koffern oder Schuhkartons ins Ausland geschafft werden.
Tatsächlich spricht wenig dafür, dass Lourenço die Interessen seines Vorgängers verletzen wird. Das liege vor allem daran, dass Lourenços Macht de facto eingeschränkt sei, erklärt Rafael Marques. Das eigentliche Machtzentrum sei weiterhin José Eduardo dos Santos, der Vorsitzender der mächtigen MPLA-Partei bleibe: "Als Parteivorsitzender kann er auch in Zukunft bestimmen, wer der Regierung angehört. Und er wird weiterhin maßgeblich die Regierungsagenda beeinflussen."
Selbst wenn er an den Personalentscheidungen seines Vorgängers etwas auszusetzen hätte, wären dem neuen Präsidenten die Hände gebunden. Dos Santos hat sich durch neue Gesetze nicht nur vor einer Strafverfolgung schützen lassen. Er hat auch gesetzlich festschreiben lassen, dass seine Personalentscheidungen vom Nachfolger nicht widerrufen oder infrage gestellt werden können. "João Lourenço wird ein Präsident sein, der weder die Armee, noch die Polizei, noch die Wirtschaft des Landes kontrolliert", sagt Rafael Marques. "Wenn Sie mich fragen ist das kein Präsident, sonderJoão Lourenço: Angolas neuer Präsidentn vielmehr ein Steigbügelhalter der ehemaligen Präsidentenfamilie."