Winkelmanns Ruhrgebietssaga
4. Mai 2009Er gehört nicht zu den großen, bekannten Regisseuren in Deutschland mit internationaler Ausstrahlung. Aber er ist einer, der seit mehreren Jahrzehnten kontinuierlich für das Kino und das Fernsehen arbeitet. Adolf Winkelmann ist einer der beständigen Handwerker im deutschen Film, durchaus mit einer eigenen Handschrift. Und in den letzten Jahren, in denen er vor allem fürs Fernsehen arbeitete, hat er einige herausragende Stücke für das "kleinere" Medium inszeniert, die zum besten gehörten, was über die Mattscheiben flimmerte. Zuletzt stand er mit dem umstrittenen Zweiteiler "Contergan" im Lichte der Öffentlichkeit.
Seine Wurzeln hat der 1946 in Westfalen geborene Winkelmann bei der Fotografie und beim experimentellen Film. Einem breiteren Publikum wurde er bekannt, als 1978 sein Spielfilmdebüt "Die Abfahrer" in die Kinos kam. Ein Erfolg bei der Kritik und auch beim Publikum. In "Die Abfahrer" hatte Winkelmann auch sein Thema gefunden, zumindest das seiner ersten Schaffensphase: das Ruhrgebiet. Der in Dortmund lebende Filmemacher setzte seiner Wahlheimat anschließend noch in drei weiteren Spielfilmen ein Denkmal. Das kann man sich jetzt auf DVD anschauen. Die vier Filme sind unter dem Titel "Die Ruhrgebietssaga" in einer Box erschienen.
"Die Abfahrer" (1978)
Winkelmanns Kinodebüt: drei junge Burschen aus dem Ruhrgebiet auf großer Tour. Atze, Sulli und Lutz sind arbeitslos und stehlen mehr aus Spontanität denn aus krimineller Energie einen schweren Lastwagen, mit dem sie dann eine Spritztour quer durchs Ruhrgebiet unternehmen. Ein junges Mädchen begleitet sie ein Stück. Am Ende stellen sie den Wagen wieder zurück, der Alltag nimmt wieder seinen normalen Gang. Witzig und lakonisch, spontan und frisch wirkt der Film noch heute, eine low-Budget-Produktion im besten Sinne.
"Jede Menge Kohle" (1981)
Eine Art Fortsetzungsfilm der "Abfahrer", mit ungemein trockenem Humor erzählt. Der schweigsame Katlewski taucht urplötzlich aus einem schwarzen Tunnel eines Bergwerkstollens auf. Keiner weiß so recht, wohin er will. Katlewski ist eine Art Aussteiger aus dem Proletarierleben des Ruhrgebiets. Er streift alle Fesseln der Konvention ab und macht nur noch das, was ihm Spaß macht. "Jede Menge Kohle" nahm viele Ruhrgebietskomödien späterer Jahre vorweg. Lakonisch erzählt, witzig und surreal, auch ästhetisch interessant, einer von Winkelmanns besten Filmen.
"Super" (1984)
Der Versuch des Regisseurs eine Science-Fiction-Parabel im Ruhrgebiet zu inszenieren, ist nur zum Teil geglückt. Schauplatz ist eine Tankstelle inmitten einer Einöde, Matsch und Dreck beherrschen die Szenerie. Ein Dutzend Figuren bevölkern den kleinen Kosmos, mittendrin ein junger Mann zwischen zwei Frauen. Am interessantesten an diesem Film beim Wiedersehen: die vielen jungen Gesichter heute etablierter Stars. Udo Lindenberg noch ohne Hut, Inga Humpe und Renan Demirkian, Hannleore Hoger und Gottfried John, Günther Lamprecht sowie der verstorbene Ulrich Wildgruber: sie alle wollten damals dabei sein bei Winkelmanns Ausflug in eine düstere Ruhrgebietszukunft.
"Nordkurve" (1993)
Winkelmanns Blick in die Kulissen des professionellen Fußballbetriebs. Heute wirkt der Film wie eine Satire. Damals war es wohl auch als ernstgemeinte Auseinandersetzung mit dem Profisport gemeint. Borussia Dortmund und Schalke 04 werden zwar nicht genannt, aber es ist klar, dass es hier um die berühmten Pott-Vereine geht. Winkelmann zeigt das Geschehen hinter den Kulissen zwar in allen Facetten, mit Trainer und Spielern, Manager und Präsident, Fans und Hooligans. Doch die Darsteller agieren in ihren Rollen allzu grell und überspitzt. "Nordkurve" ist so zwar zu einer unterhaltsamen Fußballstory geworden, ein paar Dribblings weniger hätten dem Film aber gut getan.
Die Box mit den vier Filmen von Adolf Winkelmann ist unter dem Titel "Die Ruhrgebietssaga" beim Anbieter "Alive" erschienen.
Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Sabine Oelze