Der rasende Felix
9. Februar 2014Kurz hinter der Ziellinie brüllte Felix Loch seine Freude heraus. Wild riss er den Arm in den Abendhimmel von Krasnaja Poljana, während er seinen Schlitten mit der anderen Hand von Highspeed auf null runter bremste. Felix Loch hat es geschafft: erneut Olympiasieger. Nach Vancouver 2010 war er auch im Rodel-Einzel in Sotschi der Schnellste der Konkurrenz.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten auf der Olympiabahn Sanki feierte Loch einen überlegenen Sieg vor Russlands Altmeister Albert Demtschenko, dem am Ende 47 Zehntelsekunden zum Sieg fehlten. Dahinter freute sich Routinier Armin Zöggeler über Rang drei - und doch waren sie alle Geschlagene hinter einem entfesselt fahrenden Felix Loch. "Überwältigend, das ist einfach nur geil", freute sich Loch. "Das ist die Krönung einer perfekten Saison." Das kann man so sagen.
Der Dominator des Weltcups
Fünf der neun Weltcuprennen in dieser Saison hat er gewonnen - und ist damit Gesamtsieger. Einmal mehr hatte Felix Loch schon vor Olympia bestätigt, dass er derzeit der konstanteste Rodler ist. Loch hatte schon in den vergangenen beiden Jahren im Weltcup triumphiert - an ihm führt in dieser Sportart derzeit kein Weg vorbei.
Loch der Unschlagbare? Ganz so einfach wie es auf den ersten Blick scheint, sind die Dinge allerdings nicht. Das hat Felix Loch zum Auftakt der Saison beim Weltcup in Lillehammer selbst erlebt: Er wurde "nur" Dritter. Ein kleiner Fahrfehler im zweiten Lauf kostete ihn die bessere Platzierung. Das Erlebnis bestätigte, was Loch immer wieder betonte: "Die Konkurrenten warten nur auf den kleinsten Fehler von mir."
Abgezockt wie ein Alter
Seine größte Stärke aber: Auch bei Rückschlägen verkrampft er nicht, sondern bleibt locker und analysiert seine Fehler. So ist er in der Lage, sofort wieder Top-Leistungen abzurufen oder - um es mit den Worten des bisher erfolgreichsten deutschen Rodlers Georg Hackl zu sagen: "Es ist Wahnsinn, wie cool der Hund ist."
Rodel-Legende Hackl kennt Loch seit 20 Jahren. Da stand der kleine Felix bei ihm in der Werkstatt und schaute zu, wie der Olympiasieger von 1992 seinen Schlitten für die Spiele von 1994 - wo Hackl erneut olympisches Gold gewann - verbesserte: "Felix hätte am liebsten mitgemacht und wollte die Kufen, die ich mir zurecht geschliffen hatte, immer anfassen." Aus der frühen Begegnung wurde eine professionelle Partnerschaft. Hackl arbeitet intensiv mit Loch an technischen Optmierungen - zwei Tüftler unter sich.
Zwei Männer beeinflussten seine Karriere
Dass der im Jahr des Mauerfalls, 1989, in Thüringen geborene Felix Loch beim Ur-Bayern Hackl in der Werkstatt stand, hatte zwei Gründe. Hackls Werkstatt befand sich im Keller des deutschen Schlittensport-Verbandes. Dort hatte Norbert Loch, der Vater von Felix, sein Büro als bayerischer Landestrainer. Für diesen Job war er mit Frau und Klein-Felix von Sonneberg nach Berchtesgaden gezogen. Während der Vater oben arbeitete, bekam Felix unten wohl die entscheidenden Impulse für seine spätere sportliche Karriere.
An der "Wiege" des Rennrodlers Felix Loch standen also zwei Väter: sein leiblicher, von dem er das Talent geerbt zu haben scheint - schließlich war Loch Senior auch Rennrodler und belegte den 13. Platz für die DDR bei den Olympischen Spielen 1984 in Sarajevo. Und dazu Georg Hackl, von dem er sich viele Tricks und Kniffe abschauen konnte. Auch heute noch sorgt Hackl dafür, dass Lochs Schlitten immer top präpariert ist. Der gut 20 Jahre Ältere ist Trainer, Berater und Vertrauter.
Sein Kinderwagen war der Rennschlitten
Mit fünf Jahren saß Felix Loch zum ersten Mal auf einem Rennrodel-Schlitten. "Da durfte ich vom Jugendstart die Bahn hinunterrodeln", erzählt der spätere Olympiasieger heute. "Die erste Fahrt war so prima, dass Ski fahren oder Fußballspielen keinen Reiz mehr auf mich ausübten." Stück für Stück ging es für ihn dann nach oben. Und das im doppelten Sinn: auf der Bahn - bis hinauf zum Starthaus der Männer - und beim Leistungsniveau. Felix Loch gewann in allen Jugendklassen nationale Meistertitel. 2006 wurde er Junioren-Weltmeister. Für die Experten war klar: Hier wächst ein künftiger Champion heran.
Mit einem Schlag bekannt wurde er 2008. Bei der WM in Oberhof gewann Felix seinen ersten Titel im Einsitzer bei den Profis - mit achtzehneinhalb Jahren als jüngster Weltmeister der Geschichte dieser Sportart. Im Jahr darauf wiederholte er auf der schwierigen Bahn in Lake Placid in den USA seinen Triumph. Als neuer Bundestrainer war da zum ersten Mal Vater Norbert an seiner Seite.
Zu Hause wird nicht über das Rodeln geredet
Für diese nicht ganz einfache Situation haben die Lochs eine einfache Lösung gefunden. "An der Bahn ist er mein Chef und gibt die Kommandos", sagt Felix. "Zu Hause sind wir Vater und Sohn. Da streiten wir auch miteinander über Fußball und andere Dinge." Das Arbeits-Verhältnis, ergänzt der Trainervater, habe sich im Laufe der Jahre gewandelt. "Ich lerne jetzt auch von ihm, weil er die Dinge aus Athletensicht betrachtet. Diese Erkenntnisse kann ich für meine Arbeit nutzen."
Dass der Trainer Loch sich auf den Rennrodler Loch einhundertprozentig verlassen kann, haben die Erfolge der vergangenen vier Jahre gezeigt. Am Beginn dieses Zyklus stand die olympische Goldmedaille von Vancouver. In allen vier Läufen fuhr Felix Loch damals Bestzeit und fügte dem Titel Olympiasieger noch den Zusatz "jüngster" bei. Dieser 14. Februar 2010 war ein Sonntag. Die olympische Rennrodel-Entscheidung in Sotschi fiel wieder auf einen Sonntag: der 9. Februar 2014. Es war der Glückstag für Felix Loch.