Mladic Porträt
26. Mai 2011Die Anklageliste gegen General Ratko Mladic ist lang und umfasst die schwersten Verbrechen: wegen Völkermords, schwerwiegender Verstöße gegen die Genfer Konvention, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist er vor dem Kriegsverbrechertribunal der Vereinten Nationen in Den Haag angeklagt. Zwischen April 1992 und Juli 1995 soll er mit seiner Armee der bosnischen Serben Städte und Dörfer in Bosnien-Herzegowina angegriffen, geplündert und zerstört haben. Zahlreiche Tote, systematische Vertreibungen und Vergewaltigungen der nicht-serbischen Bevölkerung während des Krieges sollen auf sein Konto gehen. Er wird außerdem für die dreijährige Belagerung und Bombardierung von Sarajevo verantwortlich gemacht. Und nicht zuletzt für die Vorbereitung und Durchführung des Völkermordes in Srebrenica im Juli 1995: "Schießt nur auf Menschenfleisch! Nur auf Menschenfleisch! Sie haben nichts, sie haben bloß ein paar einfache Gewehre, und das ist alles."
Auftakt zum Völkermord
Das befahl Ratko Mladic per Funkspruch seinen Soldaten bei der Erstürmung der UN-Schutzzone in Srebrenica. Und sie folgten ihm: 30.000 Bosniaken wurden in wenigen Tagen vor den Augen der holländischen Blauhelm-Soldaten aus ihren Häusern vertrieben, etwa 8.000 Jungen und Männer hingerichtet und in Massengräbern verscharrt. Das größte Massaker in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Auf dem Höhepunkt seiner Macht stand der General-Oberst Ratko Mladic als glühender Nationalist. Er selbst sah sich als den Rächer der Serben für die Jahrhunderte lange Herrschaft der Türken auf dem Balkan.
Seine Karriere begann er aber als überzeugter Kommunist. Der 1943 in Ostbosnien geborene Mladic war zwei Jahre alt, als sein Vater, einer der Partisanen Titos, von den faschistischen kroatischen Ustascha-Milizen getötet wurde. Später besuchte er die jugoslawische Militärakademie in Belgrad, absolvierte sie als bester seiner Klasse. Zu Beginn des Kroatien-Krieges in Juni 1991 wurde Mladic als Oberst der jugoslawischen Armee Kommandeur des 9. Korps im kroatischen Knin. Seine Aufgabe: serbische Milizen zu organisieren. Unter seinem Kommando wurden die Städte Sibenik und Zadar bombardiert und die kroatische Bevölkerung vertrieben.
Im Mai 1992 übernahm er die gleiche Arbeit in Bosnien: inzwischen zum General aufgestiegen, wurde Mladic Kommandeur der bosnisch-serbischen Truppen und kämpften dafür, eine Verbindung zwischen den von Serben gehaltenen Gebieten im Osten und Westen Bosniens zu schaffen. Persönlich befahl er die Belagerung und Bombardierung Sarajevos. Dabei sollten, so sagte er stets öffentlich, immer nur militärische Ziele angegriffen werden. Ein während dieser Zeit aufgefangener Funkspruch verrät etwas anderes: "Ihr sollt die Gebäude des Präsidiums und des Parlamentes unter Beschuss halten" - Explosion - "Da gibt es nicht viele Serben. Wir werden sie (die Bosniaken) zerstören."
Gegner der internationalen Friedenspläne
Für viele internationale Beobachter wurde der untersetzte, bullig Mladic zum Inbegriff der Missachtung des Westens durch die Serben. "Grenzen werden immer mit Blut gezogen und Staaten mit Gräbern gezeichnet" lautet ein ihm zugesprochener Ausspruch. Obwohl er offiziell dem politischen Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, untergeordnet war, hatte Ratko Mladic doch innerhalb der Führung der bosnischen Serben beträchtlichen Einfluss. Nie war er nur einfacher Soldat. So soll er etwa das bosnisch-serbische Parlament dazu gebracht haben, 1993 den Friedensplan der internationalen Vermittler David Owen und Cyrus Vance abzulehnen.
Am 25. Juli 1995, noch vor der Unterzeichnung des Daytoner Friedensvertrages, wurde Mladic gemeinsam mit Karadzic vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag für Verbrechen in Bosnien-Herzegowina angeklagt. Ein Jahr später entließ die neue Präsidentin der Republika Srpska, Biljana Plavsic, Mladic als Generalstabschef. Er tauchte unter, offenbar mit Unterstützung von serbischen Politikern und der Armee. Gesichtet wurde er in Restaurants und Fußballstadien.
Nun wurde Mladic verhaftet. Er trage immer eine Giftpille bei sich, hatte der Ex-General stets seinen Verfolgern gedroht. Lebend würde man ihn nicht fassen. Geschluckt hat er sie schließlich doch nicht. Seine Tochter dagegen erschoss sich 1994, weil sie die Verbrechen des Vaters in Kroatien und Bosnien-Herzegowina nicht mehr ertragen konnte - mit der Pistole, die er als bester Kadett seines Jahrgangs einst von der Militärakademie bekam.
Autor: Zoran Arbutina
Redaktion: Mirjana Dikic