Der Soundtrack zum Frieden
1. November 2005Jetzt ist es ein Album, doch am Anfang war ein Song: "Gua". Zu Beginn des Tracks wird man von einem Frauenchor in extrem hoher Tonlage gefesselt. Dann hört man eine männliche Stimme mit weichem Gesang, bevor Emmanuel Jal mit seinen leicht ins Erzählende tendierenden Reimen übernimmt. Sehr sparsam instrumentiert, ein bisschen Rhythmus, ein paar synthetische Klänge. Zuletzt wird man von den Frauenstimmen aus dem Track geworfen, mit einem Wunsch: mehr davon!
"'Gua' ist ein Track über den Frieden, den cry for peace", erklärt Emmanuel, Mitte 20. "Es geht darum, dass die Leute nach Hause wollen, sie wollen nicht mehr abhängig sein von fremder Hilfe." Jal kommt aus dem Süden des Sudan, dem größten Land Afrikas. Mehr als 20 Jahre tobte ein Bürgerkrieg zwischen dem mehrheitlich von Christen bewohnten Süden und dem muslimisch geprägten Norden mit der Zentralregierung in der Hauptstadt Khartoum. Jal wurde gezwungen, als Kindersoldat in der "Sudan People’s Liberation Army" (SPLA) Krieg zu führen.
Norden und Süden auf einer CD
Auf "Gua" folgt nun mit "Ceasefire" ein ganzes Album – aber das ist alles andere als die logische Fortsetzung des ersten erfolgreichen Tracks. "Ceasefire" ist eine Kooperation zwischen Emmanuel Jal und dem Altmeister der nordsudanesischen Tanz- und Cafémusik, Abdel Gadir Salim, ein weltweit gereister Star internationaler Bühnen.
Das Album ist mehr als eine normale CD, es ist ein politisches Zeichen. "Wir wollten zeigen, dass es möglich ist, dass ein christlicher und ein muslimischer Musiker zusammenarbeiten", betont Jal. "'Ceasefire' ist das Symbol für eine Vision – für die Zukunft des Sudan."
Auf dem Album stammen mehr Tracks von Jal als von Salim, und er ist präsenter in Salims Songs als dieser umgekehrt in Jals. Der Rapper nutzt die arabophile Musik von Salim als Grundlage, um seine den Beats angepasste Art der Rede sparsam darauf zu platzieren. Salim hingegen fügt bei Jals Tracks meist nicht viel mehr als ein paar versöhnliche Klänge seiner Combo hinzu, meist Saxofon oder Oud. Trotz des politischen Anspruchs des Projekts ist eine sehr ordentliche CD dabei herausgekommen.
Musik hat Macht
Mit Emmanuel Jal zu reden heißt, von der Musik schnell auf die Politik zu kommen: "Musik spricht zur Seele. Sie hat sehr viel Macht. Sie macht, dass die Menschen kämpfen, sie macht, dass die Menschen sich lieben, und sie ist die Ursache für die Kommunikation unter den Menschen." Musik habe Fähigkeiten, die andere Medien nicht hätten, sagt Jal: "Was nicht in den Zeitungen stehen kann oder was niemand im Radio erzählen darf, das kann Musik transportieren. Musik kann Menschen zusammenbringen."
Wer den letzten Satz schnell als Plattheit abtut, ignoriert, was er in einem zerstörten Land wie dem Sudan bedeuten kann. Jal setzt darauf, dass die staatliche Einheit die ethnischen und religiösen Spaltungen überwinden kann – gerade so, wie es "Ceasefire" vormacht. "Das ist eine Herausforderung für die Regierung", erklärt Jal. "Sie muss jetzt zeigen, dass sie etwas für die Menschen tun will."
Den Tod des Ex-Rebellenführers John Garang, der Ende Juli 2005 bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam, sieht Jal als Chance: "Das hat den Süden neu vereint. Sein Nachfolger hat eine bessere demokratische Legitimation."
Erfolg in Kenia
In Kenia hat Emmanuel Jal bereits ein ganz anderes Album veröffentlicht. Es heißt "Gua", so wie die Single, und hat den boomenden lokalen Rap-Markt ziemlich bewegt. Jal war überrascht: "Ich wollte eigentlich nur sehen, ob die Leute meine Musik mögen. Ich konnte nicht ahnen, dass ich so viel Erfolg haben würde."
Die Dinge müssen schon zusammenkommen. Mit der Geschichte als Kindersoldat allein macht man weder in Afrika noch in Europa einen Popstar. Kommt zu der Geschichte aber ein Song wie "Gua", dazu ein Aufsehen erregendes musikalisch-politisches Projekt wie "Ceasefire", dann gewinnen die Dinge an Dynamik. Ob der Sudan die Vorlage von Jal und Abdel Gadir Salim aufnimmt, bleibt aber offen.