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Gerhard Cromme

Erich Reimann1. August 2013

Er ordnete die deutsche Stahlindustrie fast im Alleingang neu und räumte mit eiserner Hand bei Siemens auf. Doch zuletzt schaute der Manager hilflos zu, wie ThyssenKrupp und Siemens in die Krise taumelten.

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Gerhard Cromme, Aufsichtsratsvorsitzender der ThyssenKrupp AG, nimmt in Berlin im Axel-Springer-Haus an einem Empfang teil (Foto vom 07.05.10) (Foto: dapd)
Gerhard Cromme Aufsichtsratsvorsitzender ThyssenKrupp AGBild: dapd

Gerhard Cromme hat noch einmal einen Sieg errungen. Als Siemens-Aufsichtsratschef hat er Konzernchef Peter Löscher zum Rücktritt gezwungen. Doch es könnte ein Pyrrhussieg für den 70-jährigen Manager gewesen sein. Für viele ist er nach dem holprigen Machtwechsel an der Isar nur noch ein Aufsichtsratschef auf Abruf. Dabei ist es noch nicht lange her, dass der Manager zu den mächtigsten Strippenziehern in der deutschen Wirtschaft gehörte.

Wenn Cromme auf dem Höhepunkt seiner Macht die Fäden zog, lebte noch einmal die Deutschland AG der Vergangenheit auf. Denn der Manager wachte als Aufsichtsratschef nicht nur über Siemens, sondern auch über die Geschicke des größten deutschen Stahlproduzenten ThyssenKrupp. Und als Leiter der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex drückte er auch den Standards für gute Unternehmensführung in Deutschland seinen Stempel auf.

Der Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, Peter Löscher (r), und der Aufsichtsratsvorsitzende des Unternehmens, Gerhard Cromme (Foto: dpa)
Bild aus besseren Tagen: Gerhard Cromme (l.) und Peter LöscherBild: picture-alliance/dpa

Aufstieg bei Krupp

Sein Aufstieg begann, als ihn Krupp-Patriarch Berthold Beitz Mitte der achtziger Jahre vom französischen Glashersteller Saint-Gobain zum kriselnden Essener Stahlkonzern holte. Dort prägte Cromme in den nächsten Jahrzehnten die Entwicklung der deutschen Stahlindustrie wie kein anderer und zeigte dabei keine Angst vor Konflikten. Als Chef von Krupp-Stahl löste er 1987 mit den Plänen zur Schließung des traditionsreichen Krupp-Hüttenwerks in Duisburg-Rheinhausen einen der härtesten Arbeitskämpfe in der Geschichte der Bundesrepublik aus.

Zum Krupp-Konzernchef aufgestiegen, schrieb er nur knapp fünf Jahre später mit der "ersten feindlichen Übernahme an der Ruhr" Industriegeschichte. In einem gewagten Coup schluckte Krupp den Dortmunder Rivalen Hoesch und konzentrierte die Stahlproduktion in Duisburg. Danach startete er unter dem Codenamen "Hammer und Thor" sein Meisterstück: den Angriff auf den Branchenführer Thyssen, der mit der Fusion beider Konzerne zu ThyssenKrupp endete. Cromme teilte sich erst mit dem Thyssen-Manager Ekkehard Schulz die Leitung des neuen Stahlriesen und übernahm dann 2001 den Aufsichtsratsvorsitz des Konzerns.

Streitpunkt Unternehmensführung

Doch beschränkte sich der Einfluss des Managers zu dieser Zeit schon nicht mehr auf die Stahlbranche. Denn er hatte inzwischen auch die Leitung der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex übernommen, die Verhaltensregeln für die Führung und Kontrolle börsennotierter Unternehmen erarbeiten sollte. Mit der Empfehlung, die Vorstandsgehälter offenzulegen, und dem Rat, dass ausscheidende Konzernchefs nur noch in begründeten Ausnahmefällen sofort in den Aufsichtsratsvorsitz wechseln sollten, machte sich Cromme unter den Managerkollegen nicht nur Freunde. Die Erbitterung bei einigen Betroffenen war umso größer, da Cromme selbst erst kurz zuvor diesen Ämterwechsel vollzogen hatte.

Führungswechsel bei Siemens

Noch mehr Macht ballte sich in Crommes Händen, als er 2007 auch den Aufsichtsratsvorsitz bei Siemens übernahm und dort mit eiserner Hand für die Aufarbeitung des milliardenschweren Korruptionsskandals sorgte. In einem Interview belehrte der Manager seine Kollegen in dieser Phase: "Ich glaube, dass Manager viel mehr im Auge haben müssen, dass sie dienen. Ihnen gehört nicht die Firma, die sie führen, aber einige Manager haben sich aufgeführt, als seien sie Eigentümer. Sie waren auf einem Ego-Trip, und das wird auf Dauer bestraft."

Milliardendebakel durch neue Stahlwerke

Doch zunächst fast unbemerkt, begannen zu dieser Zeit auch bei Cromme die Dinge aus dem Ruder zu laufen. ThyssenKrupp hatte auf dem Höhepunkt des weltweiten Stahlbooms nach der Jahrtausendwende beschlossen, zwei neue Stahlwerke in Brasilien und den USA zu bauen. Doch das Projekt erwies sich als gigantische Fehlinvestition, deren Milliardenkosten den Konzern in den Abgrund zu ziehen drohten. Gleichzeitig erschütterte eine ganze Serie von Korruptionsskandalen das Unternehmen. Und Aufsichtsratschef Cromme schaute lange, viel zu lange tatenlos zu, bis er durchgriff und beim Essener Konzern eine neue Führungsspitze installierte.

"Das ist total in die Hose gegangen", gestand Cromme Anfang dieses Jahres mit Blick auf das Amerikaabenteuer des Konzerns. Doch persönliche Konsequenzen wollte der Chefkontrolleur des Stahlriesen nicht ziehen, auch wenn sich das Debakel unter seinen Augen abgespielt hatte. Bei Aktionären sorgte so viel Selbstgerechtigkeit für Unmut. Ein Anleger beschimpfte Cromme auf der Hauptversammlung im Frühjahr sogar als "größte Teflonpfanne der Republik", weil er keinerlei Verantwortung für die Fehlentwicklung in Essen übernehmen wolle. Crommes Ruf bröckelte. Doch erst als ihm Konzernpatriarch Berthold Beitz im März das Vertrauen entzog, musste der Manager tatsächlich gehen. Für Cromme war es ein schwarzer Tag. Denn er verlor nicht nur den Posten als Chefkontrolleur bei ThyssenKrupp, sondern er musste auch seine Hoffnungen begraben, Beitz als Vorsitzenden der Krupp-Stiftung zu beerben und damit quasi bis zum Lebensende die Geschicke des Stahlriesen aus dem Hintergrund steuern zu können.

Die letzte Machtbastion

Der Posten als Aufsichtsratschef von Siemens wurde damit zur letzten Machtbastion des 70-Jährigen. Doch auch bei der deutschen Industrie-Ikone ballten sich bereits dunkle Wolken. Gewinnwarnungen und technische Probleme beim ICE und bei Offshore-Windkraftprojekten setzten dem Konzern immer mehr zu. Cromme zog die Notbremse. Konzernchef Löscher wurde im Hau-Ruck-Verfahren abgelöst. Doch die Art und Weise, wie dies geschah, hatte wenig mit den Grundsätzen ordentlicher Unternehmensführung zu tun, wie sie der 70-Jährige einst selbst predigte. Das hat Crommes ohnehin durch das ThyssenKrupp-Debakel angekratzten Ruf weiter beschädigt. Schon wird spekuliert, dass ihn Linde-Chef Wolfgang Reitzle 2014 ablösen könnte. Den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören hat der 70-Jährige wohl verpasst.