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Pietätloses Foto oder Ikone der Krise?

Martin Muno3. September 2015

Ein Bild, das unter die Haut geht: Ein kleiner Junge liegt leblos am Strand. Ertrunken auf der Flucht. Doch sollen wir Medien solche Fotos zeigen? Die Diskussion ist vor allem in den sozialen Netzwerken entbrannt.

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Kleider von syrischen Flüchtlinge am Strand von Bodrum (Foto: Imago)
Bild: Imago/Xinhua
Das Bild wurde auf den Titel- oder Rückseiten internationaler Zeitungen gezeigt. In Deutschland druckte das Boulevard-Blatt "Bild" das Foto auf der kompletten Rückseite auf schwarzem Hintergrund. Es zeigt den toten kleinen Jungen mit dem Gesicht nach unten am Strand liegend. "Ein Foto, um die Welt zum Schweigen zu bringen", kommentierte die italienische Zeitung "La Repubblica" das Bild. Auch die Deutsche Welle zeigte das Bild - allerdings nur in einem Kommentar.
Unter den Hashtags #îKiyiyaVuranInsanlik oder #HumanityWashedAshore (zu deutsch: "Menschlichkeit an die Küste gespült") sorgten die Fotos auf Twitter für heftige Reaktionen. Die beiden Hashtags wurden zehntausendemal benutzt. Eine Nutzerin schreibt: "Wenn dieses Bild die Welt nicht verändert, haben wir alle versagt."
Viele Leser schrieben, sie hätten beim Betrachten Tränen in den Augen:
Und die ehemalige taz-Chefredakteurin Ines Pohl twitterte:
In einigen Tweets wird das Bild mit dem Foto bereits mit dem Foto des "Napalm-Mädchens" aus dem Jahr 1972 verglichen. Das Foto brachte eine Wende im Blick auf den Vietnamkrieg.
Vietnamesische Kinder fliehen vor einem Napalm-Angriff - historisches Foto von 1972(Foto: AP Photo/Nick Ut)
Bild: AP
Doch es gibt auch Kritik:
Das verlangten zahlreiche Nutzer.
Die "Süddeutsche Zeitung" beschloss, das Bild nicht zu zeigen und begründete dies so:
Für die Entscheidung, das Foto nicht zu veröffentlichen, zog Journalist Udo Stiehl den Pressekodex des Deutschen Presserats heran:
Dort heißt es in Ziffer 11.1: "Unangemessen sensationell ist eine Darstellung, wenn in der Berichterstattung der Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, herabgewürdigt wird."
Die Bilder scheinen allerdings Folgen zu haben: Die britische Boulevardzeitung "The Sun", die in der Flüchtlingsfrage zuvor einen regierungsfreundlichen Kurs eingeschlagen hatte, forderte von der Regierung in London endlich Taten:
Der dreijährige Junge, der Aylan Kurdi heißen soll, gehörte zu einer Gruppe von mindestens zwölf syrischen Flüchtlingen, die am Mittwoch vor der türkischen Küste ertrunken waren. Auch sein fünfjähriger Bruder sei dabei ums Leben gekommen, berichten mehrere Medien. Der Junge soll aus dem syrischen Kobane stammen. Nach Angaben der Zeitung "Ottawa Citizen" wollte die Familie nach Kanada, weil dort Verwandte leben.