Vater des Comics
9. Januar 2008Die Jahrhundertbegabung Wilhelm Busch kommt am 15. April 1832 in Wiedensahl in der Nähe von Hannover zur der Welt - in bescheidenen Verhältnissen. Sein Vater ist Krämer. Auf Wunsch seiner Eltern beginnt er eine Ausbildung zum Maschinenbauer, die er abbricht und sich stattdessen an der Düsseldorfer Kunstakademie einschreibt. Busch will Maler werden. Ein Schritt, auf den seine Eltern verständnislos reagieren.
Doch auch in Düsseldorf gefällt es Busch nicht, er wechselt nach Antwerpen und dann nach München. Hier kommt es 1859 zur entscheidenden Wende in seinem Leben: Der Verleger und Holzschneider Kaspar Braun entdeckt ihn als Zeichner für seine humoristische Wochenschrift "Fliegende Blätter" sowie für die Zeitschrift "Münchner Bilderbogen". Durch diese Zusammenarbeit ist Busch zwar nicht Maler geworden, aber Karikaturist. Und er entwickelt Bilder, die laufen: den Comic. Den Text schreibt er auch dazu.
Sadistische Fantasie
Eva Weissweiler hat gerade eine Biografie über den berühmten Deutschen verfasst. "Dass er ein Einsiedler und Eigenbrötler war, das hatte sich ja schon weitgehend herumgesprochen", urteilt sie. "Was aber überraschend war, dass bei ihm eine bedenkliche psychische Konstitution vorherrschte." Der als depressiv geltende Busch geht mit fast sadistischer Fantasie in seinem künstlerischen Schaffen ans Werk.
Mit kaltem, sezierenden Blick nimmt er mit seinen Karikaturen die Spießbürger seiner dörflichen Umgebung aufs Korn: ungezogene Kinder, prügelnde Eheleute, versoffene Pfarrer, scheinheilige Betschwestern und immer wieder Tierquäler. In seinen Bildergeschichten hält er brutale Todesarten fest – für Mensch und für Tier. Die beiden Lausbuben Max und Moritz werden in der Mühle zermahlen und die fromme Helene kommt im Suff einer Kerze zu nahe. Dazu reimt Busch: "Hier sieht man ihre Trümmer rauchen, der Rest ist nicht mehr zu gebrauchen." Andere Figuren werden in die Luft gesprengt, plattgewalzt, geköpft oder an der Nase aufgehängt.
Bittere soziale Anklage
Das meiste davon ist natürlich pure Erfindung des Dichters. Doch einige Geschichten spiegeln mehr geschichtlichen Hintergrund wider als man denkt, wie Weissweiler betont. "Meiner Ansicht nach wird Max und Moritz bis heute vollkommen falsch gelesen, wenn man das nur als Geschichte von aufmüpfigen, bösen Buben liest."
Das damalige Königreich Hannover erlebte Mitte des 19. Jahrhunderts einen ungeheuren Niedergang. Auf dem Land war schreckliches Elend ausgebrochen, die Tagelöhner verhungerten scharenweise, ganze Kinderbanden vagabundierten über das Land. "Es müssen Tausende gewesen sein, elternlos - und selbstverständlich konnten die nichts anderes, als sich durch Hühner und Bretzel stehlen zu ernähren. Diese Kinder wurden zum Teil steckbrieflich zur Fandung ausgeschrieben." Auch Max und Moritz hatten keine Eltern. "Insofern ist das Stück eine bittere soziale Anklage, gegen die - platt gesagt - voll gefressene dörfliche Bourgoisie, wie eine Witwe Bolte, die es sich leisten konnte, gleich vier Hühner auf einmal zu essen."
Einzelgänger und Avantgardist
Der Einzelgänger Busch verbringt sein Leben sitzend und rauchend an der Staffelei und vor dem Papier. Er trinkt gerne und exzessiv Alkohol, ist Kettenraucher und züchtet Bienen. Nur eine Frau spielt möglicherweise eine größere Rolle in seinem Leben: die Bankiersgattin Johanna Kessler. Sie richtet Busch 1868 in ihrem Frankfurter Haus eine Wohnung nebst Atelier ein. 1877 kommt es zum Zerwürfnis mit ihr. Busch zieht sich endgültig in die niedersächsische Heimat zurück. Als älterer Herr lässt er sich in der Nähe von Göttingen mit seinem Hausstand nieder und stirbt reich und friedlich.
Wilhelm Busch wird als der Urvater des modernen Comics gefeiert. Seine Komik, die auf Schadenfreude setzt, hat Comic-Autoren in New York und sogar Filmmacher in Hollywood beeinflusst. Sie kopierten Anfang des 20. Jahrhunderts typische Elemente, wie etwa verknotete Arme und Beine. Das Werk des eigenbrötlerischen Sonderlings hat bis heute nichts an seiner Schärfe, seinem schwarzen Humor und seiner avantgardistischen künstlerischen Minimalität und Faszination eingebüßt.