Der Vollgasfußballer
29. August 2013Franck Ribéry kommt aus einfachen Verhältnissen und wuchs auf in Boulogne-sur-Mer, einer französischen Hafenstadt mit damals hoher Arbeitslosenquote. Von dort aus hat er sich durchkämpfen müssen und weiß bis heute: "Meine Herkunft hat mich geprägt. Ich bleibe auf dem Teppich." Ein Ereignis seiner Kindheit sollte ihn nachhaltig prägen, vor allem äußerlich: Im Alter von zwei Jahren erlitt er bei einem Autounfall schwere Schnittverletzungen im Gesicht. Davon stammen seine sichtbaren Narben im Gesicht, die ihm den wenig schmeichelhaften Spitznamen "Scarface" einbrachten und noch heute zu sehen sind. Andere Kinder nannten ihn gar "Frankenstein", Ribéry wehrte sich dagegen, manchmal auch mit Fäusten.
"Körperlich retardiert", aber am Ball ein Genie
Mit sechs Jahren begann Ribéry das, was er am besten kann: Fußballspielen. Schon als Teenager beeindruckte er, indem er den Ball mehr als 400 Mal hochhalten konnte. Doch die ersten Stationen in einem Fußball-Ausbildungszentrum in Lille und bei einem Drittligisten im südfranzösischen Alès waren nicht von Erfolg gekrönt. Ein ärztliches Bulletin bescheinigte dem gedrungenen Ribéry eine "körperlich retardierte Entwicklung" und der junge Fußballer musste zurück nach Boulogne-sur-Mer, wo er sich auf Baustellen etwas Geld verdiente.
Seinen ersten Profivertrag unterschrieb Ribéry 2004 beim FC Metz, musste nach tollen Leistungen einerseits, aber einer Schlägerei in einem Nachtklub andererseits wieder gehen. 2005 holte ihn Galatasaray Istanbul an den Bosporus. Dort gewann er im selben Jahr seinen ersten Titel: den türkischen Pokal. Zu Beginn der Saison 2005/2006 konnte ihn Galatasaray nicht mehr bezahlen und in der Folge sicherte sich Olympique Marseille Ribérys Dienste. Zurück in Frankreich reifte Ribéry schnell zum Führungsspieler und wurde aufgrund seiner Schnelligkeit und Spielübersicht nicht nur zum Leistungsträger, sondern auch zum Publikumsliebling. Mit seinen 1,70 Meter und gerade mal 62 Kilogramm sind Schnelligkeit und Wendigkeit seine schärfsten Waffen, die ihn schnell auch über Frankreichs Fußball hinaus bekannt machten.
Einmal München, immer München
Im Juni 2007 rief der FC Bayern und Ribéry ließ sich diese Gelegenheit nicht nehmen. In München etablierte er sich schnell und war auch dank der fürsorglichen Betreuung durch den damaligen Bayern-Manager Uli Hoeneß schnell ein fester Bestandteil der Bayern-Elf. "Ich weiß nicht, ob ich ohne ihn noch im Verein wäre", sagte Ribéry mit Blick auf Hoeneß und dachte dabei sicher an seine schwere Zeit unter Trainer Louis van Gaal. Der Start aber hätte nicht besser laufen können: 2008 gewann er mit den Bayern das Double aus deutscher Meisterschaft und DFB-Pokal. Dabei erzielte er elf Treffer in 28 Ligaspielen. Am Ende der Saison wurde Ribéry zum Fußballer des Jahres in Deutschland und Frankreich gewählt. Nach einer schwächeren Spielzeit 2008/2009, in der er dennoch immerhin neun Tore in 25 Spielen erzielte, wurde er in der darauf folgenden Spielzeit erneut deutscher Meister und DFB-Pokalsieger. Der FC Bayern München und Franck Ribéry - das passte.
Bei der Meisterfeier 2010 auf dem Münchener Rathausbalkon verkündete Ribéry den jubelnden Fans mit den Worten "Isch habe gemacht fünf Jahre mehr!" seine vorzeitige Vertragsverlängerung bis 2015. Er blieb, obwohl vor allem Real Madrid sehr an seiner Verpflichtung interessiert gewesen war. Seine Tempoläufe mit dem Ball hatten längst halb Fußball-Europa auf den Plan gerufen, doch Ribéry sagte bereits 2012: "Ich kann mir vorstellen, dass ich hier meine Karriere beende. Es läuft alles bestens, im Leben und auf dem Platz." Ribéry, der gehänselte Junge aus Boulogne-sur-Mer hatte seinen Platz gefunden und war nun bereit für mehr.
Der Triumpf in der Königsklasse
Die Saison 2012/2013 sollte zu der bislang erfolgreichsten seiner Karriere werden. Neben dem Double aus Meisterschaft und Pokal, feierten die Bayern auch den Gewinn der UEFA Champions League. Mit 13 Toren und 27 Torvorlagen in 52 Pflichtspielen hatte Vollgasfußballer Ribéry erheblichen Anteil an diesem Erfolg. Danach verlängerte er seinen Vertrag in München erneut vorzeitig, jetzt bis 2017.
Seine Karriere in der französischen Nationalmannschaft verlief dagegen bis jetzt nicht ganz so erfolgreich. Am 27. Mai 2006 absolvierte er in einem Testspiel gegen Mexiko seinen ersten Einsatz für die Équipe Tricolore. Sein erstes Tor im Dress der Franzosen erzielte er im Achtelfinale der WM 2006 in Deutschland gegen Spanien. Auch bei der EM-Endrunde 2008 in Österreich und der Schweiz kam Ribéry zum Einsatz.
Buhmann der Grande Nation
Die WM 2010 in Südafrika hätte seine große Bühne werden können, stattdessen wurde sie Schauplatz seines fußballerischen Tiefpunkts: Frankreich schied ohne Sieg und mit nur einem geschossenen Tor als Gruppenletzter aus. Franck Ribéry stand in Südafrika als stellvertretender Spielführer und aufgrund seiner Beteiligung an den mannschaftsinternen Querelen im Zentrum der öffentlichen Kritik. Er galt als einer der Rädelsführer in der Auseinandersetzung zwischen Spielern und dem ungeliebten Trainer Raymond Domenech. Ribéry wurde am 17. August 2010 von der Disziplinarkommission des französischen Verbandes für drei Spiele aus der Nationalmannschaft ausgeschlossen, galt als Buhmann der Affäre, die ganz Frankreich beschämte. "Ich bin sensibel und das hat mich berührt, dass die Zuschauer mich so ausgepfiffen haben", sagte Ribéry rückblickend. Es sollte nicht sein einziger Fehltritt bleiben.
Im Juli 2010 wurden Ribéry und Nationalmannschaftskollege Karim Benzema in Polizeigewahrsam genommen. Es folgte ein Verhör wegen des Verdachts der "Kontaktanbahnung zu einer minderjährigen Prostituierten". Drei Monate zuvor hatte Ribéry bereits Kontakt zu dem schillernden Callgirl Zahia Dehar zugeben müssen. Während das damals erst 17-jährige Mädchen fortan Karriere in den französischen Klatschseiten machte, konnten Ribérys Anwälte ein Haftstrafe für den Nationalspieler zunächst abwenden. Ein Prozess, der seit Juni 2013 mit Ribéry als Beschuldigtem läuft, ist allerdings noch nicht abgeschlossen.
Ribéry, der Kindskopf
Seine Auszeichnung zu Europas Fußballer 2013 dürfte ihn da auf andere, fröhlichere Gedanken bringen. Gedanken, die meist Unheil bedeuten für seine Mitspieler. Denn Franck Ribéry, der 2002 für seine Frau Wahiba Belhami zum Islam konvertierte, ist inzwischen zwar dreifacher Vater, aber irgendwie noch nicht richtig erwachsen. Er liebt Streiche: In Marseille sperrte er einmal seine Teamkollegen in der Sauna ein, vertauschte in München das Schuhwerk der Mannschaftskameraden, schmierte Zahnpasta auf Türklinken oder schüttete vom Dach des FCB-Vereinsheims einen Eimer Wasser auf Torhüter Oliver Kahn. Ribéry bleibt sich eben treu, als Kindskopf und als Fußballer.