Der Völkermord an den Armeniern
24. April 2021Im Rahmen der sogenannten "Lösung des Armenierproblems" trieben die osmanischen Truppen in den Jahren 1915 und 1916 Hunderttausende Armenier auf endlosen Hungermärschen in die syrische Wüste, zu Tausenden wurden Armenier aus allen Landesteilen zusammengetrieben und hingerichtet. Während viele Historiker die Todesmärsche und Massaker heute als "Völkermord" bezeichnen, räumt die türkische Regierung bislang lediglich ein, dass es Massenvertreibungen und gewalttätige Auseinandersetzungen gegeben habe.
Folgen eines zerfallenden Reiches
Ende des 19. Jahrhunderts teilte sich das traditionelle Siedlungsgebiet der Armenier auf das Osmanische, das Persische und das Russische Reich auf. Mit rund zwei Millionen Menschen stellten die Armenier im Osmanischen Reich nach den Griechen die zweitgrößte Minderheit. Der beginnende Zerfall des multi-ethnischen Osmanischen Reiches und der wachsende Nationalismus der einzelnen Bevölkerungsgruppen spitzten sich im Vorfeld des 1. Weltkriegs zu.
Proteste armenischer Bauern und Händler gegen die hohe Steuerlast mündeten bald in ersten Aufständen, die von osmanischen Truppen brutal niedergeschlagen wurden. Zwischen 1890 und dem Ausbruch des 1. Weltkrieges kam es immer wieder zu Massakern an Armeniern, verübt von Türken und Kurden. Im gleichen Zeitraum kam es zu zahlreichen Anschlägen armenischer Terroristen, unter anderem auf den regierenden Sultan.
Massenerschießungen
Während des Krieges kämpfte das Osmanische Reich gegen Russland - viele Armenier hingegen beteiligten sich an Partisanengruppen, die den Truppen des russischen Zaren beim Einmarsch helfen wollten. Die armenischen Freiwilligen-Bataillone, die auf russischer Seite kämpften, erhofften sich die spätere Unterstützung des Zaren für die armenischen Unabhängigkeitsbestrebungen.
Die osmanische Führung machte die Armenier für die militärische Niederlage im Konflikt mit Russland verantwortlich. Anfang 1915 wurden die armenischen Soldaten in der osmanischen Armee entwaffnet; ganze Kompanien wurden zum Straßenbau abkommandiert und später erschossen.
Geplanter Exodus?
In einem zunehmend gewalttätigen anti-armenischen Klima wurden am 24. April 1915 bei Razzien gegen die armenische Elite in Istanbul Tausende Intellektuelle verhaftet und deportiert - erklärtes Ziel des damaligen Innenministers war die Entfernung aller Armenier aus der Hauptstadt. Im Mai begann die osmanische Armee dann mit der Massenvertreibung von Armeniern aus dem Osten des Landes, mit der Begründung, sie könnten die russischen Invasoren unterstützen.
Der damalige deutsche Vizekonsul in Erzurum schrieb daraufhin an den deutschen Botschafter in Istanbul: "Nach dem Kriege werden wir 'keine Armenier mehr in der Türkei haben' ist der wörtliche Ausspruch einer maßgebenden Persönlichkeit. Soweit sich dieses Ziel nicht durch die verschiedenen Massaker erreichen lässt, hofft man, dass Entbehrungen der langen Wanderung bis Mesopotamien und das ungewohnte Klima dort ein Übriges tun werden."
"Schandtat der Vergangenheit"
Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches 1919 sprach der Großwesir Ferid Pascha offiziell von einem "Verbrechen" an den Armeniern, der damalige Außenminister Cemal bezifferte die Zahl der Opfer der Deportationen mit 800.000.
Der Gründer der Türkischen Republik, Kemal Atatürk, bezeichnete am 24. April 1920, bei der Eröffnung des Parlaments in Ankara, den Völkermord an den Armeniern als "eine Schandtat der Vergangenheit" - spätere türkische Regierungen lehnten und lehnen es bis heute ab, von einem Genozid zu sprechen.
Entschuldigung auch aus Berlin
Die UN-Konvention über die Bestrafung von Völkermord, die im Januar 1951 in Kraft getreten ist, definiert Völkermord als "Handlungen, die in der Absicht begangen werden, einen nationale, ethnische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören." Diesen Vorsatz sieht eine Mehrheit von Wissenschaftlern durch historische Quellen dokumentiert. Etliche Staaten haben den Völkermord an den Armeniern inzwischen offiziell anerkannt, unter ihnen auch die Bundesrepublik.
In einer Erklärung vom Juni 2005 entschuldigte sich der Bundestag ausdrücklich beim armenischen Volk für die Haltung des Deutschen Reichs, das damals nichts unternommen hatte, um die Vernichtung der armenischen Minderheit zu verhindern.
2016 verabschiedete der Deutsche Bundestag eine Resolution zu "Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten in den Jahren 1915 und 1916“ - Bundeskanzlerin Merkel sowie der damalige Vizekanzler Sigmar Gabriel und der damalige Außenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier waren der Debatte und der Abstimmung jedoch ferngeblieben.