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Der Welt droht ein Hungerjahrhundert

14. Oktober 2009

Jeder sechste Mensch weltweit hat nicht genug zu essen. Seit zwölf Jahren steigt die Zahl der Hungernden unaufhörlich an. Das 21. Jahrhundert droht zum "Hungerjahrhundert" zu werden.

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Ein kleiner Junge greift in eine Metallschüssel in einem Flüchtlingsdorf in der Nähe von Gulu in Uganda (Foto: dpa)
Mehr als eine Milliarde Menschen leiden HungerBild: dpa

Die Zahl der unterernährten Menschen durchbrach im Juni 2009 die Marke von einer Milliarde, wie die Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen (FAO) am Mittwoch (14.10.2009) in Rom berichtete. Gegenwärtig litten 1,02 Milliarden Menschen Hunger. Das sei der höchste Wert seit 1970. Die Studie wurde anlässlich des Welternährungstages am Freitag veröffentlicht.

Hunger verursacht durch Weltwirtschaftskrise

Der traurige Rekord sei eine Folge hoher Lebensmittelpreise in Kombination mit den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, erklärte die FAO. Noch im Jahr 2000 hatten die UN in ihren Millenniums-Zielen angestrebt, die Zahl der Hungernden bis 2015 zu halbieren.

FAO-Direktor Jacques Diouf forderte, den Kampf gegen den Hunger nicht aufzugeben. Die Investitionen in Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion müssten drastisch gesteigert werden. Die wirtschaftlichen und technischen Mittel seien vorhanden, es fehle jedoch der politische Wille, so Diouf.

Entwicklungsländer anfälliger für Krisen

Statistisch gesehen bekommt jeder sechste Mensch auf der Erde nicht genug zum Essen. Vor einem Jahr waren es noch 963 Millionen. Nach Schätzungen der UN-Organisation müsste die Nahrungsmittelproduktion weltweit um 70 Prozent gesteigert werden, um die 9,1 Milliarden Menschen zu ernähren, die einer Prognose zufolge im Jahr 2050 auf der Erde leben.

Kinder auf Haiti halten eine fast leere Essensschale in die Höhe (Foto: AP)
Auch die Lage auf Haiti ist ernstBild: AP

"Die gegenwärtige Krise ist historisch beispiellos", betonte die FAO. Weil die Entwicklungsländer stärker in die Weltwirtschaft integriert seien als noch vor 20 Jahren, seien sie auch viel anfälliger für Krisen auf den internationalen Märkten. Die Wirtschaftskrise verhindere zudem traditionelle Hilfsmaßnahmen für Entwicklungsländer, zum Beispiel Änderungen der Wechselkurse, Kreditaufnahmen, höhere Entwicklungshilfe oder Rücküberweisungen von Migranten in ihre Heimatländer.

Republik Kongo am stärksten betroffen

Nach Angaben der Welthungerhilfe sind in Asien 642 Millionen Menschen betroffen, im südlichen Afrika 265 Millionen und in Lateinamerika 53 Millionen. Die FAO zählt noch 15 Millionen Betroffene in Industrieländern dazu.

"Das 21. Jahrhundert droht zum Hungerjahrhundert zu werden", warnte die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, am Mittwoch in Berlin anlässlich der Vorstellung des Welthunger-Index 2009. Am schlimmsten ist die Lage demnach in der Demokratischen Republik Kongo, wo drei Viertel der Bevölkerung hungern, dicht gefolgt von Burundi, Eritrea, Sierra Leone, dem Tschad und Äthiopien. Ernst sei die Lage auch für Pakistan, Indien, Bangladesch und Kambodscha, so Dieckmann. In Lateinamerika falle Haiti in diese Kategorie.

Eine Inderin steht am Eingang einer Hütte, vor der ein Pferdekarren steht (Foto: dpa)
Auch viele Menschen in Indien leiden HungerBild: picture alliance/dpa

Frauen besonders vom Hunger betroffen

Als Ursache für Hunger und Unterernährung führte die Welthungerhilfe für Afrika unter anderem Kriege, schlechte Regierungsführung und Aids an. In vielen anderen Staaten zeige sich auch ein Zusammenhang zwischen Mangel und der Lage der Frauen. In den Ländern, in denen Frauen sozial, politisch und wirtschaftlich benachteiligt seien, sei auch die Not im Land messbar größer, betonte Dieckmann. Zwei von drei Hungernden lebten auf dem Land. Deshalb sei es besonders wichtig, mit der Entwicklungshilfe bei kleinbäuerlichen Strukturen anzusetzen.

Dieckmann appellierte an Bundeskanzlerin Angela Merkel, nach der Regierungsbildung die Themen Armutsbekämpfung und ländliche Entwicklung in den Mittelpunkt der Entwicklungsarbeit zu stellen. Die Präsidentin der Welthungerhilfe betonte, die Entwicklungshilfe Deutschlands dürfe vom Wirtschaftsabschwung nicht beeinträchtigt werden. Deutschland habe "trotz wachsender Probleme hierzulande eine globale Verantwortung".

Autorin: Ursula Kissel (dpa, ap, rtr, kna, epd)
Redaktion: Oliver Samson