Der Westen, der Hamas-Sieg und der Geldhahn
26. Januar 2006US-Präsident George W. Bush hatte nach ersten Berichten über einen sich andeutenden Sieg der Hamas erklärt, die Hamas sei nur dann ein Gesprächs- und Verhandlungspartner, wenn sie das Ziel der Zerstörung Israels aufgebe. "Eine politische Partei muss, um lebensfähig zu sein, sich zum Frieden bekennen. Entsprechend werde ich mit der Hamas umgehen, wenn sie Verantwortung übernehmen sollte", sagte Bush.
"Sehr, sehr, sehr schlecht"
Der französische Premierminister Dominique de Villepin äußerte sich "besorgt" über den Sieg der radikal-islamistischen Bewegung. Auch der niederländische Außenminister Ben Bot forderte die Hamas auf, der Gewalt abzuschwören und das Existenzrecht Israels anzuerkennen. Ein Sieg der Islamisten wäre "sehr, sehr, sehr schlecht", sagte der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Die Hoffnungen auf Frieden zwischen Israel und Palästinensern seien für unbestimmte Zeit erloschen.
In Berlin wurde der Hamas-Wahlsieg mit Zurückhaltung und Besorgnis aufgenommen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) kündigte an, dass er sich mit seinen EU-Amtskollegen auf eine gemeinsame Reaktion verständigen werde. Bedingung für eine Zusammenarbeit mit einer neuen palästinensischen Führung sei ein Gewaltverzicht und die Anerkennung des Existenzrechts Israels. "Das scheint für die Hamas noch ein weiter Weg zu sein", sagte Steinmeier im Bayerischen Rundfunk.
Merkel fährt trotzdem
Trotz des Wahlsiegs der radikal-islamischen Hamas in den Palästinensergebieten will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an ihrer Nahost-Reise festhalten. Es gebe bislang keine Hinweise für eine Verschiebung, sagte ein Regierungssprecher am Donnerstag in Berlin. Merkel will am Sonntag (29.1.) nach Israel fliegen und am Montag auch die Palästinensergebiete besuchen. Auf dem Programm steht ein Treffen mit Präsident Mahmud Abbas.
Für den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, rückt durch den Hamas-Sieg der Nahost-Friedensprozess in "weite Ferne". Der Wahlausgang zeige, dass die Mehrheit der Palästinenser nicht zum Frieden bereit sei, sagte er der Berliner Zeitung "B.Z.". Es sei höchste Zeit, dass die EU ihre Finanzhilfen überprüfe.
Zusammenarbeit nur bei Bekenntnis zum Frieden
Die EU werde nur dann mit der Hamas kooperieren, wenn sie bereit sei, sich für den Friedensprozess mit Israel zu engagieren, hieß es am Donnerstag (26.1.) in Brüssel. Die Europäische Union ist - mit rund 480 Millionen Euro im letzten Jahr - der größte Mittelgeber für die palästinensische Autonomiebehörde. Ob das nach dem Wahlsieg der radikalen Hamas so bleibt, macht die EU von einer Bedingung abhängig, so die EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner: "Das Wichtigste ist, dass wir vorhaben, mit jeder Regierung zusammen zu arbeiten, wenn diese Regierung bereit ist, mit friedlichen Mitteln den Frieden weiter zu verfolgen und wenn diese Regierung die zwei Abkommen, die wir haben, und die darin enthaltenen Prinzipien wirklich einhält."
In den zwei Abkommen mit der EU, an die sich eine Hamas-geführte Regierung halten müsse, hatte sich die Palästinenserbehörde zu Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und vor allem zum Friedensprozess gemäß der Road-map bekannt. Das würde auch direkte Verhandlungen mit der israelischen Regierung einschließen.
Solana drohte mit dem Geldhahn
Benita Ferreo-Waldner hielt sich mit Bewertungen zurück, der außenpolitische Beauftragte des EU-Ministerrates, Javier Solana, hatte aber im Dezember damit gedroht, den Geldhahn zuzudrehen, falls die Hamas die Macht übernimmt. Die Hamas wird auf der offiziellen Terrorliste der EU geführt. In der Vergangenheit habe es aber praktische Kontakte auf lokaler Ebene gegeben, heißt es in Brüssel. EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner kündigte weitere Beratungen an: "Klar haben wir immer die friedlichen Ziele hier herausgehoben, aber alle Institutionen der EU werden mit dieser Frage auseinandersetzen müssen, vor allem der Rat am 30. Januar."
Am Montag (30.1.) werden auch die Außenminister der Europäischen Union in Brüssel ihre Antwort auf den wahrscheinlichen Wahlsieg der radikalen Hamas beraten. Im Moment geht man in Brüssel davon aus, dass die EU die Hamas mit finanziellem Druck zur Räson bringen kann, denn auch die Hamas-Führer wüssten, dass ohne EU-Gelder praktisch nichts laufe, so ein EU-Diplomat.