Der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses
Es wird mindestens bis 2018 dauern, ehe der Ort nicht nur sein Gesicht, sondern auch seine kulturelle und historische Bedeutung zurückerhält. Bislang sind 590 Millionen Euro veranschlagt.
Was lange währt, wird endlich gut
Ein heimatloses Gespenst ist ein trauriges Gespenst: Die "Weiße Frau" soll im Berliner Stadtschloss gespukt haben. Angeblich ist sie 1940 zuletzt gesichtet worden. Wenn alles gut läuft, bekommt die "Weiße Frau" eine neue Heimstatt: 580 Jahre nach der ersten Grundsteinlegung, 63 Jahre nach dem Abriss und 20 Jahre nach dem Beginn einer oft quälenden Debatte um den Wiederaufbau.
Eine Lücke im Herzen Berlins
Von der Grundsteinlegung am 12.06.2013 wird es mindestens bis 2018 dauern, ehe der Ort nicht nur sein Gesicht, sondern auch seine kulturelle und historische Bedeutung zurückerhält. Das Berliner Schloss wird das Ensemble aus Berliner Dom, der Museumsinsel, dem Lustgarten und dem Zeughaus komplettieren. Doch der Weg dahin ist vor allem teuer: Bislang sind 590 Millionen Euro veranschlagt.
Die Burg Eisenzahns
Die Geschichte fängt 1443 an: Kurfürst Friedrich II. von Brandenburg, genannt Eisenzahn, beginnt mit dem Bau einer Burg direkt an der Spree, um die Flüsse und Handelswege besser kontrollieren zu können. Ein Bild des ursprünglichen Baus existiert nicht. Dieses Bild zeigt den Nachfolgerbau: das prächtige Renaissance-Schloss aus dem 16. Jahrhundert, das Eisenzahns Burg ersetzt.
Ein heruntergekommenes Provinznest
Diese Karte von 1652 ist der älteste Stadtplan Berlins. Richtigerweise müsste man von einer Doppelstadt sprechen, denn es sind zwei Städte: die größere in Rot zeigt Berlin, die kleinere in Gelb Cölln. Zu der Zeit, als die Karte entsteht, ist Cölln-Berlin ein unbedeutendes, heruntergekommenes Provinznest. Der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648 hat es ins Mittelalter zurückbefördert.
Ein Zeichen des Aufstiegs
Kurfürst Friedrich Wilhelm I. macht aus einem verwaisten Landstrich ein funktionierendes Staatswesen. Sein Nachfolger ist Kurfürst Friedrich III. 1701 wird er zum König von Preußen gekrönt – und braucht ein dementsprechend repräsentatives Domizil. In seinem Auftrag gestaltet Baumeister Andreas Schlüter das Schloss zu einer der großartigsten Residenzen des Barock in Deutschland um.
Drei Anläufe für die Kuppel
Schon Baumeister Schlüter erbaut 1706 einen 120 Meter hohen Turm. Doch der Untergrund hält nicht stand, der Turm muss aufwändig abgetragen werden – und Schlüter seinen Hut nehmen. Nachfolger Eosander will sein Westportal mit einer 100 Meter hohen Turmkuppel krönen. Doch der König stirbt, und Eosander wird vom Hof gejagt. Die 1850 realisierte Kuppel stammt von den Baumeistern Stüler und Schinkel.
Gewaltige Dimensionen
Das Schloss ist fast fünf Jahrhunderte lang eine Dauerbaustelle. Jeder Herrscher lässt es im Stil seiner Zeit neu- und umgestalten. Das gilt aber nur für die Innenräume. Abgesehen von der Kuppel bleibt der Bau äußerlich so, wie ihn Schlüter um 1700 geplant hat. Die letzten großen Umbauten ordnet Kaiser Wilhelm II. an: Er lässt moderne Bäder, eine Heizung und elektrisches Licht einbauen.
Ein historischer Schauplatz
Zehntausende Menschen haben sich am Abend des 1.8.1914 vor dem Schloss versammelt: Deutschland hat Russland den Krieg erklärt. In wenigen Augenblicken wird Wilhelm II. auf den Balkon treten und die Menschen auf den Krieg einschwören. "…Ich kenne keine Parteien und auch keine Konfessionen mehr; wir sind heute alle deutsche Brüder…" Die Rede geht als Balkonrede in die Geschichte ein.
Von der Revolution ramponiert
Am 9. November 1918 dankt Kaiser Wilhelm II. ab. Am Reichstag proklamiert der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann die deutsche Republik. Zwei Stunden später ruft Kommunist Karl Liebknecht vor dem Schloss die sozialistische Republik aus. Revolutionäre besetzen das Schloss. Am 24. Dezember rückt die Armee gegen sie vor. Schaulustige bestaunen die Verwüstungen.
Angeblich baufällig
Nach Bombeneinschlägen am 3. Februar 1945 brennt das Schloss vier Tage lang. Doch die Außenmauern sind weitgehend intakt. Nach der Teilung Berlins liegt die historische Mitte nunmehr im sowjetischen Sektor. Mit Unterstützung der Sowjetunion gewinnt die sozialistische Einheitspartei SED hier die Oberhand. Auf Geheiß ihres Vorsitzenden, Walter Ulbricht, wird das Schloss 1950 gesprengt.
Ein Palast fürs Volk
Wo einst das Schloss stand, finden nun Aufmärsche statt. Unmittelbar daneben entsteht ab 1974 der Palast der Republik, ein "Haus des Volkes": Sitz des DDR-Parlaments und Kulturzentrum. Das Problem: Das Gebäude hat ein Skelett aus Stahl. Um es feuerfest zu machen, werden 5.000 Tonnen hochgiftiger Spritzasbest verwendet.
Nach der Wende: Was nun?
Den historischen Ort wieder "Schlossplatz" zu nennen, ist nach der Wende einfach. Doch der asbestverseuchte Palast der Republik macht Sorgen. Seit September 1990 ist er geschlossen. Doch einfach Abreißen geht nicht: Der Asbest würde dann freigesetzt und könnte seine krebserregende Wirkung entfalten. Über Jahre hinweg wird der Bau entkernt. Erst 2008 kann er abgerissen werden.
Eine quälend lange Debatte
Deutschland ist gerade erst vereint, der Palast der Republik steht noch, da beginnt 1991 auch schon der äußerst engagiert geführte Meinungsstreit um den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses: modern oder historisierend, mit oder ohne Kuppel, oder gar nicht? Es gibt Ideenwettbewerbe, Architekturmodelle, Computer-Simulationen. 2002 beschließt der Bundestag den Wiederaufbau.
Rekordverdächtige Bauzeit
Dieses Modell des Berliners Pascal Lenhard entsteht in nur 1.000 Stunden und ist vergleichsweise kostengünstig. Das Kunstwerk aus rund 400.000 Lego-Steinen ist dem Siegerentwurfs des internationalen Architekturwettbewerbs nachempfunden. Den hatte 2008 der Italiener Franco Stella gewonnen, weil sein Entwurf, laut Jury, eine moderne Antwort auf das historische Gebäude gibt.
Ein Palast für Kultur und Wissenschaft
Drei Seiten orientieren sich an der barocken Fassade, die vierte Seite ist modern - ein Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Im Geiste des großen Universalgelehrten Alexander von Humboldt soll der Komplex "Humboldtforum" heißen, bedeutende Sammlungen beherbergen und durch Veranstaltungen den Dialog der Weltkulturen befördern. Da ist sicher auch noch Platz für den Schlossgeist.