Detroits Autoshow: VW und all die anderen
8. Januar 2016Detroit und seine Autoshow - das ist für die weltweite Autobranche ungefähr das, was der Hype um den Oscar für die Filmbranche ist. Und allen Unkenrufen zum Trotz gilt das immer noch. Trotz der US-Automessen im Frühling (New York) oder im Herbst (Los Angeles), trotz Autosalon in Genf und IAA in Frankfurt. Im Winter ist für alle großen Hersteller und für alle, die auch irgendwie mitspielen wollen, das Hochamt für die Autos im hohen Norden der USA ein Muss.
Und für alle Branchengrößen - so sie denn nichts mit Volkswagen zu tun haben - ist der Termin in diesem Jahr eine feine Sache: der Autoabsatz brummt, die Spritpreise sind niedrig, Auto-Kredite günstig.
In den USA selbst, zweitgrößter Automarkt der Welt, wurden im letzten Jahr fast 17,5 Millionen Fahrzeuge verkauft, so erste Schätzungen. Das ist ein Rekordergebnis. Im mittlerweile wichtigsten Autoland, in China, wuchsen die Absatzzahlen im vergangenen Jahr immerhin noch um drei Prozent, in diesem Jahr rechnen Branchenkenner mit einem Plus von fünf bis sieben Prozent.
Klotzen statt kleckern
Welche Autos dann im Showroom in Shanghai oder Dallas, in München oder Moskau stehen werden, das lässt sich ab 11. Januar in Detroit begutachten. Das neue Autojahr scheint unter dem Motto zu stehen: von Anfang an klotzen. Sorgen um Benzinpreise, das war gestern, in Detroit warten so viele neue Luxus-Kutschen und 12-Zylinder-SUVs und Pick-Ups und Fun-Cars wie selten zuvor auf das Publikum. Dass Autos bei den Jungen als Statussymbol ausgedient haben, scheint die Auto-Manager nicht weiter zu berühren.
Fangen wir an bei A wie Alfa Romeo - die Marke gehört zur Gruppe um Chrysler und Fiat und versucht einen Neuanfang - mit 510 PS! Die bestücken ab Sommer eine sogenannte Sport-Limousine, einen Viertürer mit historischem Namen: Giulia. Oberklassenmäßig mehr gibt’s in dem neuen Modell von Mercedes, das der deutsche Hersteller in Detroit präsentiert, ein brachiales Cabrio mit der Bezeichnung AMG S65, das 621 PS für seinen Aufritt braucht. Die neue E-Klasse von Mercedes gibt’s auch zu sehen, aber die ist ja fast ein Selbstläufer, dennoch komplett neu gestaltet und sicher nicht ungewollt mit deutlichen Anklängen an die teurere neue S-Klasse.
Konkurrenz im Spitzenfeld
Im Premium-Segment bekommt es Mercedes - auch in Detroit - mit einer Menge Mitspieler zu tun: das neue Flaggschiff von Cadillac, der CT6, wird hier vorgestellt und landet im Sommer auch in Deutschland. Die amerikanische Konkurrenz von Lincoln (bei Ford) kommt mit dem neuen Continental, auch so eine US-Ikone und innen ausgebaut wie ein luxuriöses Wohnzimmer.
Schwedisch-chinesischer Luxus auf vier Rädern, das rollt bald unter der Bezeichnung S90 auf der Straße, und ist ebenfalls in Detroit zu begutachten. Volvo, die schwedische Traditionsmarke, deren Eigentümer mittlerweile Geely aus China ist, hat keine leichte Zeit hinter sich. In den letzten fünf Jahren flossen elf Milliarden Dollar an Investitionen in die Marke, und der S90 soll nun zeigen, wo es lang gehen wird: sicherheitsbetont, außen fast stromlinienförmig und innen cool.
Wie gesagt: Benzinsparen, das war gestern - die Branche präsentiert heute Kleinwagen, Elektro- oder Hybridautos und die spritfressenden SUV’s einträchtig nebeneinander. In den USA ist fast jeder zweite verkaufte Neuwagen ein SUV oder Pick-up. Also gibt es Kompakt-SUV’s (etwa von Kia aus Südkorea der aufgefrischte Sportage), es gibt von der Toyota-Tochter Lexus die Hybridausgabe des RX (das weltweit am besten verkaufte Auto der Marke kommt jetzt mit einer Schnauze wie ein Riesenfliegengitter daher). Und dann gibt es in Detroit auch noch den Bentayga.
Den baut der britische Traditionshersteller Bentley, und ist, wen wundert’s, der größte, schnellste, kräftigste und teuerste SUV, den der Markt derzeit zu bieten hat. Der Trumm hat mehr als 600 PS, fährt (natürlich) schneller als 300 km/h und kostet (viel) mehr als 200.000 Euro. Da macht auch der Durchschnittsverbauch von mehr als 13 Litern der Geldbörse nichts aus.
Ach ja, Bentley ist zwar offizieller Hoflieferant der britischen Königsfamilie, gehört aber seit längerer Zeit schon zum VW-Konzern. Genau. Volkswagen. Die mit dem Abgas-Skandal. Der in den USA aufgeflogen ist. Auch die von VW sind in Detroit dabei. Neuere oder schönere oder saubere VW-Modelle stehen dort aber vielleicht dieses Mal nicht so im Mittelpunkt. Dort steht, ziemlich allein, der neue Konzern-Chef Michael Müller und muss sich vor der US-Öffentlichkeit und seinen Branchenkollegen um Schadensbegrenzung bemühen.
Schadensfall Volkswagen
Den direkten Schaden für VW-USA kann man noch gar nicht beziffern. Im September musste der Konzern nach den Enthüllungen amerikanischer Umweltbehörden zugeben, dass man die Abgaswerte von Millionen von Autos geschönt hatte. Im November brachen die VW-Verkaufszahlen im Land um ein Viertel ein, im Dezember verkaufte VW erneut neun Prozent weniger als vor einem Jahr. Die amerikanischen Konkurrenten hingegen legten um sechs, acht oder 13 Prozent zu. Der Markt boomt eben, nur eben nicht für VW.
"Ich versichere Ihnen, wir tun alles, was wir können, um das in Ordnung zu bringen", sagte VW-Markenchef Herbert Diess vor wenigen Tagen auf der Technik-Messe CES in Las Vegas vor. Sein Chef Müller wird in Detroit möglicherweise mehr bieten müssen.