Deutsch-französische Bande
30. März 2015Anfangs haben sie sich misstrauisch beäugt, die Christdemokratin Angela Merkel und der Sozialist François Hollande. Als Hollande im Mai 2012 französischer Präsident wurde, hatte er keinen leichten Stand bei der Bundeskanzlerin, die den Wahlkampf seines konservativen Vorgängers Nicolas Sarkozy aktiv unterstützt hatte.
Vor allem in der Europapolitik gab es Differenzen zwischen der mächtigsten Regierungschefin Europas und dem "Neuling" Hollande, der Merkels strikter Sparpolitik wenig abgewinnen konnte. Beobachter sprachen von "gegenseitiger Antipathie".
Davon kann inzwischen keine Rede mehr sein: Die beiden haben einen guten Draht zueinander gefunden, was in Krisensituationen besonders deutlich wird. Nach dem Absturz des deutschen Germanwings-Airbus flogen beide, in Fassungslosigkeit vereint, im Hubschrauber über die Absturzstelle in den französischen Alpen und betrauerten die 150 Opfer. "Es ist ein gutes Gefühl, dass wir in einer so schweren Stunde eng und freundschaftlich zusammenstehen", wandte sich Merkel an Hollande. Das sei "gelebte deutsch-französische Freundschaft".
Gewachsenes Vertrauen
Am Dienstag wird die Bundeskanzlerin Hollande im Kanzleramt mit militärischen Ehren und anschließend zu einem Vieraugengespräch empfangen, bevor die beiden gemeinsam an der Plenarsitzung der Kabinette teilnehmen. Die Tragödie des offenbar willentlich vom Piloten herbeigeführten Flugzeugabsturzes dürfte dabei erneut zur Sprache kommen.
Das gewachsene Vertrauen zwischen Merkel und Hollande war bereits nach den Anschlägen auf das Pariser Satiremagazin "Charlie Hebdo" im Januar sichtbar geworden: Da hatte die sonst so zurückhaltende Bundeskanzlerin sich kurz an Hollandes gelehnt, um ihre Anteilnahme auszudrücken und Trost zu spenden.
"Ihr Verhältnis ist viel besser geworden, auch durch gemeinsame schwere Momente", sagt Professor Frank Baasner, Leiter des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg. Beide seien überdies ähnliche Politikertypen: sehr vorsichtig und auf Konsens bedacht.
Verhandeln bis tief in die Nacht
Doch nicht nur Ausnahmesituationen, sondern auch gemeinsame politische Initiativen schweißen die beiden Politiker zusammen: In Minsk verhandelten Merkel und Hollande mit den Präsidenten Russlands und der Ukraine bis tief in die Nacht über die Umsetzung des Friedensabkommens für die Ostukraine.
Nach Baasners Einschätzung ist es ein "guter Reflex" von Merkel, Frankreich dabei einzubinden. "Den Franzosen gibt das das Gefühl, dass sie ein unverzichtbarer Partner in Europa sind, was sie auch sind."
Trotz der viel beschworenen engen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich, die gerne als "Tandem", "Achse Berlin-Paris" oder "Motor der EU" bezeichnet werden, treten aber auch Differenzen offen zutage, vor allem in der Wirtschaftspolitik.
Aus französischer Sicht exportiert Deutschland zu viel und schadet damit den Nachbarländern. Aus deutscher Perspektive bekommt die französische Regierung ihre Wirtschaftkrise und die hohe Staatsverschuldung nicht in den Griff und setzt Reformen nicht konsequent genug um.
Differenzen in der Wirtschaftspolitik
So mahnte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) vor der gemeinsamen Kabinettssitzung, die französische Regierung müsse Zweifel an ihrem Reformkurs ausräumen. Dass Frankreich von der EU-Kommission einen weiteren Aufschub bis 2017 bekommen hat, um das Drei-Prozent-Ziel bei der Neuverschuldung zu erreichen, bedeute einen "großen europäischen Vertrauensvorschuss", so BDI-Chef Ulrich Grillo.
Grillo betonte aber auch, dass Deutschland und Frankreich in der Griechenlandfrage und in der Ukraine-Politik an einem Strang zögen. "Das deutsch-französische Tandem funktioniert." Davon zeugt auch die enge Abstimmung in den gemeinsamen Kabinettssitzungen, die seit 2003 zumeist halbjährlich abgehalten werden und sich in eine lange Tradition einreihen: Deutsch-französische Regierungskonsultationen gibt es bereits seit 1963.