Deutsch-indische Charmeoffensive
30. Mai 2017Nach den kritischen Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu den transatlantischen Beziehungen war der Besuch von Indiens Premierminister Narendra Modi (Artikelbild) in Berlin mit Spannung erwartet worden. Würde sich Deutschland angesichts der Schwierigkeiten mit der Administration von US-Präsident Donald Trump nun verstärkt anderen Partnern zuwenden? So eindeutig lässt sich das nach den deutsch-indischen Regierungskonsultationen nicht beantworten. Aber den Ruf nach mehr europäischer Eigenständigkeit wiederholte Merkel.
"Überragende Bedeutung" transatlantischer Beziehungen
"Europa muss ein Akteur sein, der sich auch einmischt international", sagte die Bundeskanzlerin. Sie warb etwa für eine bessere gemeinsame Außenpolitik der europäischen Staaten. Auch in der Migrationspolitik müsse man besser werden. Dennoch seien die transatlantischen Beziehungen weiter von "überragender Bedeutung". Differenzen in einzelnen Fragen dürften darüber nicht hinwegtäuschen.
Deutschland arbeite schon seit vielen Jahren auch mit vielen anderen Ländern wie Indien und China zusammen. "Das ist von überragender Bedeutung und in keiner Weise gegen irgendwelche anderen Beziehungen gerichtet und schon gar nicht gegen transatlantische Beziehungen, die historisch für uns von großer Wichtigkeit sind und auch bleiben werden", sagte Merkel.
Modi fordert Einhaltung von Regeln
Indiens Premierminister Modi rief die Welt zum gemeinsamen Handeln auf. "Wir sind alle miteinander verbunden", sagte er. "Demokratie und Vielfalt - das sind die Pfeiler, auf denen eine regelbasierte Weltordnung wirklich beruht. (...) Es ist wichtig, dass wir diese Regeln auch wirklich einhalten. Nur dann kann die Welt wirklich in die Zukunft schreiten." Indien glaube an die Einheit Europas und wolle ein starkes Europa.
Milliardenschwerer Entwicklungsetat
Bei den vierten Regierungskonsultationen beider Länder ging es um eine engere Zusammenarbeit in mehreren Bereichen. So wurde im Beisein von Merkel und Modi ein Entwicklungsetat vereinbart. "Wir geben in jedem Jahr eine Milliarde Euro", sagte Merkel. Dabei gehe es um Themen wie Smart Cities, erneuerbare Energien und Solarindustrie. Merkel betonte zugleich, dass Deutschland Indien bei der Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens unterstützen wolle. "Indien setzt das Abkommen intensiv um", sagte Merkel. Das Land mit mehr als einer Milliarde Einwohner befinde sich aber in einer anderen Entwicklungsphase als Deutschland. "Indien ist eine Demokratie und Indien setzt darauf, dass die Welt nicht nur vernetzt ist, sondern vernünftig gestaltet wird."
Modi betonte, Indien wolle sich "gemäß globaler Standards" weiter entwickeln. Im Mittelpunkt steht die Zukunft von 800 Millionen Jugendlichen auf dem Subkontinent. "Wir brauchen Berufsbildung für diese Jugendlichen", sagte Modi. Als besondere Herausforderung nannte er unter anderem die Cybersicherheit. "Man muss da in Echtzeit reagieren können." Von Deutschland erhoffe sich Indien zudem Unterstützung bei der Entwicklung der zivilen Luftfahrt.
Freihandelsabkommen weiter verhandeln
Im Beisein des indischen Regierungschefs Narendra Modi drängte Kanzlerin Merkel darauf, die in einer Sackgasse steckenden Verhandlungen über ein EU-indisches Freihandelsabkommen wieder zu beleben. Derzeit sehe man in der Welt viele protektionistische Tendenzen, sagte sie auf einem deutsch-indischen Wirtschaftsforum. Deutschland wolle aber einen offenen und fairen Welthandel. "Deshalb legen wir Wert darauf, dass wir bei den EU-indischen Freihandelsabkommen vorankommen." Merkel kündigte an, Deutschland werde sich hier massiv einsetzen, um diesen Prozess zu forcieren.
Die Kanzlerin und Modi äußerten beiden den Willen und die Bereitschaft, die deutsch-indischen Beziehungen intensiver zu gestalten. Wenn deutsche Firmen an der Modernisierung des indischen Schienenverkehrs beteiligt würden, hätte das sicher eine symbolische Bedeutung für den Willen zu einer engeren Zusammenarbeit, sagte sie.
wo/hb/hk (dpa, rtr)