Deutsche Bank: Aufbruchstimmung trotz Milliardenverlust?
30. Januar 2020Wer ein Haus oder eine Wohnung sein Eigen nennen kann, der kennt das: Will man umbauen oder modernisieren, dann kostet das viel Geld. Will man aber gleich eine ganze Bank umbauen, Deutschlands größte noch dazu, dann wird es richtig teuer. Die Deutsche Bank kann davon ein Lied singen. Seit Jahren nun schon kommen und gehen Vorstandschefs, seit Jahren versucht man den Umbau, will die Altlasten der Vergangenheit abschütteln, aufräumen, neu ausrichten. Leute loswerden, modernisieren, digitaler werden.
Dass die Jahresbilanz für 2019 düster ausfallen würde, war schon länger klar, bereits nach drei Quartalen stand die Bank schon mit über vier Milliarden in den Miesen. Am Ende des Geschäftsjahres klafft nun ein Loch von 5,3 Milliarden Euro in der Bilanz. Rechnet man Zinszahlungen für sogenannte Nachranganleihen hinzu, summiert sich das auf 5,7 Milliarden. Aus diesen dramatischen Zahlen nun gute Nachrichten zu machen, das ist der Job von Christian Sewing. Der 49jährige ist seit bald zwei Jahren Chef der Deutschen Bank. Er bemühte sich bei der Vorlage der Jahresbilanz redlich um Optimismus: Das Schlimmste habe man hinter sich, man komme beim Umbau voran. "Wenn wir weiter so konsequent, diszipliniert und engagiert voranschreiten wie in den vergangenen sechs Monaten, dann blicke ich sehr zuversichtlich auf 2020 - und darüber hinaus", schrieb Sewing in einem Brief an die Mitarbeiter der Bank.
"Umschalten auf Angriff"
Die werden das mit gemischten Gefühlen gelesen haben, denn gerade an der Kostenseite muss die Bank massiv weiter arbeiten: Von über 10.000 Mitarbeitern, die eine Vollzeitstelle hatten, hat sich die Bank in den letzten Monaten getrennt, derzeit stehen noch rund 87.000 Menschen bei der Bank in Lohn und Brot. Weitere 8000 Stellen sollen noch gestrichen werden. Aber die Entlassungen sind Teil eines teuren Restrukturierungsprozesses - die Kosten, unter anderem für Abfindungen - hat die Bank mit rund sieben Milliarden Euro veranschlagt. Rund 70 Prozent davon, so Sewing, seien mittlerweile in den Ergebnissen verbucht - das erkläre einen allergrößten Teil des Milliardenverlustes.
Daher will Sewing, der fast sein ganzes Berufsleben bei der Deutschen Bank verbracht hat, nun auf Angriff umschalten: Der Fokus verschiebe sich von Restrukturierung auf Wachstum: "Wir wollen unsere Marktposition nicht mehr nur verteidigen. Wir wollen sie wieder ausbauen, wir greifen an - und das nachhaltig." Aber, so schob er nach, nicht mehr auf allen Feldern, sondern nur noch dort, wo man "relevant und führend" sei. Das ist der Kern der Neuausrichtung der Bank, den Sewing im vergangenen Juli auf den Weg gebracht hatte. Auf das risikoreiche Investmentbanking - es hatte der Bank in der Vergangenheit milliardenschwere Strafen eingebrockt - will man weitgehend verzichten. Stattdessen will man eine Bank für Unternehmen sein - vom Großkonzern über Familienunternehmen bis hin zum Mittelständler. Auch Privatkunden sind wieder gefragt, vor allem solche, die möglichst viele Millionen bei den Frankfurtern anlegen wollen.
Die "bereinigten" Zahlen
Interessant zu sehen war das Bemühen der Deutsche-Bank-Spitze, angesichts des neuerlichen Milliardenverlustes zu erklären, dass man trotzdem beim Umbau vorankommt. Sehr oft war von "bereinigt um Sondereffekte" die Rede, auch als es um die Kosten ging, die mit 21 Milliarden noch immer sehr hoch sind, trotz aller "Bereinigung". Unbereinigt sind es sogar 25 Milliarden. Auch habe die sogenannte Kernbank einen Vorsteuergewinn von 543 Millionen Euro eingefahren. Und bereinigt, so bemühte sich Finanzvorstand James von Moltke zu erklären, hätte die Kernbank sogar 2,8 Milliarden Euro vor Steuern verdient. Hätte. Hat sie aber nicht.
Dazu muss man wissen, dass die Deutsche Bank ja im Moment sozusagen aus zwei Banken besteht. Die eine, die sie Kernbank nennen, führt die Geschäfte weiter, wo man sich künftig Erträge und Gewinne erhofft. Die andere heißt Capital Release Unit oder auch Abbaueinheit, man könnte auch Bad Bank dazu sagen. Dorthin wird all das ausgelagert, was man nicht mehr haben will und irgendwie loswerden muss - und sei es dadurch, dass man es abschreibt. Ergebnis: Siehe oben - 5,7 Milliarden Verlust. Und mit Verlusten kennt man sich aus bei der Deutschen Bank: Seit 2015 geht das so, und da ist mittlerweile ein gigantischer Berg zusammengekommen - stolze 16 Milliarden Euro.
Meilenweit hinter der US-Konkurrenz
Besonders schlimm sind dann immer die Tage, an denen die US-Konkurrenten - mit denen man sich einst messen wollte - ihre Zahlen veröffentlichen, so wie vor zwei Wochen, als die vier Top-Banken JP Morgan, Citi, Bank of America und Goldman Sachs einen Gesamtgewinn von 91 Milliarden Dollar präsentierten. Da hilft für die Deutsche Bank nur hoffen und glauben, irgendwann auch mal wieder einen Gewinn zu machen. Ob das schon in diesem Jahr etwas wird - immerhin das Jubiläumsjahr der Bank, die 1870 - also vor 150 Jahren - gegründet worden war?
James von Moltke, der Mann der Zahlen, hatte dazu schon auf einem Investorentag im vergangenen Oktober gesagt, er erwarte "ein ausgeglichenes Ergebnis oder sogar etwas darüber". Daran hielt er auch heute fest, es gebe keinen neuen Stand. So muss also der Optimismus weiterhelfen, und die "um Sondereffekte bereinigten" Zahlen. Und ein Blick auf den Aktienkurs vielleicht auch. Der übersprang noch während der Pressekonferenz nach langer Zeit mal wieder die Acht-Euro-Marke und hat überhaupt seit Jahresanfang um 15 Prozent zugelegt. Schaut man allerdings auf die vergangenen fünf Jahre, beträgt das Minus rund 66 Prozent.
So nah liegen Freud und Leid bei Deutschlands größter Bank derzeit beieinander.