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Los Angeles vs Deutsche Bank

Max Pringle, Kalifornien / DUK21. Mai 2013

In Los Angeles steht die Deutsche Bank vor Gericht: Sie muss sich für zahlreiche Zwangsversteigerungen und -räumungen verantworten. Außerdem sei sie mitschuldig am Zerfall amerikanischer Städte.

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Die Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt am Main (Foto: dpa - Bildfunk)
Deutsche Bank GebäudeBild: picture alliance / dpa

In der kalifornischen Metropole Los Angeles kommt es zu einem Gerichtsverfahren, das einen Satz des englischen Historikers Lord John Acton zu bestätigen scheint: "Das Problem, das uns seit Jahrhunderten verfolgt, läuft auf den Prozess des Volkes gegen die Banken heraus." Bemerkenswert daran ist, dass dieser Satz aus dem Neunzehnten Jahrhundert stammt und dass der Prozess heute in Kalifornien stattfindet: Dort klagt die Stadt Los Angeles gegen einen führenden Besitzer zwangsversteigerter Häuser, gegen die Deutsche Bank.

Schuld am Zerfall?

Ein Richter in Los Angeles hat eine Klage der Stadt gegen die Deutsche Bank zugelassen. Dem Geldinstitut wird vorgeworfen, dass es Häuser, dessen Besitzer die Hypothekenzinsen nicht mehr bedienen konnten und die deshalb ausziehen mussten, absichtlich hat verfallen lassen. Das habe zum Verfall ganzer Stadtteile beigetragen. Die Klage, die in den USA "Slumlord-Suit", zu deutsch etwa: Prozess gegen Immobilienspekulanten, genannt wird, umfasst auch den Vorwurf, die Bank hätte bei einkommensschwachen Haushalten in Hunderten Fällen rechtswidrig Zwangsräumungen durchgesetzt.

Richter Elihu Berle am Los Angeles Superior Court wies einen Antrag der Deutschen Bank zurück, eine Verordnung der Stadt aus dem Jahr 2011 zu verwerfen: Sie hatte die Bank verpflichtet, für einen angemessenen Unterhalt ihrer Immobilien zu sorgen.

US-Immobilien - droht neue Blase?

Die aktuelle Klage ist für die Deutsche Bank nicht die erste: 2011 war sie verklagt worden, weil sie durch die Vergabe von 40.000 zweifelhaften Immobilienkrediten über Jahre hinweg maßgeblich zur Entstehung der internationalen Finanzkrise beigetragen habe. Ihr war vorgeworfen worden, die Pflicht zur Bonitätsprüfungen der Kreditnehmer "krass missachtet" zu haben. Es habe sie nicht interessiert, ob die Kreditnehmer das geliehene Geld überhaupt würden zurückzahlen können.

Staatsanwältin Carmen Trutanich sagte, die Entscheidung des Gerichts erlaube nun, "die Deutsche Bank vor Gericht zu bringen. Sie muss für ihre nicht zu tolerierenden Geschäftsgebaren verantwortlich gemacht werden, die zur Verschandelung (der Vorstädte) führen".

Bank will sich "energisch wehren"

Die Deutsche Bank leugnet jede Verantwortung für den Verfall der 166 Häuser, die in der Klage aufgeführt sind. Sie habe, so die Bank, die Verwaltung für diese Immobilien verschiedenen "Service-Unternehmen" überlassen. Diese seien für den Zustand der Häuser und Grundstücke verantwortlich.

Zwangsversteigertes Haus in Kalifornien Copyright: Max Pringle
Zwangsversteigertes Haus in KalifornienBild: Max Pringle

In einer Stellungnahme der Deutschen Bank heißt es: "Das Gericht hat nicht definiert, worin die Verantwortung der Deutschen Bank liegen soll. Wir sind von der Entscheidung des Gerichts, die Klage zuzulassen, enttäuscht und glauben, dass die Staatsanwaltschaft die falsche Partei beschuldigt. Wir wehren uns energisch gegen ihre Vorwürfe."

Einem Immobilien-Gutachten aus dem vergangenen Jahr zufolge verfällt rund die Hälfte jener 400 Häuser, die der Bank im Süden von Los Angeles gehören. In dieser Region stehen besonders viele zwangsversteigerte Häuser leer.

Die Banker: Gierig und undankbar

Bürgerrechtler erinnern daran, dass die Bankindustrie, die 2008 vor dem Zusammenbruch stand, vom amerikanischen Steuerzahler mit rund 700 Milliarden US-Dollar vor dem Kollaps bewahrt worden ist. Die Banken, so die Bürgerrechtler, hätten den Steuerzahlern mit Zwangsversteigerungen, Räumungen und zerfallenden Gemeinschaften gedankt. Gleichzeitig hätten sie ihre Manager mit hohen Gehältern und überzogenen Bonuszahlungen geradezu überschüttet.

Die Zwangsversteigerungskrise hat Kalifornien am heftigsten getroffen: Jedes achte der insgesamt 16 Millionen Häuser, die in den USA zwangsversteigert werden sollen, steht in Kalifornien. Den Löwenanteil daran hat die Metropolregion Los Angeles, dort betrifft es rund 200.000 Häuser.

Die Immobilien-Krise in Kalifornien. Northern California neighborhood which has been impacted by the foreclosure crisis. Copyright: Max Pringle, DW
Die Immobilien-Krise in Kalifornien trifft vieleBild: DW/Max Pringle

2500 Dollar für jedes kaputte Haus

Die Stadt wirft der Deutschen Bank vor, an der Spitze einer Gruppe von Kreditgebern zu stehen, die sich wie "auswärtige Immobilienhaie" benähmen. Dabei hätten sie kommunale Gesetze ebenso gebrochen wie Gesetze des Bundesstaates Kalifornien und der Regierung in Washington. Diese verpflichten Immobilienbesitzer, ihr Eigentum zu unterhalten, Mindeststandards bei den Wohnbedingungen zu erfüllen und ihre Häuser nicht verfallen zu lassen.

In ihrer Klage führt die Stadt an, die Deutsche Bank habe während der Kreditschmelzen der Jahre 2007 und 2008 mehr als 2200 Immobilien übernommen. Sie beklagt, dass die Bank nichts zum Erhalt jener Häuser unternommen hätte, die wegen bevorstehender Zwangsversteigerungen bereits unbewohnt waren. Noch bewohnte oder vermietete Häuser seien gesetzeswidrig zwangsgeräumt und verkauft worden.

Vertreter der Stadt geben an, die Deutsche Bank über Jahre hinweg mehrfach aufgefordert zu haben, die leerstehenden Häuser instand zu halten, Gesundheitsstandards sowie Sicherheitsvorgaben zu beachten und Mieterrechte nicht zu verletzen. Diese Forderungen seien ignoriert worden.

Auf Druck durch die Bevölkerung hat die Stadt Los Angeles eine sogenannte Blight-Ordinance verabschiedet. Sie verpflichtet Banken zur Zahlung von 2500 US-Dollar für jeden Tag, an dem sie ein Haus in ihrem Besitz nicht instand hält.

Die meisten der Immobilien im Besitz der Deutschen Bank liegen in den Gebieten von Süd-Los-Angeles und im Nordosten des San Fernando Valley, in denen vornehmlich einkommensschwache Haushalte leben. Nach Angaben der Stadt führen die vernachlässigten Immobilien zu Wertverlusten der Nachbarhäuser und zu einem Anstieg der Kriminalität. Die verfallenden Häuser würden die ohnehin schon stark beanspruchten öffentlichen Dienste überfordern.

"Right to Rent"

Die Bürgerrechtsgruppe "Alliance of Californians for Community Empowerment" (Allianz zur Stärkung der Gemeinden) hat im vergangenen Jahr geschätzt, dass die Zwangsversteigerungskrise die Hausbesitzer im County Los Angeles fast 80 Milliarden US-Dollar gekostet habe - um so viel sei der Wert ihres Grundbesitzes zwischen 2008 und 2012 gesunken. Außerdem habe die Gemeinde im gleichen Zeitraum ungefähr 480 Millionen US-Dollar weniger an Grundsteuer eingenommen.

Beobachter halten den Versuch der Stadt, die Banken zur Verantwortung zu ziehen, für lobenswert, weisen aber darauf hin, dass es nicht ausreichen wird, den Trend umzukehren, nachdem die Zwangsversteigerungen zu einem Verfall ganzer Stadtteile führt.

Sie verweisen auf ein Pilotprojekt in Irland unter dem Namen "Right to Rent", das ein Weg aus der Notlage sein könnte. Das Projekt sieht vor, einigen 10.000 irischen Hausbesitzern, deren Häuser vor der Zwangsversteigerung stehen, das Recht einzuräumen, in ihren Häusern zunächst weiter wohnen zu dürfen - zu orts- und marktüblichen Mietkonditionen. Dies hat dann Vorrang vor dem Recht der Banken, Zwangsräumungen durchzuführen. Ein entsprechendes Programm in den USA beträfe rund 700.000 Haushalte, die vor einer Zwangsversteigerung ihres Grundbesitzes stehen.

"Wir sind hinter Euch her!"

Ein solcher Weg wird auch im US-Kongress diskutiert. Der Demokrat Raùl Grijalva aus Arizona hat eine "Right to Rent"-Initiative bereits zweimal, 2009 und 2011, unterstützt. Es scheiterte jedes Mal am Widerstand der Republikaner in den Finanzausschüssen.

Der Ökonom Dean Baker, Co-Direktor der in Washington ansässigen Denkfabrik 'Center for Economics and Policy Research', hat einen solchen Plan bereits zu Beginn der Finanzkrise 2007 entwickelt. "Den kann der Kongress noch immer verabschieden und Hunderttausende von Hausbesitzern, denen eine Zwangsversteigerung droht, würden davon profitieren. Außerdem würde das kein Steuergeld kosten", sagt Baker.

Er erklärt, dass zwangsversteigerte Häuser nicht leer stünden und unterhalten werden könnten. Dadurch vermiede man einen Verfall vieler Vorstädte und erspare den Bewohnern unnötige Belastungen. Baker: "Wenn man Banken nicht erlaubt, die Leute einfach so auf die Straße zu setzen, würde ihnen das Instrument der Zwangsversteigerung auch nicht mehr so attraktiv erscheinen."

Unterdessen haben Vertreter der Stadt Los Angeles erklärt, sie würden die Deutsche Bank und andere Kreditgeber weiter "grillen". Stadtrat Eric Garcetti: "Wir senden den Banken eine klare Botschaft: Wenn Ihr Euern Besitz vernachlässigt und ganze Stadtteile gefährdet, wenn Ihr ganze Familien rechtswidrig vertreibt und auf die Straße setzt: Dann sind wir hinter Euch her!"