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Deutsche Bergbau-Technologie ist gefragt

Klaus Deuse12. Februar 2013

Hersteller aus aller Welt bringen ihre Seile zur Zerreißprobe nach Deutschland. Die Seilprüfstelle in Bochum untersucht Seile für Brücken, Ölbohrinseln oder auch für das Londoner Riesenrad auf ihre Belastbarkeit.

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Förderturm der Zeche Zollern in Dortmund bei Sonnenuntergang (Foto: dpa)
Förderturm der Zeche Zollern in Dortmund bei SonnenuntergangBild: picture-alliance/dpa

Der deutsche Steinkohlenbergbau steuert auf sein Ende zu. 2018 werden die letzten Zechen stillgelegt. Doch das herausragende technische Know-how  aus dem Bergbau ist und bleibt gefragt - weltweit. So gilt im  Bereich der Sicherheit  die Seilprüfstelle der Deutschen Montantechnologie (DMT) mit Sitz in Bochum als erste Adresse. Firmen aus aller Welt lassen hier die Belastbarkeit ihrer Seile vor der Auslieferung an  Bergwerke in China, Goldgruben in Südafrika oder für den Einsatz auf Offshore-Plattformen in der Nordsee testen.

Wurzeln liegen im Bergbau

Das Sicherheitsinstitut blickt auf eine über hundertjährige Geschichte zurück, es wurde 1903 gegründet. Seine Aufgabe, sagt Friedrich Dürrer, der Leiter des Prüflabors in Bochum, bestand darin, Förderseile auf ihre Stabilität und Belastbarkeit zu untersuchen. Denn zu jener Zeit kam es durch gerissene Seile auf den Schachtanlagen immer wieder zu schweren Unfällen. Die gewonnenen Forschungsergebnisse förderten entscheidend die Sicherheit der Bergleute auf ihrem Weg "unter Tage".

Seilprüfung am Wembley-Stadion (Foto: DMT)
Die Technik, die für den Bergbau entwickelt wurde, wird auch in schwindelerregenden Höhen gebraucht: Ultraschalluntersuchung auf dem Dach des Londoner Wembley-StadionBild: DMT

"Das Know-how, das für die Förderseile entwickelt wurde", merkt Friedrich Dürrer rückblickend an, "ist dann auf andere Bereiche übertragen worden". Seile müssen enorme Lasten tragen. Zum Beispiel beim Brückenbau, bei Seilbahnen oder bei Aufzügen in Wolkenkratzern. Die Experten der Seilprüfstelle führen nicht nur Belastungstests in Bochum durch, sondern untersuchen mit selbstentwickelten Ultraschall- und Magnetgeräten auch Seile in aller Welt jeweils an Ort und Stelle.

2000 Tonnen schwere Zerreißprobe

Seile bestehen aus geflochtenen oder ineinander verdrehten Metallsträngen. Die Teststücke sind knapp sechs Meter lang und wiegen bis zu zwei Tonnen. Um zu ermitteln, bis zu welcher Belastungsgrenze diese Seile halten, werden sie im Prüflabor in Bochum in eine mächtige Zugmaschine eingespannt. Diese Apparatur zerrt mit einer Kraft von bis zu 2000 Tonnen an den Enden der fest verankerten Probestücke - bis das Seil  mit einem Ohren betäubenden Knall reißt.

Diese Testläufe beobachten die Ingenieure und Prüftechniker in einem kleinen Bunkerstand, der Schutz vor herumfliegenden Metallteilen bietet. Ein Computer zeichnet auf, wie sich der Zustand des Seils bei zunehmender Belastung verändert. Je nach Stärke des Seils kann ein solcher Zugversuch bis zu 30 Minuten dauern. Manche Untersuchungen dauerten allerdings auch erheblich länger, sagt Friedrich Dürrer. Und zwar, wenn spezielle Kennwerte des Seils wie etwa die Dauerfestigkeit ermittelt werden sollen. Solche Prüfvorgänge können sich bis zu elf Tage hinziehen.

Zerstörtes Seil (Foto: DMT)
Ein Seil, das der immer stärker werdenden Belastung nicht mehr standhalten konnteBild: DMT

Begehrter Prüfstempel

Zu den Kunden gehören große Hersteller aus England, Frankreich, Italien und Norwegen. Im Terminplan der Seilprüfstelle findet sich kaum eine Lücke. Pro Woche unterziehen Friedrich Dürrer und sein Team fünf Seile dieser brachialen  Zerreißprobe. Denn erst mit dem erteilten Prüfstempel der DMT-Seilprüfstelle können die Seile an ihrem vorgesehenen Bestimmungsort auch eingesetzt werden.

Mit den Prüfaufträgen erzielt die Seilprüfstelle einen jährlichen Umsatz von rund fünf Millionen Euro. Viele der auf die Zerreißprobe gestellten Seile sind armdick und besitzen einen größeren Durchmesser als der Bizeps von Arnold Schwarzenegger zu dessen besten Bodybuilder-Zeiten. Aber sie müssen auch für enorme Lasten ausgelegt sein. So wie die Seile für das mächtige Riesenrad "London-Eye", die im Bochumer Labor auf den Prüfstand kamen. Ebenso wie die des "Singapore-Flyers", eines  noch größeren Riesenrads. Die Liste der Aufträge ist lang: Sie reicht von großen Autobahnbrücken über die Arenen der Fußballeuropameisterschaft in Polen und der Ukraine bis hin zum Olympiastadion in London.

Geprüft wird rund um den Globus

Die Experten der Seilprüfstelle sind rund um den Globus unterwegs. In China und Finnland beispielsweise überprüfen sie regelmäßig Bergbau-Förderanlagen. Im gesetzlichen Bereich, betont Friedrich Dürrer, sei man schließlich als Fachstelle für Sicherheit anerkannt und somit zuständig für "die ganzen sicherheitstechnischen  Einrichtungen auf Bergwerken. Und dieses Know-how kann natürlich aus Deutschland auf andere Länder übertragen werden."

Ultraschallprüfung am Dach des Flughafens in Dschidda (Foto: DMT)
Wer die Seile auf dem Flughafen im saudi-arabischen Dschidda prüft, sollte schon schwindelfrei seinBild: DMT

Die international gefragte Kompetenz der deutschen Seilprüfer endet übrigens  nicht an der Tür des Prüflabors in Bochum. Brückenseile in Argentinien, Zugseile auf  Flughäfen in Saudi-Arabien oder auf Offshore-Plattformen in der Nordsee werden an Ort und Stelle einer Prüfung auf ihre Stabilität unterzogen. Mit Hilfe von sogenannten Seltenen-Erden-Magneten ist es möglich, von außen sozusagen in ein Seil hineinzuschauen. Auch wenn der Steinkohlenbergbau in Deutschland keine Zukunft mehr hat: Das in langen Jahrzehnten erworbene technische Know-how zahlt sich heute weltweit aus.