Umstrittenes Staudammprojekt
2. Juli 2015An diesem Donnerstag reist Panamas Präsident Juan Carlos Varela zu Gesprächen mit Vertretern der indiginenen Gemeinde der Ngöbe-Bugle in die Provinz Chiriquim im Westen des Landes. Nach heftigen Protesten hatte die Regierung im Februar einen vorläufigen Bausstopp für den Staudamm verhängt. Nach Festigstellung soll das Wasserkraftwerk rund 28,5 MW soll Energie produzieren. Laut des Betreibers Genisa ersetzt das den Import von 180.000 Barrels Öl im Jahr.
Doch die Gemeinde der Ngöbe-Bugle, die größte indigene Gruppe des Landes, fürchtet um ihre Existenz. Durch den Damm entsteht ein Stausee, der den Verlauf des Flusses Tabasará verändern wird. Er wird knapp sieben Hektar Land der hier lebenden Ngöbe-Bugle Gemeinde überfluten. Darunter ihre Felder, sechs Häuser, eine spirituelle Stätte und eine Schule.
„Wenn ich daran denke, dass sie den Fluss stauen und dass all das hier untergeht, dann kann ich nicht mehr schlafen“, sagte eine Bewohnerin am Tabasará Fluss kürzlich einen deutschen Fernsehsender.
Die Proteste des Ngöbe-Bugle Volkes in Panama finden inzwischen auch im fernen Deutschland Beachtung. Der Grund: Das Staudamm-Projekt wird von der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft DEG, eine Tochtergesellschaft der staatlichen Förderbank KfW, mitfinanziert.
Beteiligung der deutschen Entwicklungsbank
Die DEG hat 25 Millionen US-Dollar als Darlehen in das Projekt des privaten Betreibers und Hauptinvestors Genisa aus Panama investiert. Auch die niederländischen Entwicklungsbank FMO beteiligt sich. Wie teuer das Projekt insgesamt ist, ist unklar. Während Genisa das Projekt auf 130 Millionen US-Dollar beziffert, gehen NGOs von mindestens 200 Millionen US-Dollar aus.
Das Wasserkraftwerk-Projekt ist unter dem Clean Development Mechanism (CDM), Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung, der UN-Klimarahmenkonvention registriert. So können sich Industriestaaten an treibhausgasreduzierenden Projekten in Entwicklungsländern beteiligen und sich die CO2 Einsparung gutschreiben lassen.
Doch immer wieder begleiteten Proteste den Bau. "Die Indigene Bevölkerung sagt, dass es sich um Gemeinschaftsland handelt, und es geht unter anderem darum, dass da, wo überflutet werden soll, eine Schule steht und da sind zum Teil spirituelle Stätten", berichtet Regine Richter von der deutschen Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald im Interview mit der Deutschen Welle.
Urgewald beobachtet seit Jahren das Projekt und arbeitet mit lokalen NGO's zusammen, um die Indigene Bevölkerung über ihre Rechte aufzuklären. Hauptkritikpunkt ist, dass die betroffenen Gemeinden nicht von Anfang an mit einbezogen wurden. Das sei auch eine ausdrückliche Empfehlung der „Weltkommission für Staudämme“, die im Auftrag der Weltbank und IUCN (World Conservation Union) im Jahr 2000 einen Bericht zu den Vor- und Nachteilen der Staudämme veröffentlichte.
"Man muss im Prinzip ganz, ganz früh die Leute einbeziehen, die davon betroffen sein werden, und man muss auch sehen: Wie können die Menschen tatsächlich davon profitieren", sagt Regine Richter. Das sei alles bei dem Barro Blanco Staudamm nicht passiert.
Beschwerdeverfahren bei der DEG
Ganz so einfach stelle sich die Sache jedoch nicht dar, betont Martin Geiger, Leiter der Abteilung Nachhaltigkeit bei der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft, DEG. Schließlich sei es die damalige Regierung Panamas gewesen, die den Auftrag an das heimische Unternehmen Genisa (Generadora del Istmo S.A) vergeben habe:
"Im Vorfeld kann und sollte man davon ausgehen, dass auch die Regierung ihre Hausaufgaben gemacht und genau geprüft hat, bevor sie den Standort festlegt", so Martin Geiger von der DEG im DW-Interview.
Als die deutsche Entwicklungsbank in das Projekt einstieg, "gab es ja 2009 das unterschriebene Dokument von der Comarca, also von der indigenen Gemeinde", erzählt der DEG-Experte. "Wir gingen deshalb davon aus, dass die indigene Gemeinde dem Vorhaben zustimmt und alle ihre Mitglieder hinter sich hätte".
Unklare Zuständigkeiten
Auch die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald weiß um die Zustimmung des Lokalparlaments. Sie wirft der DEG und auch der niederländischen Entwicklungsbank FMO jedoch vor, dem nicht nachgegangen zu sein. Im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass die lokale Bevölkerung nicht hinreichend an der Entscheidung über den für sie existenzbedrohenden Prozess beteiligt wurde.
"Das ist ehrlich gesagt ein ziemlich sicheres Rezept dafür, dass es knallt und dass es Ärger gibt", sagt Regine Richter.
Inzwischen hat die DEG gemeinsam mit dem niederländischen Partner FMO ein Beschwerdepanel eingerichtet. Drei unabhängige Experten, unter anderen auch vom Deutschen Institut für Menschenrechte, haben die Vorwürfe im Zusammenhang mit Barro Blanco geprüft. Der Bericht liegt seit kurzem vor. Die DEG und die niederländische Entwicklungsbank FMO räumen ein, dass sie im Vorfeld mehr hätten tun können, um sicherzustellen, dass die vom Bau betroffene Bevölkerung umfassend gehört wird.
Präsident schaltet sich ein
“Wenn wir heute jetzt ein Vorhaben prüfen, in dem wir es mit indigenen Gruppen zu tun haben, würden wir eine noch tiefere Prüfung durchführen“, sagt DEG-Experte Martin Geiger.
Mit dem Besuch von Präsident Juan Carlos Varela in der Region könnte jetzt Bewegubng in des festgefahrenen Konflikt kommen. Der Barro Blanco-Damm ist zu 95 % fertiggestellt. Sollte eine Einigung mit den lokalen Gemeinden zu Stande kommen, könnte das Wasserkraftwerk umweltfreundlichen Strom für bis zu 70.000 Menschen liefern, so die DEG. Der Strom wird ins nationale Netz gespeist und wird Teil der nationalen Stromversorgung Panamas. Die Ngöbe-Bugle werden vorerst nicht an das Stromnetz angebunden.