Deutsche Experten sollen Verschüttete suchen
5. August 2020Die furchtbaren Explosionen im Libanon: Am Mittwoch beschäftigen sie auch die deutschen Zeitungen. "Explosions-Inferno in Beirut" titelt Deutschlands größte Boulevard-Zeitung "Bild". Und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) schreibt: "Eine Stadt steht unter Schock!" Die Zerstörungen bedeuteten einen weiteren Rückschlag für das ohnehin geschwächte Land, schreibt das Blatt weiter.
Tief getroffen zeigte sich auch die Bundesregierung. Anstelle von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die im Urlaub ist, äußerte sich ihre Sprecherin Ulrike Demmer am späten Vormittag in Berlin: "Unsere Trauer und unsere Gedanken sind bei den Angehörigen, die Menschen verloren haben. Wir wünschen den Verletzten schnelle Genesung. Die Bundesregierung hat dem Libanon Unterstützung angeboten." Schon am Dienstag Abend hatte auch Außenminister Maas seine Bestürzung zum Ausdruck gebracht.
Deutsche Experten bald schon auf dem Weg nach Beirut
Am Mittwoch dann berichtete der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Christofer Burger, dass ein Krisenstab der Regierung schon am frühen Vormittag über die Lage in Beirut beraten habe. Mit dabei waren Vertreter verschiedener Ministerien, von Hilfsorganisationen, auch des Roten Kreuzes.
Noch im Laufe des Tages sollen rund 50 Experten des "Technischen Hilfswerkes" (THW) nach Beirut entsandt werden.Ihre Aufgaben: Helfen beim Aufsuchen von Verschütteten. Weitere Experten sollen das deutschen Botschaftsgebäude sichern, das offenbar so stark beschädigt worden ist, dass jetzt die Statik überprüft werden muss. Wie Burger mitteilte besitzt Deutschland in Beirut noch ein weiteres Gebäude, das jetzt mitgenutzt werden soll.
Über die konkrete Anzahl von verletzten deutschen Staatsbürgern konnte und wollte Burger keine Angaben machen. Nur soviel: "Wir haben einige wenige Hinweise auf verletzte Deutsche und sehr viele Hinweise auf Sachschäden und schwere Beschädigungen von Gebäuden." Die Lage vor Ort müsse als chaotisch bezeichnet werden.
Politiker aller Parteien tief betroffen
Deutsche Politiker zeigten sich am Mittwoch tief betroffen von den Geschehnissen in Beirut. Der Außenexperte der Bundestagsfraktion der Grünen Omid Nouripour beobachtet die Region seit vielen Jahren. Jetzt sagte er der DW: "Es ist unerträglich zu sehen, wie oft in den letzten Jahrzehnten die Menschen in Beirut von Katastrophen heimgesucht wurden. Es ist dringend notwendig, heraus zu finden, wer dafür verantwortlich ist. Wenn Deutschland dort helfen kann, dann sollte die Bundesregierung diese Hilfe auch anbieten."
Außenamtssprecher Burger hatte betont, die Regierung werde sich an Spekulationen über die Ursache der Explosionen nicht beteiligen. US-Präsident Trump hatte von der Möglichkeit einer Bombenexplosion gesprochen, das aber nicht belegen können.
Ruf nach Reformen wird jetzt lauter
Zunächst einmal, sagte der im Iran geborene Nouripour, sei nun die internationale Gemeinschaft aufgerufen, den Menschen im Libanon zu helfen, die seit Monaten massiv unter Währungsverfall, Hunger und Armut litten: "Hilft man jetzt nicht, ist die Staatlichkeit des Libanon, die Stabilität des Landes und der ganzen Region massiv gefährdet."
Der Außenexperte der CDU/CSU Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, sieht das ähnlich und spricht von einer systematischen Schwächung des Libanon von außen: "Für diese Schwächung trägt allen voran der Iran eine Verantwortung, der über die Hisbollah Parallelstrukturen im Libanon aufgebaut und gezielt Staatsinstitutionen ausgehöhlt hat."
Auch nach Ansicht des Direktors der "Stiftung Wissenschaft und Politik" (SWP), Volker Perthes, ist die Lage im Libanon nicht erst seit der Explosion verheerend. Perthes sagte der DW am Mittwoch, selbst Regierungsmitglieder würden von einem fast gescheiterten Staat sprechen: "Der frühere Außenminister, der erst gestern zurückgetreten ist, hat vor der Explosion davor gewarnt, dass der Libanon ein 'failed state' werde, wenn er sich nicht reformiert. Und die Notwendigkeit zur Reform ist jetzt durch den Schlendrian im Hafen von Beirut noch einmal unterstrichen worden."
Schon seit Monaten protestieren die Menschen im Libanon gegen die Regierung und fordern eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage, fordern weniger Korruption und besseres staatliches Handeln. Zudem ist der Libanon immer noch Aufnahmeland zahlreicher Flüchtlinge in der Krisenregion.
Perthes vermutet: "Kurzfristig werden sich die Libanesen gegenseitig helfen, das haben sie gelernt über viele Katastrophen und Kriege. Und da achtet man auch nicht auf konfessionelle oder politische Grenzen." Aber schon bald werde der Ruf nach Reformen umso lauter erklingen.