Naturkosmetik boomt
11. November 2006Während in Europa die Bio-Supermärkte sprichwörtlich wie die Pilze aus dem Boden schießen, kündigt sich in ihrem Gefolge bereits der nächste Trend an. Jene Menschen, die bereits äußerst sorgfältig darauf achten, was ihrem Körper von innen zugute kommt, achten zunehmend auch darauf, welche Nahrung er in Form von Cremes, Shampoos und Deodorants von außen erhält.
Im Gegensatz zu herkömmlicher Kosmetik konnte der Absatz von Naturkosmetik in den letzten Jahren einen Zuwachs in zweistelliger Höhe verzeichnen, so die britische Verbraucherforschungsgruppe Organics Monitor. Nach allgemeinen Einschätzungen werden die Umsatzerlöse in diesem Jahr erstmals die Milliardengrenze überschreiten, äußerte sich das Unternehmen.
In Deutschland und Frankreich gibt es die am schnellsten steigenden Wachstumsraten in Europa. Deutschland hat dabei - seinem Ruf als Vorreiter der Öko-Trends gerecht - den höchsten Marktanteil in der Sparte Naturkosmetik: ganze vier Prozent, verglichen mit einer Zwei-Prozent-Rate im übrigen Europa.
Neben der bekannten Schweizer Marke "Weleda", dem gesamteuropäischen Marktführer, ist "Dr. Hauschka Kosmetik" Deutschlands führender Naturkosmetikhersteller. Wie der Firmensprecher Antal Adam ausführt, habe der Mutterkonzern "Wala Heilmitttel GmbH" seit Jahren eine zweistellige Wachstumsrate - eine Tatsache, die auf den allgemeinen Boom von Naturprodukten und den strengen Reinheitsgrad der hauseigenen Produkte zurückzuführen sei.
Keine Einigkeit über Reinheits-Maßstab
Ein Problem der aufstrebenden Branche ist die Uneinigkeit darüber, was genau unter "natürlicher" Kosmetik zu verstehen ist. Welcher Prozentsatz der pflanzlichen Bestandteile muss biologisch angebaut sein? Sind bestimmte synthetische Zusätze erlaubt? Das Problem wird zusätzlich dadurch vergrößert, dass die Naturkosmetikbranche, im Gegensatz zu den Bio-Lebensmitteln, keine regulierenden Instanzen hat. Das bedeutet: Jedes Unternehmen setzt seinen eigenen Reinheits-Maßstab und lädt somit einen großen Teil der Verantwortlichkeit auf dem Rücken der Verbraucher ab.
Laut Adam sind die Produkte von "Dr. Hauschka Kosmetik" daher so erfolgreich, weil sie einen strengen Reinheitsstandard erfüllen. So werden die Inhaltsstoffe nicht nur so natürlich wie möglich hergestellt - die Pflanzen wachsen zum Teil in Übereinstimmung mit biologisch-dynamischen Prinzipien in hauseigenen Heil- und Kräutergärten - sondern synthetische Zusätze sind strikt verboten.
Außerdem verfolgt das Unternehmen eine Non-Profit-Philosophie. Das Geschäftsmodell basiere auf der Idee, dass alle wirtschaftlichen Aktivitäten jenen zugute kommen solle, die in den Herstellungs- und Verkaufsprozess involviert seien - sowohl den Mitarbeiter wie auch den Kunden, so Adam.
Willkommen bei den "Lohas"
In den letzten Jahren konnten die Produkte von "Dr. Hauschka Kosmetik" in einer Weise von spontanem Hollywood-Sponsoring (Julia Roberts, Jennifer Aniston, Kylie Minogue), Mund-zu-Mund-Propaganda sowie Kundenbindung profitieren, von der andere Unternehmen nur träumen können.
Der Markt der natürlichen Hautpflegemittel startete mit kleinen Nischen-Firmen, die sich entweder an Menschen mit Hautproblemen oder eingefleischte "Ökos" wendete, die Wollsocken und Sandalen trugen, so Adam. "In dieser Zeit standen die Produkte von "Dr. Hauschka Kosmetik" und Konkurrenten wie "Weleda" noch in den Regalen der Bio-Läden, direkt neben den Kartoffeln."
Diese Tage gehören jedoch der Vergangenheit an. Heute ist der Markt ausgerichtet auf die Zielgruppe der so genannten "Lohas" ("Lifestyle of Health and Sustainability"). Dies sind laut Adam junge, betuchte und meist städtische Leute, die einen an Gesundheit und Nachhaltigkeit orientierten Lebensstil pflegen.
Gewissenhafte Deutsche?
Auch Emma Moore, Beauty-Redakteurin des Lifestyle-Magazins "Wallpaper", bestätigt, dass eine Menge Verwirrung bestehe in Bezug auf Bio- und Naturprodukte. Die neuen Produkte seien jedoch so konzipiert, jene Menschen anzusprechen, die Wert auf hoch qualitative Naturprodukte und die damit einhergehende Idee von Reinheit legten: "Es ist die Gruppe von Leuten, die Bio-Gemüse kaufen und die sich diesen Bio-Lifestyle leisten können."
Angesichts des Marktpotentials springen mehr und mehr Unternehmen auf den Zug der Bio- und Naturprodukte auf. Manche von ihnen, wie die französische Firma "Doux Me" gewinne junge Kunden, indem sie den Faktor Natur betone und gleichzeitig ihren Produkten ein schickes Design verpasse - im Gegensatz zu manchen älteren Produktreihen, so Moore.
Deutsche Unternehmen könnten jedoch einen Vorteil durch ihren guten Ruf haben. "Man kann sich vorstellen, dass die Deutschen, sobald sie einmal mit den Bio-Produkten angefangen haben, diese Sache sehr ernst nehmen", sagt Moore. "Ich vermute, dass die Deutschen das philosophisch noch eine Stufe weiter treiben werden."
Produktion an Mondphasen ausgerichtet
Während der Marktanteil für Naturprodukte zunimmt, hat die Natur selber der Entwicklung mancher Unternehmen eine Grenze gesetzt. Antal Adams von "Dr. Hauschka Kosmetik" räumt ein, in Anbetracht der vier Tonnen Rosenblätter, die für die Herstellung von einem Liter Rosenöl notwendig seien - einem Hauptbestandteil ihrer meistverkauften Rosen-Feuchtigkeits-Lotion - sei die Menge von biologisch hergestellten Rosenblättern auf dem Weltmarkt begrenzt.
Und "Just Pure", ein süddeutsches Unternehmen, das Naturkosmetik in erster Linie für den Verkauf in exklusiven Wellness-Centern produziert, hat die gesamte Herstellung nach den anthroposophischen Theorien der verschiedenen Mondphasen ausgerichtet. Das bedeutet, dass bestimmte Produkte nur dann angerührt oder bestimmte Pflanzen nur dann geerntet werden können, wenn der Mond zu- oder abnimmt. "Manchmal bleiben uns nur ein paar Tage für die Herstellung", bestätigt Firmenchefin Gabriela Just.