Umdenken für das Wasser
29. Januar 2008Eigentlich dürfte in China überhaupt keine Wasserknappheit herrschen. Schließlich verfügt das Land über die viertgrößten Trinkwasserreserven der Welt. Trotzdem kommt es immer wieder zu ernsthaften Versorgungsengpässen. Laut Elizabeth C. Economy, Direktorin für Asiatische Studien am Council on Foreign Relations in New York, verfügten sogar 440 von 600 chinesischen Städten dauerhaft über zu wenig Wasser.
"Nachhaltiges Wassermanagement" lautet deshalb das neue Zauberwort. Einer der wichtigsten Vertreter des Konzepts ist Wolfgang Geiger, der sich als Unesco-Chair seit den 1990er Jahren für ein Umdenken in punkto Wasserschutz vor Ort engagiert. Und das mit zunehmendem Erfolg, so scheint es. Bei Gesprächen mit Regierungsvertretern bemerke er eine "größere Offenheit" als früher, als an Kritiker noch "Maulkörbe" verteilt wurden, betont Geiger im Gespräch mit DW-WORLD.DE.
Scharfe Umweltgesetze sind zahnlose Tiger
Wie weit es mit dieser "Offenheit" tatsächlich bestellt ist, und ob die chinesischen Politiker nur in ihrer Rhetorik, oder auch in ihren Taten dem Umweltschutz eine neue Dringlichkeitsstufe zumessen, davon kann sich Bundesumweltminister Sigmar Gabriel selbst ein Bild machen. Seit Dienstag (29.1.2008) ist Gabriel in China, um dort unter anderem mit Vertretern der chinesischen Umweltbehörde SEPA über einen Ausbau der bilateralen Kooperation zu reden.
Dabei verfügt China bereits über eines der schärfsten Umweltgesetze der ganzen Welt - "gerade im Bereich Wasserschutz", ist Unesco-Experte Geiger überzeugt. Tatsächlich wurde schon 1988 ein Gesetz zum Schutz des Wassers erlassen. Bei der jüngsten Novellierung orientierte man sich an der Umweltgesetzgebung in Kanada und Nordeuropa. "Nur mit der Umsetzung hapert es.", so Geiger. Misswirtschaft und Korruption, aber auch die personell schwache Besetzung der Umweltbehörde SEPA mit rund 220 Beamten auf nationaler und einigen Tausend auf Provinzebene stehen dem im Wege.
Die Öffentlichkeit ist sensibilisiert
Doch der Druck auf die Regierung wächst; selbst die chinesischen Medien sind sensibilisiert: "In quasi jeder zweiten 'China Daily'-Ausgabe geht es um ein Wasserproblem - sei es Überflutung, Knappheit oder Verschmutzung“, weiß Wasserschutz-Experte Geiger zu berichten.
Dabei sind an der Wasserknappheit Chinas nicht nur die schwierigen klimatischen Bedingungen, sondern vor allem die Jahrzehnte ungebremsten Wirtschaftswachstums schuld. Denn nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch die chinesische Industrie arbeitet hochgradig ineffizient: "Hier werden im Durchschnitt bis zu 20 Prozent mehr Wasser verbraucht als in den Industrieländern", betont China-Expertin Economy.
Jangtse-Strom sauberer als der Rhein?
Die Umweltverschmutzung verschärft das Problem weiter: "70 Prozent der chinesischen Flüsse sind schlimm verschmutzt. Insofern ist die Wasserknappheit ein hausgemachtes Problem", sagt Geiger. Allerdings ist das Ausmaß der Wasserverschmutzung schwer zu beziffern. Die Angaben sind so unterschiedlich wie ihre Quellen.
Laut einer Ende 2007 veröffentlichten Studie von Wissenschaftlern aus der Schweiz und China ist der 6300 Kilometer lange Jangtse-Strom weit weniger mit Schwermetallen verschmutzt als befürchtet. So sei die Metallbelastung immer noch bis zu acht Mal geringer als jene vor 30 Jahren im Rhein
"Riesige Toilettenschüssel"
Chinesische Medien sind da deutlich kritischer: Laut der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua leidet der Jangtse unter einer Rekordverschmutzung: Allein im vergangenen Jahr seien 30,5 Milliarden Tonnen Abfälle aus Industrie, Landwirtschaft und Privathaushalten in den Strom gelangt. Durch den Drei-Schluchten-Staudamm wurde der Fluss zu einer Art "riesigen Toilettenschüssel", kritisieren Umweltschützer. Mit der Flutung waren Müll, Überreste von Städten und Dörfern, Deponien, Fabriken und Friedhöfe in dem Wasserreservoir untergegangen.
Das Beispiel Drei-Schluchten-Staudamm zeigt aber auch: Wenn beim Wasserschutz ökonomische Interessen tangiert werden, sind Chinas Prioritäten klar: Das weltgrößte Wasserkraftprojekt sollte die Stromversorgung in der Region sicher stellen, Bedenken von Umweltschützern wurden übergangen. "Die Ökonomie sitzt in China immer am längeren Hebel", glaubt Geiger.
Umweltzerstörung frisst Wachstum auf
Nichtsdestotrotz könnte gerade dieser "ökonomische Imperativ" dem Umweltschutz künftig auch in die Hände spielen: Kritischen Schätzungen zufolge fressen die Kosten der Umweltzerstörung nahezu das gesamte chinesische Wirtschaftswachstum auf.
Das Interesse an neuen Technologien zur umweltfreundlichen Wasseraufbereitung und -entsorgung sowie zum ressourcenschonenden Verbrauch ist dementsprechend groß. Das dürfte auch Bundesumweltminister Gabriel bei seiner Reise zu spüren bekommen. Denn Deutschland ist laut Jutta Ludwig von der Deutschen Außenhandelskammer in Bejing der größte europäische Investor in China. Viele Unternehmen seien auch im Bereich der Wasseraufbereitung tätig. Ein lukratives Geschäft - vielleicht auch für die Umwelt: Bis 2010 will die chinesische Regierung rund 140 Milliarden Euro unter anderem für den Bau von 1000 neuen Wasserreingungsanlagen bereit stellen.