Rettung von Malis Schriften
28. Februar 2013Mehr als 200.000 Dokumente konnten Abdel Kader Haidara, der Leiter der Mamma-Haidara-Bibliothek, und seine Helfer aus den Bibliotheken von Timbuktu herausbringen – und zwar auf abenteuerliche Weise. Mit Privatautos sei ein Teil der Handschriften aus der Stadt geschmuggelt und in die Hauptstadt Bamako gebracht worden. Das Auswärtige Amt will sich nun an der Schriftenrettung beteiligen. Über 4.000 der bedeutenden naturwissenschaftlichen, philosophischen und theologischen Schriften des arabisch-afrikanischen Mittelalters lagern nun dort in der deutschen Botschaft – in Archivkartons, die das Auswärtige Amt beschaffte.
Deutsche Unterstützung zugesagt
Außenminister Guido Westerwelle zeigte sich zufrieden über die logistische und finanzielle Unterstützung von deutscher Seite: "Es ist ein großes Glück, dass es gelungen ist, über 200.000 Handschriften aus Timbuktu zu retten. Ich freue mich, dass ein großer Teil dieses wertvollen Kulturschatzes auch mit deutscher Hilfe gesichert werden konnte. Jetzt geht es darum, den Bestand zu erfassen und für die Nachwelt zu erhalten. Wir sind bereit, den Wiederaufbau der Bibliothek in Timbuktu tatkräftig zu unterstützen." Zur konkreten Höhe der finanziellen Unterstützung wollte das Auswärtige Amt derzeit aber noch keine Angaben machen.
Bei ihrer Flucht vor malischen und französischen Soldaten hatten islamistische Rebellen am 28. Januar 2013 das Ahmed-Baba-Institut in Brand gesetzt. Das moderne Gebäude war erst vier Jahre zuvor eröffnet worden – allein der Bau hatte mehrere Millionen Euro gekostet. Als bedeutend wertvoller galten jedoch die tausenden wertvollen Schriftstücke, die als Teil des UNESCO-Weltkulturerbes in der Bibliothek des Instituts lagerten. Die Ahmed-Baba-Bibliothek ist nur eine von rund 80 Privatbibliotheken Timbuktus.
"Kulturelles Verbrechen"
Zunächst war unklar, welches Ausmaß die Zerstörung hatte. Selbst Wissenschaftler vom "Tomboctou Manuscript Project" der Universität Kapstadt, die sich die Archivierung der Schriften zum Ziel gesetzt haben, konnten nicht beziffern, wie viele der Kulturschätze vernichtet wurden. Von den 30.000 Manuskripten, die allein in der Ahmed-Baba-Bibliothek gelagert hatten, sei noch nicht einmal ein Drittel katalogisiert, hieß es nach Bekanntwerden der Brandstiftung, die von vielen Medien als "kulturelles Verbrechen" bezeichnet worden war.
Das Time Magazine hatte Ende Januar berichtet, Bewohner Timbuktus und Denkmalschützer hätten einen möglichen Anschlag auf die Ahmed-Baba-Bibliothek durch Islamisten bereits geahnt. Daher hätten sie einen Großteil der Dokumente in Sicherheit gebracht, lange bevor es zur Brandstiftung kam. Shamil Jeppi, der Direktor des "Tomboctou Manuscript Project" bestätigte diese Angaben gegenüber dem Time Magazine.
Gerda-Henkel-Stiftung beteiligt sich am Wiederaufbau der Bibliothek
Die deutsche Gerda-Henkel-Stiftung wird die weiteren Maßnahmen zum Wiederaufbau der Achmed-Baba-Bibliothek unterstützen. Zweck der Stiftung mit Sitz in Düsseldorf ist die Förderung der Wissenschaften - auch die der Historischen Islamwissenschaften. "Wir sind im Moment in enger Absprache mit dem Auswärtigen Amt dabei, überhaupt erst mal eine Bestandsaufnahme zu machen", sagt Michael Hanssler, der Vorstandsvorsitzende der Gerda-Henkel-Stiftung. "Die Lage ist ja nach wie vor unübersichtlich: Kein Mensch weiß, um viele Manuskripte es sich insgesamt handelt und wie viele heil in Bamako angekommen sind. Wir werden jetzt mit Hilfe von wissenschaftlichen Experten überlegen, wie wir weiter vorgehen. Es wird wohl auf eine Digitalisierung der Handschriften und auf Schutzmaßnahmen vor Witterungseinflüssen hinauslaufen."
Rechtstexte, Reiseberichte und Abhandlungen über die Sandalen des Propheten
Timbuktu war im 16. Jahrhundert eine Hochschule mit mehr als 20.000 Studierenden und 100 bis 150 Koranschulen, weiß Hanssler. "Die Manuskripte beschreiben die Geschichte der Region und sind deshalb auch weit über Mali hinaus von großer kulturhistorischer Bedeutung. In erster Linie handelt es sich wohl um islamische Rechtsauslegungen und Rechtstexte, aber auch um Reiseberichte und um Lehrtexte zur Astrologie, zur Rhetorik und zur arabischen Sprache", erklärt er. Wahrscheinlich sei auch, dass sich in der Bibliothek sehr alte Abhandlungen über Pflanzenheilkunde, über Musik und angeblich wohl sogar über die Sandalen des Propheten Mohammed befänden.
Hanssler spricht sich dafür aus, sich in dieser Frage eng mit der malischen Seite abzustimmen. Wann immer es möglich ist, sollten die Dokumente im Land bleiben. "Allerdings sollte man gemeinsam dafür sorgen, einen sicheren Aufbewahrungsort zu finden – natürlich nur unter der Prämisse, dass die kriegerischen Handlungen nicht auch die Hauptstadt erfassen."